Briefe aus Hogwarts

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Langsam schienen Schritt für Schritt meine Sinne zurückzukehren. Erst hörte ich Stimmen, die mein Gehirn allerdings noch nicht verarbeitete, dann vernahm ich einzelne Satzteile wie "...sehr starker Fall von unkontrollierter Magie..." Und "...ja er lebt noch..." Ganz leise hörte ich ein Mädchen um die Fichte trauern, während ich meinen Körper wieder spürte und blinzelte, damit meine Sicht zurückkehrte.

Ich lag immer noch da, wo ich umgefallen war. Alles war wie zuvor, nur dass der erschlagene Junge gerade von Heilern auf einer Trage davon getragen wurde und um mich herum eine Traube von Menschen stand.

Mit meiner Erinnerung kehrten auch die schlechten Gefühle zurück. Jetzt von einigem Abstand betrachtet schockierte mich, was ich getan hatte. Ich war entsetzt und angewidert von mir selbst. Ich hätte ihn umbringen können!! Was war nur mit mir los gewesen, dass ich den Baum auf ihn fallen gelassen hatte?!?
In mir regte sich ein hoffnungsvoller Gedanke. Es könnte doch sein, dass der Baum von selbst umgefallen war, und das alles ein riesiger Zufall war... Das glaubst du doch wohl selbst nicht, sagte mein Verstand zur Hoffnung. Und mein Gewissen schaltete sich wieder ein und machte mir weiter Vorwürfe.
Ich fühlte mich schlecht. Wie ein außer Kontrolle geratenes Monster. Ich konnte doch normal keiner Fliege was zuleide tun! Ich erkannte mich nicht wieder in dem Monster, dass Bäume auf kindisch fiese Jungen knallen ließ.

"Aurelia! Komm wir gehen heim. Du solltest das ganze jetzt erst mal verdauen. Komm steh auf, dann gehen wir heim." Hörte ich die sanfte Stimme meiner Tante Hepzibah sagen. Ihre Stimme war ruhig, aber entschlossen und als ich mich zu meiner Tante umdrehte, sah ich in ihren Augen nur Sorge und Verständnis. Sie lächelte leicht. Anscheinend machte sie mir keine Vorwürfe, und dafür war ich ihr dankbar. Es lenkte mich ein wenig von meinem schlechten Gewissen ab und ich fühlte mich besser. Ich stand auf und nahm sie bei der Hand, bevor wir disapparierten.

Wir gingen ins Haus, und das erste, was ich sah, war ein Brief mit dem Wappen von Hogwarts darauf. Sofort waren alle Sorgen vergessen und ich schrie vor Glück und umarmte meine Tante, die lachte, weil ich mich so freute. Ich hüpfte wie ein Flummie, während ich meinen Brief in die Hand nahm und ins Wohnzimmer rannte, wo ich mich auf den riesigen, weißen, flauschigen Teppich setzte und den Briefumschlag aufriss.

HOGWARTS-SCHULE FÜR HEXEREI UND ZAUBEREI

Schulleiter: Amando Dippet
(Orden des Merlin, Erster Klasse, Großz., Hexenmst.)
Sehr geehrte Ms. Fawn,
wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass Sie an der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei aufgenommen sind. Beigelegt finden Sie eine Liste aller benötigten Bücher und Ausrüstungsgegenstände.
Das Schuljahr beginnt am 1. September. Wir erwarten ihre Eule spätestens am 31. Juli.

Mit freundlichen Grüßen

Albus Dumbledore
Stellvertretender Schulleiter

Ich strahlte über das ganze Gesicht, während meine Tante mir stolz die langen Haare aus dem Gesicht strich. "Morgen gehen wir in die Winkelgasse und kaufen dir deine Sachen. Aber jetzt gibt's erst Mal deine Geburtstagstorte. Dieses Jahr wieder von Hokey gebacken." Sagte sie und zwinkerte mir zu.
Ich musste bei der Erinnerung an letztes Jahr lachen. Tante Hepzibah hatte nämlich vergessen Mehl zu kaufen und dann hatte sie aus Versehen die Packung mit Gips genommen. Der Kuchen sah zwar ganz schön aus, aber essen hatte man ihn nicht können. Er war Steinhart gewesen. Wir hatten ihn immer noch irgendwo im Keller stehen als Erinnerung. Dank dem Gips wurde er nämlich nicht schlecht.

