Düsterschloss

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Scottish Borders, Scotland 1765

Einmal, als ich ungefähr dreizehn Jahre alt gewesen bin, hat Mutter uns erlaubt, einen Erlebnispark zu besuchen. Wie nicht anders zu erwarten, haben meine Geschwister und ich uns die halbe Zeit mit Süssigkeiten und anderen leckeren Naschereien vollgestopft. Die anschliessenden Fahrten mit der Achterbahn endeten dementsprechend nicht sondernlich glamurös. Im Gegenteil, der gesamte Inhalt meines überreizten Magens landete auf den Schuhen meiner erzürnten Mutter. Ich erinnere mich bis heute an das Gefühl der erstickenden Übelkeit, die ich dabei empfand.

Ungefähr so fühlt es sich jetzt an, als ich dieses heruntergekommene, düstere Schloss an der Seite meiner neuen Gefährten betrete. Die Mauern sind wegen ihrer Langwierigkeit beinahe komplett schwarz gefärbt, sodass die wenigen Lichter in den Fenstern dem Schloss etwas überaus Unheimliches verleihen.

Die gut geschützten Tore werden uns nach einem kurzen Handzeichen geöffnet, und wir treten ein. Natürlich werde ich während des Gangs über den Innenhof und die anschliessenden Flure von allen Seiten her angestarrt. Alle stellen sich die Frage, was ein junges Mädchen mit seltsamer Kleidung und einer blutenden Kopfwunde hier treibt.

Die Frage kam mir selbst schon längst, nur um das mal klarzustellen.

»Hier entlang, Mylady. Keine Sorge, Ihr seid in guten Händen. Wenn Ihr mir sagen könntet, aus welcher Zeit Ihr kommt? Dann sorgen wir dafür, dass jemand kontaktiert wird, der Euch erwartet, sobald Ihr zurückspringt.«

Es ist mir noch immer schleierhaft weshalb Fionn mir nichts von diesem Geheimbund erzählte. Jedoch kam mir der Gedanke, dass er ebenfalls dazu gehört. Er meinte einst, es gäbe viele, die sich darum bemühten mich damals zu verstecken, und sicherlich hat sich diese Gruppe nicht aufgelöst.

»2017«, antworte ich also ehrlich.

Wir betreten einen hellerleuchteten, warmen Raum, der klein aber gemütlich aussieht. Mir wird eine bequeme Sitzgelegenheit geboten, und erst als ich erschöpft in die Polster falle, wird mir bewusst, wie viel mich diese Flucht an Kraft gekostet hat.

»Oh«, macht einer der Geheimbund-Männer. Er bietet mir auf einem Tablett etwas heissen Eintopf an. Obwohl ich nicht erkennen kann, was alles in der heissen Brühe schwimmt, riecht es so gut und ich bin halb verhungert, sodass ich ohne Weiters zugreife.

»Was sagtet Ihr? Dieses Schloss existiert in meiner Gegenwart noch immer, sodass ich sicher bin, wenn ich zurückspringe?«, frage ich zwischen zwei Bissen.

Der ältere Herr schmunzelt über meinen Hunger, sagt jedoch nichts dazu. Stattdessen bietet er mir noch ein Stück Brot an, welches wunderbar duftet. »Sehr wohl. Da dieser Geheimbund in Eurer Zeit noch immer aktiv ist, existieren auch alle dazu gehörigen Zufluchtsorte weiterhin.«

Ich nicke, weiss jedoch nicht wie ich darauf antworten soll. Wie immer ist es ein vergleichsweise scheiss Gefühl, dass alle mehr über mich zu wissen scheinen als ich. Und alle über die Welt, in der ich ebenso lebe, mehr wissen als ich. Wobei das echt lächerlich ist, immerhin habe ich seit ich denken kann immer über die wahre, übernatürliche Realität unserer Welt bescheid gewusst. Nicht weniger, weil ich selbet ein Teil davon bin.

»Wie kommt es, dass Ihr in mitten der Wälder der Scottish Borders geraten seid? Mit einer blutenden Wunde? So viel ich weiss, bewohnt der Mckenzie Clan den anderen Teil«, fragt er.

Ich sehe ihn mit hoch erhobenen Augenbrauen an. »Ich wurde verschleppt, nehme ich an. Ich weiss nicht, wer diese Männer waren. Jedoch gehe ich davon aus, dass es sich um Engländer handelten, denn sie redeten schlecht über... uns.«

Merkwürdig, mich selbst als etwas anderes als eine Engländerin zu bezeichnen, aber vermutlich ist es an der Zeit mein Schicksal zu akzeptieren. Genau wie Fionn bereits sagte.

»Hm, verständlich«, erwidert der ältere Herr. Es kommt eine junge Frau, in was ähnlichem wie einer Schwesterntracht, herein und beginnt schweigend meine Wunde am Kopf zu versorgen.

»Vielleicht solltet Ihr Euch ausruhen, bis Ihr zurückkehrt?«

Schnell schüttle ich den Kopf. »Ich will nicht riskieren, schlafend zu springen. Da könnte ich mir das Genick brechen«, sage ich nachdenklich.

Der Mann nickt wissend, scheint keineswegs überrascht von meiner Entgegnung. Vermutlich hat er schon öfters mit Zeitreisenden zu tun gehabt.

»Ich lasse Euch allein... Ich sehe, Ihr seid durcheinander. Falls Ihr etwas braucht, ruft ruhig danach.« Mit diesen Worten erhebt er sich und geht. Die Frau, die sich an meiner Wunde zu schaffen machte, verlässt ebenfalls augenblicklich das Zimmer. Und dann bin ich alleine mit meinen Gedanken.

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Scottish Borders, Scotland 2017

Mir fällt es schwer, die Brühe bei mir zu behalten, als ich durch die Zeit gewirbelt werde. Deren Hitze spüre ich noch immer gleich intensiv, als ich in meine Gegenwart zurückspringe, sodass alles durcheinander gerüttelt wird.

Mann, wenn das so weitergeht mit dem Erbrechen, muss ich mir etwas einfallen lassen, denke ich genervt.  Dennoch bin ich erleichtert wieder zurück zu sein. Auch wenn ich noch immer keine Ahnung habe, wo genau ich bin.

Doch als ich aufsehe und in ein Haufen erleichterter Gesichter blicke, bin ich trotz allem nicht allzu überrascht. Vor allem als Fionn stürmisch alle anderen beiseite drückt, um mich besorgt in Augenschein zu nehmen. Ich kann ihm ansehen, dass ihm ein Stein vom Herzen fällt, als er mich noch immer lebend erblickt.

»Wir beide müssen dringend reden!«, stosse ich atemlos hervor und rapple mich mühselig vom harten Boden auf. »Ich habe einige Fragen.«

Er sagt nichts, nickt nur und bietet mir anschliessend seine Hand an, damit ich ihm folge.

Shadow of Past - Band IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt