Kapitel 13

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Sophia

Das Lagerfeuer knisterte und ich folgte einzelnen, winzigen Funken die in den Himmel stiegen und langsam verglimmten. Ich hielt einen Ast ins Feuer, auf den ich -da ich mir nicht besser zu helfen wusste- einfach eine Karotte und etwas anderes Gemüse und ein paar Stücke Fleisch gesteckt hatte. Um uns herum war es inzwischen schon komplett dunkel, man hörte Eulen rufen, Äste knacken und die Blätter der Bäume im ab und zu aufkommenden Wind rauschen, ebenso den Wasserfall.
Ich saß links neben Dallas, der gerade versuchte mit einem klebrigen Marshmallow fertig zu werden, sich dabei unglaublich über amerikanische Essgewohnheiten beschwerend, und Callen, der noch ein Bild mit seinem Handy machte, bevor er es wegpackte und die Gitarre von Gramps hervorholte, sie stimmte und anschließend ein Lied anstimmte.

Mein Bruder konnte singen wie... er war wie... der Steven Hawking des Singens - nur dass er eben nicht am ganzen Körper gelähmt war. Ihr wisst was ich meine. Ich dagegen war wie eine verreckende Gans wenn ich sang. Verträumt kaute ich mein Essen vor mich hin, hörte meinem Bruder beim Singen zu und beobachtete die kleinen Glühwürmchen, die vereinzelt durch die Gegend schwirrten. »Wow«, meinte Dallas anerkennend, nachdem Cal geendet hatte und die Gitarre neben sich gegen den Baumstamm lehnte. »Beyonce ist 'n Scheiß gegen dich.«

Verlegen grinste Cal und steckte sich ein Marshmallow in den Mund. »Danke Mann. Einer der Gründe wieso ich Musik studiere.«

»Klingt als wäre es so was wie deine ewig währende Leidenschaft«, meinte Dallas scherzend und brachte mich dazu, dümmlich zu schmunzeln, denn so falsch lag er nicht. Ein leises Gähnen entwich mir, woraufhin ich erstmals merkte, dass ich müde war. »Kann ich...?«, riss ich eine unvollendete Frage an und legte schließlich lächelnd meinen Kopf auf Dallas Schulter, als dieser mir gedeutet hatte, dass er es mir erlaubte. Daraufhin kratzte sich mein Bruder lachend am Hinterkopf. »Kann man so sagen - ich will später unbedingt mal was mit Musik machen, Manager von meinem eigenen Label oder so... und du? Wieso studierst du... was noch mal?«

War es moralisch verwerflich, dass ich es auch vergessen hatte? Aber ich war mir todsicher dass es etwas mit Wirtschaft und Recht war...

Dallas spannte sich etwas an. »Wirtschaftswissenschaften«, und ich lag falsch, »na ja, mein Dad hat 'ne riesen Firma die ich mal übernehmen soll... eigentlich ist mein Studium überhaupt nicht nötig.«

Auf einmal beunruhigte mich etwas. Der Gedanke, dass ich mehr mit Dallas gemeinsam hatte als ich anfangs dachte und wollte, schlich sich durch meinen Kopf. Von ihm wurde etwas Großes erwartet; die Firma seines Vater's weiterzuführen - und von mir wurde verlangt, dass ich mich um die Farm und alles damit Verbundene kümmerte. Und -mal ganz ehrlich- man hörte, dass Dallas nicht sehr von der Idee angetan war, das zu tun was man von ihm erwartete.

***

Ein Knacken. Ein Grummeln. Schwere Schritte. Ich wachte abrupt auf, bewegte mich aber kein Stück, sondern blieb still und ruhig neben meinem Bruder liegen, der noch seelenruhig vor sich hindöste, als wäre er ein großes, vierundzwanzig jähriges Baby. Die Schritte wurden lauter, ich hörte ein leises aber permanentes Schnaufen - etwas lief am Zelt entlang und auf's Lagerfeuer zu, welches schon längst gelöscht war. Panik überkam mich, als ich an der Schulter meines Bruders rüttelte, obwohl ich wusste, dass es nichts bringen würde. Denn wenn es dunkel war -was es momentan war- schlief Callen McClair. Und er wachte auch nicht vor um neun auf. Niemals. Selbst eine Vuvuzela neben seinem Ohr würde ihn nur dazu bringen, sich auf die andere Seite zu drehen. »Callen!«, zischte ich und bereute es sofort.