Ich stand auf und zog meine Tante hoch, was sich als schwierig gestaltete, weil sie schwerer war als ich. Irgendwann schaffte ich es. Ich hatte allerdings den Verdacht, dass sie mehr alleine aufgestanden war und nur an meiner Hand gezogen hatte, damit ich dachte ich hätte sie hochgezogen. Früher hatte das einmal geklappt. Inzwischen hatte ich die Masche allerdings durchschaut. Ich ging in unsere gelb gestrichene (wie fast alles in diesem Haus) Küche, wo wir normalerweise aßen, wenn kein Besuch da war. Hokey stellte gerade den Kuchen auf den Tisch und fragte Hepzibah ob sie die Zeitung von heute jetzt lesen wollte (wir hatten nicht gefrühstückt, weil meine Tante es so eilig gehabt hatte meinen Cousin zu besuchen, dass sie das Frühstück hatte ausfallen lassen) oder ob sie sie nachher bringen sollte.
"Danke Hokey, das ist sehr aufmerksam von dir" sagte Hepzibah und Hokey überreichte ihr die Zeitung und knickste, bevor sie sich wieder an die andere Arbeit machte.
"Grindelwald übernimmt immer mehr Macht. Wieder eine ermordete Muggel-Familie in London. Die Muggel denken anscheinend es gibt einen neuen 'Jack the Ripper' der nicht nur Frauen sondern ganze Familien tötet." Das war ja schön. Todesnachrichten an meinem Geburtstag (Ironie lässt grüßen). "Und er hat anscheinend seine Macht in Amerika noch mehr ausgebreitet." Fuhr meine Tante fort. Seit ich denken konnte hatte Grindelwald Angst und Schrecken verbreitet. Nicht nur unter den Zauberern und Hexen. Auch die Muggel kannten ihn inzwischen. Jedoch wussten sie nicht, dass es er war, geschweige denn ein und die selbe Person. Wahrscheinlich dachten sie, es wäre eine Terror-Organisation. Jedenfalls hatte Grindelwald seinen Hauptsitz in Deutschland, wo auch seine Leute am meisten verbreitet waren.

Aber genug des Grübelns. Jetzt gab es erst Mal Geburtstagstorte und Geschenke.
"Hepzibah? Können wir jetzt anfangen?" Fragte ich. Als Antwort legte sie die Zeitung weg und lächelte mich entschuldigend an. Dann nahm sie ihren Zauberstab und die Kerzen, die auf meiner Himbeer-Sahnetorte (meine absolute Lieblingsorte) standen, fingen an zu brennen. Dann sang sie 'Happy Birthday' und Hokey hörte man von nebenan mitpiepsen, während ich die Kerzen auspustete. Elf Stück. Für jedes Jahr eine. Meine Tante applaudierte und ich schnitt die Torte in 8 Stücke. Erst gab ich meiner Tante ein Stück und anschließend mir. "Hokey! Komm doch Mal bitte!" Rief ich unsere Hauselfe. Ich ging zum Geschirrschrank hinüber und nahm einen Teller, auf den ich ein Stück Torte lud. Mit ihren Tennisballgroßen Augen und mit fragender Miene, knickste sie vor mir. "Komm setz dich zu uns und iss ein Stück Kuchen mit uns. Dann wird die Kaffegesellschaft gleich viel größer." Forderte ich sie auf. "Aber Miss. Die Torte ist für Sie und ihre Tante. Nicht für mich." Widersprach sie mir überrascht. "Aber es ist mein Kuchen und ich bestimme, wer ein Stück abbekommt und wer nicht. Zur Feier des Tages bekommst du auch eins. Und du sitzt an unserem Tisch." Hokey starrte mich an. Dann nahm sie ihren Teller, schlurfte mit ehrfürchtigem Gesichtsausdruck zum Tisch hinüber und setzte sich an einen freien Platz. Ich tat es ihr nach, allerdings mit einem selbstzufriedenen Lächeln auf den Lippen, während meine Tante die Stirn runzelte. Ihrer Meinung nach gehörten Hauselfe nicht an denselben Tisch wie wir Menschen. Aber da heute mein Geburtstag war, sagte sie nichts.

Als ich an diesem Abend ins Bett ging, ließ ich mir noch einmal alle Geschehnisse des Tages durch den Kopf gehen. Das Missgeschick mit dem Baum und das Essen mit Hepzibah und Hokey und schließlich meine Geburtstagsgeschenke. Ich hatte von meinem Cousin ein To-do-listen Buch für Hogwarts bekommen. Anscheinend erwartete er von mir, dass ich in seine Fußstapfen trat, denn darin standen solche Sachen wie "Eine Stunde nach Sperrstunde an Professor Sluhorns Tür klopfen und sich nicht erwischen lassen." Meine Tante hatte mir eine Kette geschenkt, die sehr wertvoll aussah. Sie war sehr feingliedrig und hatte einen Anhänger in Form einer Biene, der mit Citrin besetzt war. Sie war einfach wunderschön. Aber das war nicht der einzige Grund warum ich sie so mochte. Sie hatte einmal meiner Mutter gehört und hatte sie meiner Tante gegeben, damit sie darauf aufpasste. Aber letztendlich sollte ich sie bekommen. Sie war ein Familienerbstück und war speziell verzaubert. Aber wie hatte sie mir nicht sagen können. Das hatte ihr meine Mutter nicht gesagt.
Mein Vater hatte mir einen sehr ägyptisch aussehenden Blumentopf geschenkt, der das Wachstum der Pflanzen förderte und sich selbstständig um die Pflanze kümmerte. Beigelegt war ein Foto von meinem Dad in Ägypten aus dem er mir zuwinkte.
Der Tag war auf jeden Fall sehr abwechslungsreich gewesen und ich würde ihn wohl nie vergessen. Schließlich schlief ich ein.

The other heir -You're never the only oneWhere stories live. Discover now