Kapitel 7

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P.O.V. Kathi

„Irgendwas hab ich bestimmt vergessen...", murmelte ich nachdenklich vor mich her. Auch wenn ich alle Schubladen und Schränke jetzt schon mindestens drei Mal durchgeschaut hatte war ich mir nicht sicher, ob ich an alles gedacht hatte. Ja, wir waren nur für eine Nacht unterwegs, trotzdem wollte ich es wirklich nicht riskieren ohne etwas wichtigem da zu stehen, jetzt, wo der heutige Abend so gut wie möglich ablaufen musste.

Seufzend schloss ich dann doch meinen kleinen Koffer, stellte mich noch einmal vor den Spiegel im Flur und frischte meinen Lippenstift auf. Meine Hände zitterten vor Aufregung, sodass ich mir die Hälfte auf die Wange schmierte. „Na ganz toll.", fluchte ich leise, suchte dann schnell nach Abschminktüchern. Viel Zeit hatte ich nicht mehr, da würde ich auch schon abgeholt und zu Leroy gebracht werden. Und dann ging es darum unseren ersten öffentlichen Auftritt hinzulegen, als ‚Paar'. Da war es nicht verwunderlich, dass ich einen Puls von gefühlt 200 hatte.

Es war früh morgens und Manchester City würde mit dem Flugzeug zum Auswärtsspiel fliegen, um Zeit zu sparen. Nachdem es nachmittags eine Trainingseinheit gibt, wo ich mich noch im Hintergrund halten muss, veranstaltet das Team abends einen Mannschaftsabend mit hochwertigem Essen. Und genau dann sollte ich den Medien vorgestellt werden. Alleine beim Gedanken darum wurde mir unglaublich übel. Ursprünglich sollte ich Leroy ja erst zu den Länderspielen begleiten, doch es hatte sich herausgestellt, dass wir das Ganze doch früher abschließen mussten, um die Medien zu beruhigen.

Es klingelte. Nervös schluckte ich den Kloß in meinem Hals herunter und öffnete die Tür, wo Leroys Vater und Berater mich grinsend begrüßte. „Ich bin sofort fertig.", teilte ich ihm mit, schnappte mir schnell Cardigan und Handtasche, während Souleyman meinen Koffer schon genommen und ins Auto gepackt hatte. „Kommen Sie schnell, hier ist gerade keiner." Er winkte mich zum Auto, und mit einem schnellen Blick zu beiden Seiten schloss ich die Tür hinter mir ab und huschte zu den hinteren Sitzen.

Auch wenn das Radio während der Fahrt zu Leroy lief, wirklich ablenken tat mich das nicht. Ich hatte einfach zu viel Angst, dass unser Plan auffliegen würde und herauskommt, dass Leroy mich eingestellt hat, um seine Freundin zu spielen. Letzte Nacht hatte ich quasi gar nicht geschlafen, irgendwie hatte ich zusätzlich Gewissensbisse, dass ich auch meine Freunde und Verwandten anlügen würde. Denn was war, wenn sie Leroy kennenlernen wollten? Dann mussten wir selbst vor ihnen ein Paar spielen.

Der Gedanke, dass Leroy Sané meinen Freund spielen würde, war nach wie vor absurd. Klar, er war auch nur ein Mensch aber eben einer, der sehr im Fokus stand. Und auch wenn ich ihn als normalen Jungen sah gingen wir beide noch ziemlich unbeholfen miteinander um. Er schien sich auch noch nicht 100%ig mit der Tatsache angefreundet zu haben, dass er mich als seine Freundin ‚ausnutzt', außerdem wussten wir beide nie, wie weit wir gehen sollten. Beim letzten Treffen hatten wir uns noch nicht einmal umarmt, wie sollte es also realistisch wirken, wenn wir Händchen hielten oder Ähnliche Gesten zeigten?

Je näher wir uns Leroys Wohnung näherten, umso mehr stieg meine Aufregung. Die Sonne ging gerade erst auf, trotzdem waren schon viele auf dem Weg zu ihren Arbeitsplätzen und die Straßen waren dementsprechend voll. Seufzend lehnte ich meinen Kopf an die Fensterscheibe und sah ausdruckslos aus dem Fenster. Da Souleyman und ich kaum ein Wort gewechselt hatten, lag etwas Komisches in der Luft, was meine Laune nicht gerade verbesserte. Nach weiteren zehn Minuten hielten wir schließlich vor dem richtigen Gebäude, mein Herz machte einen Sprung, als mich die Erkenntnis traf, dass es jetzt richtig losgehen würde.

„Du schaffst das.", flüsterte ich mir zu, atmete die Luft langsam ein und schloss für einen Moment die Augen, während der Vater meines Fake-Freundes schaute, ob die Luft rein war und ich ins Gebäude flitzen konnte. Er winkte mich zu sich, weswegen ich mich beeilte, um aus dem Auto und rein in das Haus zu kommen. Meine Haare wehten im Wind, außerdem schlug meine Tasche immer wieder gegen meinen Oberschenkel.

Wie es aussah, hatte Leroy uns schon bemerkt, denn auf einmal stand er direkt vor mir und lächelte mich gezwungen an. Ich zuckte kurz, erwiderte dann auch ein kurzes „Morgen." Und packte ein richtiges Lächeln obendrauf, was so viel ausdrücken sollte wie ‚Das wird schon. Wir bekommen das hin'. Ohne etwas zu sagen, drängte er sich an mir vorbei und nahm seinem Vater meinen Koffer ab. „Oh." Schuldig schlug ich mir mit der flachen Hand gegen die Stirn, weil ich gar nicht mehr an den Koffer gedacht hatte, machte danach Anstalten Leroy meine Sachen abzunehmen.

„Ich mach das schon. Geh ruhig hoch.", meinte er zu meinem Verwundern, dankte ihm dann und zögerte kurz, bevor ich seinem Vorschlag nachging. Oben in seiner Wohnung stellte ich mich unsicher neben das Sideboard, fummelte unruhig an meinem Ärmel herum. Leroy und sein Vater folgten einen Augenblick später. „So, haben wir alles geklärt? Dann mach ich mich nämlich wieder auf den Weg.", kam es dann von Souleyman, den ich nur irritiert ansehen konnte. Dem Wuschelkopf fiel mein Blick auf, das Zucken seiner Mundwinkel verriet mir allerdings nicht viel. Auf das Bejahen seines Sohnes meinte der Mann im Anzug nur noch, dass wir uns nicht so viele Gedanken machen sollten und dass schon alles klappen würde, dann verabschiedete er sich von uns. Wieder traf mein Blick den des Fußballprofis.

„Vater war der Meinung, dass wir alleine mit meinem Wagen fahren sollten, damit es realistischer wirkt. Hoffe das ist okay für dich." Das verhaltene und gezwungene in seiner Stimme sprach mir nicht gerade Mut zu, auf einmal fühlte ich mich echt unwohl. Das schien er zu merken, kratzte sich überfordert im Nacken und sah mich dann wieder an. „Bist du nervös?", fragte er mich ziemlich direkt, mir wurde schlagartig mehr als warm. „Ein bisschen?" Ungeschickte lachte ich, schaute dann peinlich berührt auf meine Schuhe.

„Hey, ist doch nicht schlimm. Mir geht's genauso." Er zuckte mit den Schultern, als ich meinen Blick wieder hob, daraufhin nickte ich einfach, denn was anderes konnte ich gerade wirklich nicht hervorbringen. „Lass uns einfach losfahren und spontan mit allem umgehen. Wir wissen ja in etwa, wie wir uns verhalten müssen und der Rest kommt von alleine." Auch wenn das wahrscheinlich stimmte, beruhigen tat mich das nicht. Er bedeutete mir kurz stehen zu bleiben, nahm sich dann beide Koffer und packte sie in sein Auto, währenddessen stand ich verloren auf der Türschwelle und starrte Löcher in die Wand.

Als Leroy wieder in meinem Blickfeld erschien, lächelte er mich ehrlich an, schnappte sich dann seine Jacke, sein Handy und die Schlüssel. Wortlos schloss er die Tür hinter sich, nachdem er das Licht ausgemacht hatte. Da ich immer noch nervös vor der Treppe stand, streckte er einfach seine Hand aus und nahm meine Hand in seine warme. Überrascht sah ich erst auf unsere Hände, dann direkt in seine Augen. Grinsend stupste er mich an, nahm mich dann mit zu seinem Wagen. Und ab da begann meine neue Aufgabe erst so wirklich.

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