28. Kapitel

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Kleine, schneeweiße Wolken schweben am klaren Sommerhimmel. Das saftige grüne Gras fühlt sich federweich unter meinem Rücken an, eine milde Briese weht mir immer wieder ein paar Strähnen ins Gesicht. Doch diese stören mich nicht, denn meine Aufmerksamkeit ist auf etwas ganz anderes gerichtet. Lächelnd lege ich mich auf die Seite, stütze meinen Kopf auf meine flache Hand ab und genieße den Moment, Isabells süßlichen, einzigartigen Duft um mir zu haben. Ich kann meine Augen nicht von dieser Frau lassen. Ihre wundervollen, meerblauen Augen sind in den Himmel gerichtet, und mit Faszination im Blick erzählt sie mir, was die Wolken ihrer Meinung nach darstellen sollen. Nicht selten muss ich kichern, da man für so manches Bild doch schon recht viel Fantasie benötigt. Im warmen Sonnenlicht strahlt ihre Haut, das Blau in ihren Augen wirkt noch viel heller und intensiver. Meine freie Hand wandert zu ihrem makellosem Gesicht, das nur wenige Zentimeter von mir entfernt liegt. Ihre weiche Haut prickelt unter meinen Fingerspitzen, wie kleine Regentropfen an heißen Tagen.

>>Du bist wunderschön<<,flüstere ich.

Das Lächeln auf ihren zarten rosa Lippen lässt den Schwarm Schmetterlinge in meinem Magen wild flattern. Ich kann nicht anders, fahre mit meinen Fingern über ihre feuchte Unterlippe, ehe ich ihr dort einen kurzen, hauchzarten Kuss gebe. Ihr Atem, der sich angenehm warm auf meiner Haut anfühlt, stockt kurz nur um dann doppelt so schnell zu gehen. Zufrieden lächel ich. Doch Isabell weiß nur zu gut, wie sie mich völlig aus dem Konzept bringen kann, drückt ihre Hand in meinen Nacken und vereinigt unsere sehnsüchtigen Lippen erneut. Herausfordernd streicht sie mit ihrer Zunge über meine Unterlippe, beißt in sie hinein und küsst mich dann lange und leidenschaftlich. Meine Hand wandert unter den Stoff ihres dünnen Oberteils, streichelt über ihre Taille, und ich schwelge in dem Gefühl, ihre warme Haut zu berühren.
>>Ich liebe dich!<<

>>Amelia, aufwachen!<<

Mit einem Ruck reiße ich meine Augen auf und erhebe meinen Körper reflexartig. Der Regen, der wie wild gegen die Fensterscheiben​ schlägt, macht mir schonungslos klar, dass ich aus meiner schönen Traumwelt herausgerissen wurde. Und dabei hat es sich so echt angefühlt.

>>Mensch, dich aus deinem tiefen Schlaf zu hohlen ist ja echt eine Herausforderung<<,kichert Elli und entfernt sich von meiner Bettkante. >>Wenn du noch was vom Frühstück abbekommen willst, solltest du langsam mal aus den Federn kommen<<,trällert sie.

Mein Gehirn fühlt sich wie Matsch an, als ich meine Füße schließlich aus dem Bett schwinge.

>>Alles okay?<<,beäugt mich Sofia misstrauisch, >>Du siehst aus, als hättest du ziemlich intensive Träume gehabt.<<

Ich sehe sie nur an, unfähig ein Wort herauszubringen.

>>Ähm, klar. Alles bestens<<,bringe ich dann wenig überzeugt heraus.

Sofia und Elli nicken wissend. Das spitzbübische Lächeln auf ihren Lippen lässt erraten, was sie denken.

Eine viertel Stunde später, und nach einem Marathon im Bad, den ich in Rekordzeit zurückgelegt habe, sitze ich zusammen mit den anderen Mädchen am Frühstückstisch. Meine Gabel stochert nur halbherzig im Rühei herum, während ich mit einem Ohr den Mädels folge. Brooke und Sofia diskutieren über das Freundschaftsspiel am Samstag, die Aufstellung und Spieltaktik, was ich nur mit einem mulmigen Gefühl im Magen kommentieren kann. Wie soll ich bloß auf dem Spielfeld glänzen, wenn ich doch weiß, dass Isabell nur wenige Schritte von mir entfernt stehen wird? Diese emotionale Distanz, die sie seit dem Englischunterricht am Montag zu mir aufgebaut hat, nagt schwer an meiner Gefühlswelt. Mit einem Stich im Herzen erinnere ich mich an die Stunde vom gestrigen Tag zurück. Mit all meiner Willenskraft habe ich versucht meinen Blick kein einziges Mal von der Tischplatte abzuwenden, jedoch scheine ich nicht mal halb so stark zu sein, wie ich es immer dachte. Meine Augen klebten an ihr, als wäre sie der einzige Funken Licht in meiner kleinen Welt. Ich konnte einfach nicht anders. Und jedes Mal, wenn mich ihre blauen Augen auch nur für eine kurze Sekunde getroffen haben, konnte ich die tiefen Wunden sehen. So gut sie es auch zu verbergen versuchte. Es fühlte sich an, als würde sich eine Spitzenhacke in meine Magengegend bohren, tief und schmerzvoll. Und zu wissen, dass sie sich gegen ihre eigenen Gefühle wehrt, machte es noch qualvoller. Doch irgendwie gibt mir der Schmerz in ihren Augen auch Hoffnung. Hoffnung, auf eine Chance für unsere Liebe. Vielleicht kann sie sich eines Tages doch noch ihrem Herzen hingeben, auch wenn ich nicht weiß, wie ich die ungewissen, einsamen Stunden bis da hin aushalten soll.

Captured- Im Netz der GefühleTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon