38. Kapitel

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Mein Magen dreht sich schmerzhaft um, als wäre ich gerade zig Runde Achterbahn gefahren. Mein Kopf schreit, ich solle mich in Bewegung setzten und irgendeine glaubhafte Ausrede finden, warum ich mich nach Schulschluss in einem abgesperrten Raum aufhalte, alleine mit meiner Lehrerin. Doch mein Körper scheint diese Rufe zu ignorieren, bleibt wie zu Salzsäure erstarrt stehen und bewegt kein Muskel. Der Schock in Isabells Augen glüht ab, und macht für panische Angst platzt. Das wars. Jetzt ist alles vorbei.

Geräuschvoll wird der Schlüssel im Schloss gedreht. Immer noch bin ich unfähig, mich zu bewegen. Doch Isabell scheint aus ihrer Schockstarre aufgewacht zu sein und stößt mich mit einem so gewaltigen Ruck von sich, dass ich gegen den Tisch hinter mir pralle. Doch bevor mir der kurz aufflammende Schmerz bewusst werden kann, wird die Tür auch schon geöffnet. Mein Herz pumpt mir mit voller Wucht gegen die Rippen und meine Wangen beginnen zu glühen, als niemand geringeres als Miss Clarke den Raum betritt. Die Direktorin. Klar, wenn, dann richtig!

>>Miss Lane?<<,erklingt auch sofort ihre überraschte Stimme, als ihr Blick auf den von Isabell trifft. Diese hat es scheinbar geschafft, in den letzten Sekunden ihre Bluse wieder richtig herzurichten, sowie kurz durch ihre zerzausten Haare zu fahren. Ihre von Angst und Schock ergriffene Miene hat für ein perfekt aufgesetztes Pokerface platz gemacht, sodass nun nicht mehr das wilde Biest vor mir steht, dass mir gerade am liebsten noch alle Kleider vom Leib gerissen hätte, sondern einzig und alleine meine Lehrerin, die nur so vor Professionalität glänzt.

>>Guten Tag Miss Clarke.<<

Auf den Lippen meiner Direktorin erscheint ein herzliches Lächeln, bis ihr Blick auf mich fällt. Die Irritation ist ihr sichtlich anzusehen, und es wäre wohl zum Vorteil, wenn ich jetzt irgendetwas sagen würde. Doch nicht einmal ein Hallo kommt über meine Lippen, was wohl daran liegen mag, dass sich mein Mund plötzlich so trocken wie die Wüste Gobi anzufühlen scheint. Also bringe ich nur ein kurzen Nicken und ein kleines Lächeln zu stande, das wohl mehr als aufgezwungen aussehen muss.

>>Gibt es irgendein
Problem?<<,erkundigt sich Miss Clarke, und dreht sich dabei wieder zu Isabell um.

Diese schüttelt ohne Umschweife mit dem Kopf. >>Nein. Ich hab Amelia nur ebend gezeigt, wo sich die Landkarten befinden. Die brauchen wir in den nächsten Stunden, und Amelia hat sich freundlicherweise dazu bereit erklärt, diese noch vor dem Unterricht zu holen<<rattert sie in einem Zug herunter, als hätte sie diese paar Sätze wochenlang einstudiert. Ich an ihrer Stelle hätte vermutlich angefangen vor mich hinzustottern, so lange, bis Miss Clarke eins und eins zusammen gezählt hätte, und hinter unsere Geheimnis gekommen wäre.

>>Oh, schön. Du scheinst sehr engagiert zu sein. Das freut mich<<,sagt die Direktorin an mich gewand.

>>Danke<<,bringe ich tatsächlich heraus. Miss Clarke scheint kein Verdacht zu schöpfen, was mich mehr als beruhigt.

>>Du kannst dann gehen Amelia<<,ertönt Isabells weiche Stimme, und der sorgenlose Ausdruck in ihren Augen lässt mich stumm wissen, dass sie ebenso wie ich, sichtlich erleichtert ist. Ich gehorche, und verschwinde nach einem kurzen Tschüs durch die Tür.

Während ich die leeren Gänge zu meinem Zimmer entlanggehe, wird mir wieder einmal bewusst, dass dieses Spiel hier verdammt gefährlich ist. Das Schicksal mischt die Karte, und in mir wächst die Angst, dass wir verlieren könnten. Dass ich sie eines Tages verlieren könnte.

                               ***

Die nächsten Wochen fühlen sich berauschend an. Ich hab das Gefühl auf einer dicken rosa-roten Wolke durch die Lüfte zu schweben, und nichts und niemand könne mir dort oben etwas anhaben. Ich glaube den ganzen Tag mit einem fetten Grinsen und mit Herzchen in den Augen durch die Gegend zu laufen. Nicht selten ernte ich für meine überdimensionale gute Laune amüsierte, oder gar verblüffte Blicke. Die Glückshormone durchströmen meinen Körper geradezu, und daran ist ganz alleine eine Person Schuld. Isabell. Sie lässt mich Dinge fühlen, die mir wohl auf ewig unbegreiflich sein werden. Mit ihr habe ich das Gefühl zu fliegen, auch wenn das mehr als kitschig klingt. Sie hüllt mich mit ihrer Liebe ein, gibt mir Schutz und Geborgenheit, und verleiht mir Flügel. Wir nutzen jede Möglichkeit, um einander nah sein zu können, und wenn auch es nur von kurzer Dauer ist. Dabei halten wir uns von dem Vorbereitungsraum aber strikt fern. Wir treffen uns sicherheitshalber nur noch bei ihr. Nicht selten lasse ich mir beim Einpacken etwas mehr Zeit, weil mich die Sehnsucht nach ihr mit einer ungeheuren Wucht überwältigt. Wenn ich vor ein paar Wochen noch geglaubt habe, dass die Nachhilfestunden mit Isabell eine klasse Gelegenheit wären, um heimlich ein paar sinnliche Stunden miteinander verbringen zu können, werde ich jetzt eines besseren belehrt. Diese Frau ist verdammt diszipliniert, hartnäckig und am aller schlimmsten scheint sie auf meine Berührungen, ja sogar auf meine Lippen völlig immun zu reagieren. Das musste ich schon in der erste Stunde bitter feststellen. So also büffel ich jetzt zweimal in der Woche Zahlen und Formeln mit Isabell, was mir sichtlich gut zu tun scheint. Die Noten in Mathe verbessern sich langsam und auch in den anderen Fächern scheine ich langsam meine altbekannte Konzentration zurück zu erlangen. Und doch nutzte ich meine Waffen des öfteren gekonnt aus, auch wenn es nach den Nachhilfestunden sein muss.

Captured- Im Netz der GefühleTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang