Kapitel 12

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Die tänzelnden Sonnenstrahlen brachen nur schwer durch das Blattwerk und zauberten kleine Punkte auf das Gras. Jane spürte wie die trockene Hitze des Sommers den Anfang der Sommerferien ankündigte. Konzentriert starrte sie auf den Eingang von Florence Schule und klammerte sich noch fester an die Arme ihres Vaters.

Jeden Moment würde die schrille Klingel ertönen und ihre Schwester würde, begleitet von anderen Schülern, herausgestürmt kommen. Ihr Vater Robert war Arzt und wusste genau so gut wie Jane, dass sie die nächsten zwei Monate nicht alleine Zuhause sein würde, während er in New York wegen eines Seminars sein würde. Jane hasste es, wenn er sie alleine ließ. Besonders jetzt, wo ihre Mutter verstorben war. Keine zwei Minuten später rannte Florence die Stufen hinunter. In der rechten Hand das blütenweiße Zeugnis, das, wie Jane jetzt schon wusste, wieder einmal das beste der Klasse war.

Mit roten Wangen errichte Florence ihren Vater. Robert fuhr ihr lobend durchs Haar »Wie immer?«, fragte er lächelnd. Florence nickte »Jetzt bin ich für die neue Schule bereit, Dad«. Ein trauriger Schatten huschte über sein Gesicht »Deine Mutter wäre stolz auf dich, Florence«, erklärte er und ließ Jane zu Boden. Florence reichte ihr das Zeugnis »Nächstes Jahr wist du eingeschult...«, ein schelmisches Grinsen umspielte ihre Lippen »Enttäusch mich nicht, Jane«.

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Die Fenster der kleinen Dachgeschosswohnung waren allesamt weit geöffnet, so dass der leise Lärm Londons bis in Janes und Florence Kinderzimmer vordrang. Nachdenklich starrte Florence auf ihre Knie, ehe sie seufzend sie den Rock der Schuluniform ein Stück nach oben zog. Jane beobachtete dies halbherzig von ihrem Bett aus und kämmte dabei ihre Puppe. Auf den Oberschenkeln ihrer Schwester zeichneten sich aufgeschürfte Wunden von der blassen Haut ab.

Erschrocken fuhr Jane in die Höhe, wobei ihre Puppe samt Kamm von ihrem Schoss rutschte »Was ist passiert, Florence?«, wollte sie wissen und kam zu ihr hinüber geeilt. »Ein Junge aus meiner Klasse«, erklärte sie und strich ihre offenen Haare nach hinten. Die Blutergüsse auf ihrem Hals wurden nun sichtbar. Jane wollte nach einer der Wunden fassen, aber Florence hielt ihre Hand fest »Mach dir keine Sorgen um mich, Jane«, versicherte ihre Schwester lächelnd »Der kleine Kampf in der Pause war ein Kinderspiel«.

Sie tippte aufmunternd auf Janes Nase »Dieser Adam wird mir nicht mehr weh tun, glaub mir«. Sie zog Jane an sich heran und flüsterte leise »Du musst mir versprechen, dass du nicht zulässt, das dich einer eines Tages verletzt. Du bist genau so stark wie ich, Jane« »Aber du bist älter«, Florence lachte »Vielleicht, aber das hat nichts damit zu tun. Und jetzt versprich es«, Jane nickte »Ich verspreche es«.

The Crimson PrinceWhere stories live. Discover now