13. Kapitel

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Die warmen Sonnenstrahlen blicken nur noch selten durch die dichte Wolkendecke hindurch, der Regen fällt in dicken Tropfen auf die Erde und der Wind weht durch die kahlen Baumkronen. Auf dem durchnässten Waldboden hat sich ein Meer aus farbenfrohen Blättern niedergelassen, ein frischer und reiner Duft liegt in der Luft.

In den letzten fünf Wochen hat der milde Sommer für den kühlen Herbst platz gemacht.

Nicht das es mich stört, der Herbst ist abwechslungsreich und bringt die gleiche Stimmung mit, wie ich sie momentan sowieso fühle. Außerdem sind die kühlen und verregneten Tage für mich das Startsignal für die Herbstferien. Jedoch weiß ich nicht, ob ich mich auf die so wirklich freuen sollte. Ich werde wieder auf mein Vater treffen, der mit seiner kühlen Art zeigen wird, wie egal ich ihm eigentlich bin. Obwohl ich manchmal sogar das Gefühl habe, dass das Alles nur ein Schutzmechanismus seines Herzens ist. Wie eine Mauer, die er um sich aufgebaut hat und die jegliche Ausbrüche von Gefühlen verhindert.

Und ich werde Miss Lane nicht sehen können. Ich vermisse diese blauen Augen, ihre sanfte Stimme und ihren betörenden Duft schon jetzt. So gesehen ist wohl höchstens das Wiedersehen mit Henry und Mary ein positiver Faktor, und natürlich meine beste Freundin Emma, mit der ich endlich wieder das Nachtleben Londons unsicher machen kann, bis wir uns dann irgendwann mit einer Flasche Alkohol an der Themse wieder finden werden.

Ich beobachte fasziniert, wie die einzelnen Regentropfen auf die Scheibe des Fensters schlagen, sich dort mit anderen Tropfen vermischen und schlussendlich am Fenster wieder herunter fließen. Dabei blende ich meine Umgebung komplett aus. Mittlerweile finde ich den Matheunterricht sowieso zum einschlafen langweilig. Miss Blackwood hat mir mit ihrer strengen und abschätzenden Art echt die Freude an den ganzen Zahlen genommen.

Während ich also durch das Fenster blicke, schiebt sich automatisch wieder ein Bild von Miss Lane vor meine inneren Augen. Die Hoffnung, meine Gefühle könnten mit der Zeit abnehmen, sind längst verstrichen und als aussichtslos abgestempelt. Mittlerweile habe ich sogar die Vermutung, sie würden von Tag zu Tag stärker werden. Immer wenn ich Miss Lane erblicke, denke ich, nie wieder damit aufhören zu können. Ich spüre deutlich, wie sich mein Herzschlag beschleunigt und wie mir die Röte ins Gesicht steigt, wenn ihr Blick auf meinen trifft. Mittlerweile verspüre ich den Drang, sie immer und überall suchen zu müssen. Der Wunsch, bei ihr zu sein ist einfach zu groß. Miss Lane lässt mich nicht mehr los. Sie ist immer in meinem Kopf präsent, ob Tag oder Nacht.

Ein leises Seufzen entkommt mir, wenn ich an diese aussichtslosen Gefühle für meine Lehrerin denke. Plötzlich nehme ich ein starken Tritt an mein Schienbein wahr. Sofort werfe ich Elli, die neben mir sitzt, einen empörten Blick zu.

>>Miss Blackwood<<,zischt sie mir vorwurfsvoll zu.

Ich lasse irritiert meinen Blick nach vorne zur Tafel wandern und treffe dort auch schon auf die hasserfüllten Augen von meiner Mathelererin.
Na super!

>>Schön dass Sie auch mal wach sind Amelia<<sagt diese auch schon mit einem fast bedrohlichen Ton.

Ich schlucke einmal und unterdrücke den Drang, ihr zu sagen, dass ich zwar geträumt, nicht aber geschlafen habe. Was ist schon besser? Ich verfluche mich gerade dafür, dass ich wieder nicht aufgepasst und stattdessen meinen Gedanken an Miss Lane nachgehangen habe. Wenn ich meine Note in Mathe halten will, sollte ich schleunigst etwas daran ändern. Ob ich den Unterricht bei Miss Blackwood nämlich nun langweilig finde oder nicht, interessiert im Endeffekt niemanden mehr.

>>Kommen Sie doch nach vorne und rechnen uns Ihren Lösungsweg vor<<,fordert sie mich auch noch auf.

Ich bin mir dessen Bewusst, dass Miss Blackwood genau weiß, dass ich weder die Aufgabe habe noch Ahnung wovon sie überhaupt redet. Sie will mich bloß stellen und ist gerade auch auf den besten Weg, dies zu erreichen.

Captured- Im Netz der Gefühleحيث تعيش القصص. اكتشف الآن