04 Leichte Spannungen

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»Vielleicht wäre es gar nicht so schlecht, wenn Sie das Angebot annehmen würden«, meinte Nagisa, während sie Karotten in Streifen schnitt.

»Nein. Ich möchte die Mädchen nicht alleine lassen.« Entschlossen schüttelte Midori ihren Kopf.

»Wir sind auch noch da. Mir gefällt einfach nicht, wenn Sie sich so viel zumuten in Ihrem Zustand.«

Die Krankenschwester seufzte. »Ich weiss Ihre Sorge wirklich zu schätzen, Kanade-san. Aber das ist für mich kein Thema. Ich bleibe hier oben, wie der Rest der Gruppe. Es fehlt mir an nichts hier. Dort unten würden mir die Mädchen fehlen, und manchmal sogar Shikibu-san.«

Ihre Karottenstreifen in den Wok gebend, erwiderte die andere Frau: »Ich mache mir einfach Sorgen um Sie. Sie haben auch noch die Mädchen und wollen trotzdem alles selber machen.«

»Vergessen Sie Shikibu-san nicht. Eigentlich habe ich sogar vier Kinder am Hals.« Zufrieden hörte Midori das Schmunzeln der anderen Köchin. »Ehrlich. Wenn ich wirklich Hilfe brauche, werden Sie die Erste sein, die es hört, Kanade-san.«

Nagisa musterte ihre Gesprächspartnerin einen Moment lang. »Versprechen Sie mir das?«

»Ehrenwort. Sie haben viel mehr Erfahrung als ich. Ich bin um jeden Ratschlag froh.«

»Dann sollten Sie auf mich hören und sich etwas zurücknehmen.«

Die Krankenschwester zwinkerte ihr zu. »Ratschläge um die ich gebeten habe.«

Sie blickte durch die geöffnete Tür nach draussen, wo Yuna auf der Veranda sass und aufs Meer hinaussah. Neben dran hockte Yui, die in ihrem Buch las. Obwohl sie eigentlich nur die Vormundschaft für die beiden übernommen hatte, waren ihr beide sehr ans Herz gewachsen. Vielleicht lag es daran, dass die Mädchen Yoshiro so viel bedeutet hatten.

Vielleicht lag es auch daran, weil die beiden Waisenkinder waren, genau wie Midori selbst. Als Kind musste sie mitansehen, wie ihre Eltern von Oni-Bestien getötet wurden. Beinahe wäre sie auch selbst ums Leben gekommen, wäre nicht Yoshiro eingeschritten und hätte sie vor diesem Schicksal bewahrt.

»Ich werde sterben«, jammerte Tama aus dem Wohnzimmer.

Tomoyas Stimme erklang sogleich. »Was ist denn nun schon wieder?«

»Mein Handyakku ist leer. Und natürlich gibt es in dieser Bruchbude keinen Strom.«

»Es schadet dir nicht, wenn du mal von deinen Videospielen wegkommst, Junge.« Ein Geräusch, als ob jemand seine Zunge herausstreckte, erklang.

»Der arme Junge.« Midori kicherte.

Nagisa wendete den Inhalt des Woks. »Ich bin wirklich erstaunt, dass Ihre Mädchen so unabhängig von Technik sind. Ohne Shikibu-san würde Rei sicher auch ständig an ihrem Handy hängen.«

»Ich bin sicher, die beiden jungen Damen lenken einander gegenseitig ab.« Midori sah zu den Masuda-Mädchen. »Yui-chan bevorzugt Bücher. So ziemlich gegenüber allem. Manchmal sogar gegenüber der Gesellschaft anderer Leute.«

»Ach... ich war auch so als Kind. Während mein Bruder mit den Nachbarskindern herum tobte, sass ich in unserem Zimmer und verschlang Bücher«, gestand Nagisa.

»Und Yuna-chan... sie ist etwas eigen.«

»Sie sehen besorgt aus, Omura-san.«

Seufzend strich sich Midori eine Strähne hinter ihr linkes Ohr. »Sie ist sehr verschlossen. Die beiden haben wirklich viel durchgemacht. Yuna-chan wahrscheinlich noch mehr als ihre Schwester. Ich mache mir oft Sorgen, wie es in ihrem Inneren aussieht.«

Ein japanisches SommermärchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt