Colin Teil 34

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Mein Herz raste. Es schlug gegen meinen Brustkorb als wollte es ausbrechen. Seit sieben Minuten fuhr ich nun schon durch die Straßen der Bonzengegend, wo sich riesige Villen gegenseitig Konkurrenz machten. Breite Einfahrten, die einen eigenen Straßennamen verdient hätten, alte Fassaden mit stämmigen Arkaden und schmalen Sprossenfenstern hinter denen helles Licht brannte.

Wie sollte ich sie finden? Mit jeder verstreichenden Sekunde wurde mir schlechter.

Die schwachen Scheinwerfer meines Pickups erleuchteten kurz ein überflüssiges Verkehrsschild, das auf eine Sackgasse hinwies, dessen Ende nicht weit war. Von dem letzten Haus sah ich nur den kantigen Umriss, weil eine der Straßenlaternen ausgefallen war. Irgendwo im Erdgeschoss brannte Licht und warf einen hellen Streifen auf den frisch gemähten Rasen.

Ich wollte gerade schwungvoll umdrehen, als die kaputte Straßenlaterne kurz aufflackerte, als hätte sie soeben entschieden mir zu helfen, und ein schwarzes Auto zum Vorschein brachte. Es parkte vor der zweiteiligen Garage und war Nathaniels.

Mit hoher Geschwindigkeit hielt ich auf die dunkle Villa zu, bremste hart, brachte mein Auto ruckartig hinter dem Sportwagen zum Stehen und sprang gehetzt hinaus. Die Luft war jetzt kühl und gefüllt mit dem Geruch von morschem Holz und feuchtem Laub. Es war so totenstill, dass ich für einen Moment unbewegt horchte. Was, wenn ich schon zu spät war? Wenn er Daphne bereits die Halsschlagader aufgerissen hatte und sie jetzt kalt und steif hinten im Garten zwischen den Büschen lag, wo der Geruch von Blut die Käfer aus ihren Verstecken lockte?

Nein, es durfte noch nicht zu spät sein.

Ich rannte über den Rasen, der unter meinen Sohlen nachgab als würde Luft entweichen und eilte den Weg zum Eingang hinauf. Über der hohen Türe aus edlem Holz erleuchtete einladend eine kleine, laternenartige Deckenlampe. Das Licht brannte in meinen Augen. Mein Blick fiel auf den erhellten Rasenstreifen, den ich schon aus der Ferne gesehen hatte. Vielleicht war sie in diesem Zimmer.

Ohne zu zögern hastete ich an der Hauswand entlang, bis ich die Lichtquelle erreichte. Es war ein alter Wintergarten aus schmutzigen, dünnen Glasscheiben. Er wirkte, als wäre er vor ein paar Jahrzehnten mal richtig romantisch gewesen. Jetzt wurde er nichtmal mehr ordentlich genutzt.

Mit klopfendem Herzen und schwitzenden Händen spähte ich durch den Schmutzfilm in das erleuchtete Innere. Der Wintergarten war fast leer, nur ein einzelner, abgenutzter Gartenstuhl stand in einer Ecke. Es gab keine Wand, die den Wintergarten vom Haus trennte. Der Blick in das große Wohnzimmer war frei und ermöglichte sogar beschränkte Einsicht in weitere Zimmer.

Auf einem ausladenden Sofa machte sich meine kleine Schwester gierig über ihren Freund her, die Finger fest in seine nackte Brust gegraben und die Lippen heißhungrig in einem wilden Spiel mit seinen. Gleichzeitig mit der Erleichterung schoss mir das Blut in den Kopf. Es war mir unangenehm sie bei etwas zu sehen, das nicht für meine Augen bestimmt war und gleichzeitig faszinierte es mich, wie erwachsen sie geworden war. Vielleicht erwachsener als ich, dachte ich unwillkürlich.

Ihre Unversehrtheit ließ mir einen Stein vom Herzen fallen. Die Panik zog sich zurück und gab mir meinen Verstand wieder.

Vorsichtig lugte ich erneut hinein und diesmal scannte ich das Zimmer ab und versuchte dabei zu ignorieren, wie jetzt Daphnes Shirt auf den Boden klatschte.

Während mein Blick durch den Raum flitze, als betrachtete ich eine komplexe Fotographie, nahm ich unterbewusst die dezent stilvolle Einrichtung war, die sehr teuer wirkte.

Plötzlich erfasste ich eine kaum merkliche Bewegung, teilweise verdeckt durch die Tür zum Eingangsbereich.

Nathaniel.

Er stand im Rahmen, beinahe unbewegt, das Gesicht zum Sofa gedreht. Selbst auf die Entfernung konnte ich in seiner Mimik lesen. Es trieb meinen Puls erneut in die Höhe, wie ein vibrierender Zug, der beschleunigt in eine Kurve fährt und jeden Moment zu entgleisen droht.

Seine Augen fixierten die nackte Kehle meiner Schwester, der Blick so scharf, dass ich glaubte, er könnte allein damit ihre Venen aufschlitzen. Seine Nasenflügel zitterten, witterten den Geruch von warmen Blut unter dünner Haut und erweckten das Monster in ihm, das er war. Ein Captor. Diese dunkle, magische Seite würde ihn im nächsten Augenblick in einen Blutrausch stürzen, dann würde es nur noch Sekunden dauern, bis er sich auf Daphne stürzen, sie mit Leichtigkeit von seinem Bruder herunterziehen und seine Finger so selbstverständlich in ihr Fleisch bohren würde, wie eine Schaufel in feinen Sand. 


Die Katastrophe nimmt ihren Lauf! Stay twinned!

Obwohl wir Freunde wurden (Colin)Where stories live. Discover now