Mein Handy, welches neben mir lag, vibrierte. Darauf bedacht kein Geräusch zu machen, entsperrte ich es und sah mir die Nachricht an, welche mir mitten in der Nacht geschickt wurde. Es war ein einziger Smiley:

🐻

Langsam drehte ich mich zu Dallas, der zu mir herüber sah -sein Handy in seinen Händen- und nickte. Jetzt wurde ich erst recht panisch. Ein Bär? Hier? Aber die waren doch oberhalb des-

Verdammt. Wie waren oberhalb des Trinity River. Dort wo verdammt nochmal Schwarzbären lebten. Schwarzbären, die jetzt die letzten Snacks vor dem Winterschlaf suchten. Und wir würden ein drei Gänge Menu mit Beilagen abgeben.

Ich hatte in meiner Schreckensvorstellung gar nicht gemerkt, dass Dallas auf einmal neben mir lag. Dementsprechend erschreckte ich mich auch und zwar mit einem kurzen Schrei, woraufhin Dallas mir sofort eine Hand auf die Schulter legte. »Hey, hey ich bin's nur, sei gefälligst leise oder-«

Oberhalb von uns hörten wir, wie etwas die Plane des Zeltes striff. Der Bär musste seine Nase dagegen drücken, da er uns gehört hatte. Ich reagierte schneller als Dallas, legte mich stocksteif neben ihn und flüsterte ihm zu: »Stell dich tot.«

Er tat was ich sagte. Ich spürte dass er Angst hatte, genau wie ich. Wer hätte nicht Angst, wenn ein wildes Tier -an die zwei Meter groß und sehr viel schwerer, schneller und definiti hungriger als man selbst- nur wenige Zentimeter von einem entfernt wäre, das einzige Hinderniss eine dünne Plane dazwischen. Mein Herz hämmerte gegen meinen Brustkorb, sodass ich meinen eigenen Herzschlag hörte und an meiner Hand spürte, dass es auch Dallas nicht kalt ließ und er... etwas beunruhigt zu sein schien, da seine Hand leicht zitterte.

Das Kratzen an der Plane ließ schon einige Minuten später nach, der Bär tapste noch etwas in unserem kleinen Camp herum, bevor wir hörten, wie er sich grummelnd -da er anscheinend nichts zum Essen gefunden hatte- ins Unterholz verzog. Er war weg.

»Ist er weg?«, flüsterte Dallas und ich hatte das Gefühl, dass er am Liebsten den Atem anhalten würde. Ich nickte schnell, atmete tief durch und fuhr mir beiden Händen über mein Gesicht. »Ja, ist er.«

»Aber sicher sind wir nicht, oder?«

Ich schüttelte meinen Kopf und merkte, wie ich zitterte. Was wäre wohl passiert, wenn es anders gelaufen wäre? Was wenn alles nicht so glimpflich ausgegangen wäre? »Ich will hier weg«, piepste ich und wünschte mir nichts sehnlicher, als nach Hause in mein warmes Bett zu kriechen und in Sicherheit einzuschlafen und aufzuwachen.

»Soph, hey«, hörte ich Dallas da auf einmal sanft sagen. »Wir können hier jetzt nicht weg. Aber dein Bruder ist da, ich bin da - alles gut. Der Bär ist weg, der kommt so schnell nicht wieder.«

Ich atmete tief ein und aus, um zu verhindern, dass ich noch ausflippte. Aber er hatte recht; die Pferde waren hundert pro weggelaufen, als sie den Bär bemerkt hatten. Cal war eine weniger große Hilfe, damit es mir besser ging, aber Dallas war hier. Wach und in der Lage dazu, mich zu beruhigen. Er sagte, er würde hier sein wenn ich aufwache, genau wie Cal, er würde so lange warten bis ich eingeschlafen war, würde bei mir bleiben und da sein wenn ich aufwachen würde. Er meinte, er wäre das Cal schuldig und ebenso mir, da ich ihm anscheinend irgendwie das Leben gerettet hatte, was ich ehrlicherweise etwas übertrieben fand, aber je länger ich darüber nachdachte, desto mehr driftete ich ich, an Cal und ein Kissen gekuschelt, in den Schlaf ab.

Und Dallas hielt sein Versprechen. Er war da als ich am nächsten morgen aufwachte und ihn ruhig schlafend neben Callen vorfand, seine blonden Haare leicht lockig wie bei einem kleinen Kind. Ich lächelte. Er hatte mich nicht allein gelassen. Also würde ich ihn auch nicht allein lassen - das beschloss die neue, mutige Sophia, die die alte, ängstlich und schüchterne Sophia zur Seite schob.

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Wie war das mit Bären gibt's da nicht? Ja, ja... Shit happens 'ne?

Aber kennt ihr auch diese Menschen, die immer vollzeit Dornröschen spielen?

Und was haltet ihr davon, dass Dallas sein Versprechen gegenüber Soph gehalten hat? In die Kommis damit :D
Und natürlich bis dahin, Tschau mit V,
~May&Bae

Dallas - Just one Year Where stories live. Discover now