Erstes Training

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~Gwen~

Die letzten Wochen habe ich mich erfolgreich davor gedrückt, Bekanntschaft mit Alex zu machen.

Irgendwie war es doch noch schlimmer als ich dachte, das "Angebot" anzunehmen.

Ich werde Alex nah kommen. Sehr nah. Wie im Paarlauf üblich. Und ich will gar nicht wissen, wie das ausgeht.

Leider bin ich dazu verdammt genau das zu tun. Und zwar jetzt gleich.

Ich verlangsame meine Schritte, je näher ich der Eishalle komme.
Auch wenn ich im Schneckentempo laufe; ankommen werd ich trotzdem irgendwann.

Dieses irgendwann ist natürlich schneller da als mir lieb ist und so stehe ich im Eingangsbereich.

Ich sehe den Jungen zu, wie sie ihre Schlittschuhe einpacken oder zurückgeben und sich langsam auf den Weg machen. Wie gern würde ich das auch tun!

Zu meinem Unglück hat mich meine liebste Anne aber schon entdeckt und winkt mich zu sich. Neben ihr sehe ich Alex, schon auf Schlittschuhen.

Er hat eine schwarze Sportleggins und ein schwarzes Shirt an. Alles Ton in Ton mit seinen Haaren. Diese sind allerdings nicht, wie erwartet, kurz, sondern schulterlang und leicht gewellt.

Als ich bei den beiden ankomme, werde ich zuerst von einem Wortwasserfall begrüßt, der unermüdlich aus Annes Mund schießt.

Ich hab gerade nicht den Nerv mich darauf zu konzentrieren, weswegen ich einfach kurz lächle und ihr bedeute, dass ich mich umziehen gehe.

Ohne innezuhalten redet sie weiter  auf Alex ein, nickt und winkt mich weg.
Dieser wirft mir einen gequälten Blick zu. Wahrscheinlich kann auch er das ganze Gerede nicht ab.

So langsam ich kann, ohne aufzufallen, ziehe ich mich um.
Auch wenn Alex mir im Moment etwas leid tut, bin ich immernoch nicht gewillt, dieses Training zu machen. Warum ich mich allerdings so dagegen sträube, ist mir selbst nicht ganz klar.

Wie das Laufen, so endet auch das Umziehen schneller als gedacht und ich ergebe mich in mein Schicksal.

Alex hatte offensichtlich die brillante Idee sich auf das Eis zu retten, um Annes Wortschwall zu entkommen.
Die steht inzwischen nur noch am Rand und schaut ihm beim warmlaufen zu.

Dann bemerkt sie mich und winkt mich heran.

„Ich hab schon lang und breit Alex erklärt, was ihr heute machen sollt und muss noch einige Sachen für die kommende Saison arrangieren. Das fällt leider öfter in eure Trainingszeit. Aber ich traue euch zu, auch mal alleine zurecht zu kommen. Ich bin im Büro, wenn irgendwas ist. Viel Glück!“

Und damit schmeißt sie mich in's kalte Wasser und lässt mich tropfend und ohne Handtuch stehen.

Nicht nur dass ich gerade das erste Mal mit Alex zu tun habe, nein. Auch noch das erste Training ohne Trainerin oder mentale Unterstützung durchstehen zu müssen, ist ein weiterer Stressfaktor.

Etwas steif betrete ich die spiegelnde Eisfläche.

Hey Gwenni. Das schaffst du schon. Was ist denn dabei? Nur ein netter Junge und ein bisschen Training. Kein Grund zur Sorge. versucht Clara mich zu beruhigen. Klappt aber nicht.

Bevor er auch nur die Chance hat, mit mir zu reden, fange ich an mich warmzulaufen. Da Alex schon damit fertig ist, lehnt er sich lässig an die Bande.

Ich kann förmlich seine Blicke auf mir spüren. Sie folgen mir über die Fläche und erkennen die Laufelemente die ich benutze, meinen Laufrhythmus, meine Ausdrucksweise, einfach alles.

Ich hatte ja keine Zeit ihn zu analysieren, aber das war meine eigene Schuld. Innerlich verfluche ich mich dafür. Wie kann man nur so dumm sein?!

