Scottish Highlands, Scotland 1898
Der Schreck ist schnell vorbei, als ich den Ursprung des Knalls erkennen kann: Einige der Männer haben angefangen, unkontrolliert in den Himmel zu schiessen. Es ist ohrenbetäubend laut, jedoch scheint es niemanden zu stören. Eher im Gegenteil: Alle schreien vor Freude durcheinander, jubeln und lachen gemeinsam. Die Stimmung ist einfach umwerfend.
Ich verspüre den plötzlichen Drang, ebenfalls laut aufzulachen und gebe dem schnell nach. Fionn stimmt ebenfalls ein und zieht mich erneut an seine Brust.
Er ist so warm. Ich fühle mich so unfassbar wohl, dass ich selber darüber staune. Ich bezweifle, dass ich mich in meinem Leben je einmal so wohl und geborgen bei einer anderen Person gefühlt habe... Meine Eltern haben gründlich dafür gesorgt, dass ich jegliches Vertrauen zu anderen Menschen verliere.
Doch es scheint fast so, als habe Fionn diesen Makel innerhalb einiger Wochen verscheucht und eine Person aus mir gemacht, die jemand anderem durchaus trauen kann.
Ich spüre seinen Atem an meinem Hals, der ein atemberaubendes Kribbeln in meiner Magengrube lostritt. Es läuft über meinen gesamten Körper, fährt bis tief in meine Knochen und gleitet selbst über die oberste Schicht meiner Haut. Ich schaudere beinahe, doch dann drücke ich mich stattdessen enger an ihn. Seine unumstrittene Kraft und Grösse fängt mich auf und hält mein zerbrechliches Inneres, welches ich ihm aus purem Instinkt nackt und vollkommen entblößt übergebe. In seinen Händen ist es gut verwahrt.
Seine Stimme ist leise, doch laut genug, dass ich ihn über den Tumult hinweg deutlich verstehen kann. »Ich will, dass du weisst«, beginnt er. »Ich gehe mit dir bis ans Ende. Wo auch immer uns diese Geschichte hinführt, ich verspreche es dir.«
Ich bin mir nicht sicher, was andere jungen Frauen in meinem Alter von den Männern hören wollen, die sie mögen, doch was mich betrifft: Ich glaube nicht, dass es etwas gibt, dass mich mehr berührt hätte.
Bei dem ganzen Strudel, der seit einer geraumen Zeit mein Leben in seinen gierigen Klauen hält, ist alles was ich wirklich brauche, jemand der mir da durchhilft. Denn alleine, und das weiss ich jetzt, schaffe ich das nicht.
Fionn, mit seiner ruhigen, besonnen Art, gleicht mein teilweise kaum zügelbares Temperament aus. Seine liebevolle, fürsorgliche Art sich um mich zu sorgen, hält mich davon ab kopflos in dieses grosse Loch der Ungewissheit hineinzuspringen. Und wenn ich niedergeschlagen, gar traurig bin, dann sind es seine Worte, die mich darzubringen, alles nicht als ganz so schlimm anzusehen.
Und ich kann kaum glauben, dass mir das erst jetzt auffällt.
Ich hebe den Kopf, sehe in seine wunderschönen blauen Augen, wie zwei tiefe Teiche, die mich herabziehen und in ihrem Bann gefangen halten. Ohne etwas auf seine Worte zu erwidern, beuge mich vor - nachdem ich selbstverständlich auf die Zehenspitzen getreten bin - und drückte meine Lippen ebenso sanft auf seine, wie er es davor getan hat.
Ganz ehrlich jetzt, das ist nicht wie in den ganzen schnulzigen Romanen, wo Feuerwerk im Hintergrund explodiert, Vögel zwitschern und überall Rosen aufblühen. Aber es ist auch komplett anders, als mit den wenigen anderen männlichen Wesen, die ich bereits geküsst hatte. Denn bei denen habe ich absolut nichts gefühlt, ausser der unausweichlichen Tatsache, dass ich das Küssen an sich ganz gerne mag.
Fionn zu küssen hingegen ist, als ob tausend Trommeln in meinem Bauch schlagen und einen aufregenden Rhythmus spielen. In meinem Kopf rauscht mir das Blut und mein Herz schlägt doppelt so schnell, sodass es sich anfühlt, als ob es in meinen Hals hinauf gerutscht ist.
Scottish Highlands, Scotland 2017
Nachdem ich die Augen wieder geöffnet habe, sind die Clans weg, die Pistolenschüsse verstummt und das Feuer nicht mehr zu sehen. Niemand steht mehr länger hinter dem Haus der Mckenzie's und feiert. Wir sind zurück.
Fionn beginnt zu lachen. Es ist ein beinahe melodiöser Klang, der mich ebenfalls zum Kichern bringt. »Naja, ein einmaliges Erlebnis.«
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Shadow of Past - Band I
FantasyEmma Sinclair fühlt sich durch die unerbittliche Strenge ihrer Mutter, der ständigen Forderung ihres Vaters und der Jahrhunderte alten Bürde, die auf ihr lastet, mehr und mehr einsam und verwirrt. Sie weiss nicht, wer sie ist und wohin sie gehört. S...