Kapitel 20:

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 Ich sehe, wie Kili mich das letzte Mal anschaut, dem Mund hält er weit geöffnet und eine Träne kullert seine Wange herunter. In mir macht sich der Schmerz so breit, dass es sich anfühlt, als bekäme ich den Speer in den Bauch gerammt – als würde ich sterben. Ich halte den Mund so weit vor Schreck und Trauer geöffnet, dass sich der Schmerz in mir in Rache verwandelt und in mir sich so eine Wut ausbrodelt, wie noch nie zuvor. Und dann weine ich. Ich weine, wie noch nie zuvor. Ich senke meinen Blick und lasse meinen Schrei los, sodass er durch die ganze Festung hallt.

Als Bolg seinen leblosen Körper fallen lässt, starrt er triumphierend auf Kilis Körper, bis er zu mir schaut, als wäre ich sein Abendmahl. Er kommt langsam auf mich zu und ich versuche aufzustehen, als er seinen Speer wieder hebt, um mich zu töten. Aber da hat er nicht daran gedacht. Ich ziehe mich an ihn, als würde ich ihn umarmen und versuche ihn vom Rande der Festung in die steile Tiefe zu stürzen. Als er dies bei mir auch versucht, hält ich mich an ihm fest, sodass ich kurz herumgeschleudert werde und ich keinen anderen Ausweg finde, als mich an die Felswand abzudrücken und uns beiden in die Tiefe ziehe. Ich drehe mich im Fall, stoße mit dem Kopf gegen den harten Stein und spüre das Blut an meinem Kopf, das über meine Kopfhaut fließt. Niemand ist bei mir, um mir zu helfen. Niemand wird mir beistehen. Niemand. Diesmal ist es niemand und hier endet es. Hier wird es enden. Hier und jetzt. Entweder Bolg oder ich. So hat das Schicksal es hervor gesehen, dass ich in den Händen eines Orks sterbe, genauso wie meine Eltern davor. Es liegt wohl in der Familie.

Als ich auf dem Rücken lande, kann ich nicht anders tun, als meinen Schmerz heraus zu schreien. Ich lebe noch und das macht mir am meisten Angst. Ich höre laute stampfende Schritte, die hinter meinem Kopf immer näherkommen und es können nur die Schritte von Bolg sein. Ich bin mir sicher: das ist der Moment, an dem ich sterben werde. Aber plötzlich hält etwas Bolg davon ab, mich zu töten, als ich es mit meinen eigenen Augen erblicke. Ein kleiner Turm fällt auf die andere Seite um, sodass er eine Brücke unterhalb einer Schlucht bildet. Als ich die Ursache des Falles suche, erblicke ich einen Troll, der gegen den Turm gestoßen ist. Und ich erblicke Legolas, welcher auf dieser gerade gebauten Brücke läuft und Bolg ihm gegenüber steht. Er hat bestimmt gesehen, dass ich in Not bin. Aber ich kann hier nicht tatenlos liegen und zusehen, wie er um mein Leben kämpft. Es sieht in meinen Augen so aus, als würde es Legolas länger mit Bolg aushalten, als ich. Ich renne und klette den steilen Hügel wieder hoch und schnappe nach Luft. Als ich oben am Rande wieder angekommen bin und mich zu Boden werfe, liege ich dort für einige Minuten und weine wieder drauf los. Es dauert lange, bis ich wieder meine ganzen Kräfte beisammen habe, um aufzustehen. Im Hintergrund höre ich plötzlich, dass der Turm auseinanderbricht und herunterfällt. Ich schlendere an Kilis Leiche vorbei die Treppen hoch, um nach Legolas zu sehen, der erfolgreich Bolg getötet hat. Auf dem gefrorenen Fluss erblicke ich Thorin Eichenschild, der gegen Arzog, dem Schänder, kämpft. Vor der Festung bei dem Fluss erblicke ich Filis Leiche, die von einer großen Blutlache umrundet wird. Er ist also auch tot. Ich falle auf die Knie und sehe mir das ganze Gemetzel an. Hinten am Horizont erblicke ich immer noch das Schlachtfeld vor dem Erebor, wo die Menschen, Elben und Zwerge sich zusammengetan haben und für Mittelerde kämpfen. Ich verdamme diese Orks für die Ewigkeit in die Hölle zu leben und nach ihrem Tod keinen Frieden zu finden.

Plötzlich höre ich den Ton eines Horns, das zu den der Orks gehört. Ich zwinge mich auf meine Beine und stolpere zurück zu Kilis Leiche, zu der ich mich hinknie und erneut drauf los weine, wie ein kleines Elbenkind. Ich schließe ihn in meine Arme, lehne seinen Kopf an mich und beschaue mir sein Gesicht an. Wie lange habe ich auf diesen Moment gewartet, wo ich mit Kili, in den ich so bedingungslos und unwiderruflich verliebt war, alleine sein kann. Jetzt da ich das bin, ist er tot. Auf seiner Brust höre ich keinen Herzschlag mehr und Kälte dringt von seiner Wunde durch seinen gesamten Körper. Ich halte den Stein in der Hand, den mir Kili geschenkt hat und ich habe sein Versprechen gebrochen, dass ich zu ihm zurückkehre. Ich habe ihn nicht mit Stolz erfüllt, wie er es von mir erwartet hat. Ich habe ihn enttäuscht. Und ich kann ihm niemals sagen, wie er mir das Gefühl gegeben hat, mich wohl zu fühlen.

Talia: Die Schlacht der fünf HeereWo Geschichten leben. Entdecke jetzt