Fast hätte ich mir meine Hand gegen die Stirn geklatscht, aber rechtzeitig werde ich von Ella davon abgehalten.

Das wär's gewesen. Eine neue Partnerin, die sich beim ersten Warmlaufen, scheinbar ohne Grund, auf die Stirn schlägt. Oh Gott!

Mit noch mehr Nervosität als vorher, laufe ich mit ein paar Schwüngen zu ihm.

„Was sollen wir jetzt machen?“, frage ich, da Anne mir ja nichts erzählt hat.
Meine Stimme spiegelt dabei keine meiner Emotionen wieder. Einfach eine sachliche Frage.

Trotzdem grinst Alex. Was hab ich jetzt schon wieder gemacht?

Plötzlich und ohne Vorwarnung stößt er sich von der Bande ab, packt meine Hand und reißt mich mit. Vor Überraschung quietsche ich und er fängt an richtig zu lachen.

Irgendwie schaffe ich es das Gleichgewicht zu halten und werde von ihm über das Eis gezogen. Weil mir das aber unpassend erscheint, fange ich auch an zu laufen und passe mich seinen Schritten an.

Gemeinsam laufen wir kreuz und quer über die Fläche. Irgendwann schaut er zu mir und macht das erste Mal den Mund auf.

„Die Aufgabe war, unseren Schrittrythmus zu finden. Ich glaube das hat geklappt.“
„Das erklärt aber nicht deine gute Laune, oder?“ Ich ziehe fragend eine Augenbraue hoch.

„Neeiinn“, sagt er gedehnt und seine Augen blitzen dabei amüsiert auf.
Ich schüttle nur den Kopf und muss auch so langsam grinsen. Gute Laune scheint ansteckend zu sein.

Na endlich!

Richtig so!

Hm... 

Jetzt sei nicht so verkniffen Ella. Wenn sie Spaß hat kann's doch nur gut sein.

Bin ja schon still. 

Ich ignoriere die drei und fahre im Einklang mit Alex wieder am den Rand.

„Was jetzt?“, frage ich ihn.
„Jetzt“, fängt er an, „suchen wir uns einen Sprung aus, den wir beide sicher stehen können. Ich würde sagen doppelter Lutz erstmal, oder?“

Ich stimme zu. Der doppelte Lutz ist eigentlich sehr einfach und definitiv unter meinem Niveau, aber nur zu Übungszwecken ist er perfekt, eben weil er so einfach ist.

„Wir sollen den Sprung nebeneinander synchron springen, bis wir es schaffen.“, fügt er hinzu.
„Kann ja nicht so schwer sein.“

Mit dieser Aussage soll ich aber nicht Recht behalten. Mal ist unsere
Einlaufphase unterschiedlich lang, mal springen wir nicht gleichzeitig ab, mal landen wir verschieden und finden und nicht mehr in unseren Rhythmus...
Es ist eine einzige Katastrophe.

Nachdem wir es zweimal geschafft haben den Sprung synchron zu absolvieren, sind wir schon ziemlich am Ende des Trainings und total ausgepowert.

Glücklich über den kleinen Erfolg fallen wir uns verschwitzt in die Arme. Es fühlt sich gut an mal wieder jemanden zu umarmen und mein Herz schlägt noch schneller als so schon, sodass ich das Gefühl habe gleich in Ohnmacht zu fallen.

Sehr ungünstig, wenn man mich fragt, den meine Beine geben halb nach und Alex muss mich wirklich festhalten, damit ich nicht umfalle.

Nervös lache ich etwas und finde meine Kraft wieder, während mich Alex immernoch festhält.

Etwas unsicher löse ich mich von ihm und er lässt mich gehen. Er lächelt mich irgendwie traurig an und läuft, ohne weitere Worte, zur Jungenumkleide.

Ich gehe mich auch umziehen und fahre mit dem Bus nach Hause. Alex war wohl schneller als ich, also haben wir uns nicht nochmal getroffen.

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Funfact:
Das deutsche Eislaufpaar hat bei Olympia diesmal Gold gewonnen 🙌 (2018)
Ist das nicht cool?
Von Platz 4 (dem letzten) auf Platz 1. Yeeeeaaaa!

normal? schwachsinn!Where stories live. Discover now