06 Tamas Abenteuer

13 4 2
                                    

Tama spazierte durch den Wald, der an den Strand grenzte. Erst hatte er Bedenken, doch nachdem Yuna ihn angegangen war, wollte er ihr aus dem Weg gehen. Es reichte ihm schon, dass seine Eltern ihr gegenüber so unterwürfig waren. Das nervte ihn enorm. Am Ende erwartete sie von ihm noch dieselbe Behandlung. Ha, darauf konnte sie lange warten. Er würde sich niemals von ihr herumkommandieren lassen.

Er hob seinen Stock und zielte damit auf einen Baumstamm. »Vergiss es. Niemals!« Rasch stach er zu und wich wieder von seinem Gegner zurück. »Ha!« Er senkte die Spitze und wandte sich ab.

Die jüngere Masuda-Schwester, Yui, schien in Ordnung zu sein. Sie war eher ruhig und verschlossen, deshalb konnte Tama sie schon ein wenig beobachten. Er war sich nicht ganz sicher, aber er glaubte, dass sie im selben Jahrgang an der Mittelschule war wie er.

Omura-san war eine Erwachsene. Angeblich war sie schwanger, aber er konnte beim besten Willen nicht bestimmen, ob man das irgendwie erkennen konnte. Sie behandelte ihn anständig, also fand er sie ganz in Ordnung.

Und Ayumi Shikibu. Oh man, wo sollte er da anfangen? Noch interessierte er sich nicht besonders für Mädchen, aber sie fand er heiss. Sie hatte eine tolle Figur und einen üppigen Busen, was es ihm schwer machte, die Augen von ihr zu lassen. Sein Vater hatte ihn einmal angewiesen, das Starren zu unterlassen, aber er war nicht sauer gewesen, oder hatte geschimpft. Vermutlich konnte er verstehen, was dieser Anblick bei einem Dreizehnjährigen auslöste. Entsprechend ging er mit Tama milde ins Gericht.

Der Knabe blieb stehen und lauschte. Hatte er nicht gerade etwas gehört? Umgeben vom allgegenwärtigen Summen der Zikaden, welches lediglich von vereinzelten Schreien der Möwen durchdrungen wurde, spazierte er weiter und suchte sich den nächsten Gegner. Er traktierte einige Äste und Büsche mit seinem Stock, als er ein hohes Quietschen vernahm. Es klang nach irgendeinem Tier, aber sicher war er sich dabei nicht, da er so gut wie keine Erfahrung damit hatte.

»Hallo?!«, rief er, wobei er den Kopf einzog und angestrengt lauschte. »Ist da jemand?«

»Hilfe!«

Es klang nach einer Mädchenstimme. Unsicher trat Tama von einem Bein aufs andere. »Was ist los?«

Erneut erklang ein Quietschen, doch dieses Mal klang es ähnlich wie die Mädchenstimme. »HILFE!«

Der Knabe sah sich um und drehte sich mehrere Male im Kreis. »Hilfe!«, brüllte er, wobei sich seine Stimme überschlug, und wartete ab. »Hilfe! Hier braucht jemand Hilfe!« Ausser einem weiteren Schrei des Mädchens bekam er nichts zu hören. »Verdammt...«

Er spielte gerne Rollenspiele und hatte sich schon ein paar Mal ausgemalt, wie es sein würde ein Held zu sein, doch angesichts dieser Situation bekam er es mit der Angst zu tun. Panik übermannte ihn und da er ausser Bäumen nichts mehr erkennen konnte, rannte er einfach los.

Weitere Hilfeschreie des Mädchens drangen an sein Ohr, doch Tama war völlig überfordert und verängstigt. Tränen drängten in seine Augen, während er durch den Wald hetzte. Er strauchelte über eine Wurzel, konnte seinen Fall jedoch mit einigen kleinen Schritten abwenden, wodurch er vom ausgetretenen Pfad abwich. Der Knabe stolperte durch ein Gebüsch, als plötzlich ein Abhang vor ihm erschien.

»WAAAH!« Den Stock liess er los und riss die Unterarme vor sein Gesicht. Er rollte sich zusammen und purzelte durch kleine Sträucher den Abhang hinab. Die Augen fest zugekniffen schrie Tama um sein Leben, als er seitlich im Wasser landete. Er ruderte wild mit den Armen und prustete, bis er bemerkte, dass es nur einige Zentimeter tief war. Er setzte sich auf den Hintern und wischte sich mit seinen schlammverschmierten Händen durch die Haare.

»Pfft!« Er spuckte und rieb sich nochmals durchs Gesicht, bis ihm klar wurde, dass er sich selber mit dem Schlamm beschmierte. Sein Herz hämmerte noch schnell in der Brust, doch langsam beruhigte er sich. Rasch wusch er die Hände im Wasser und rieb sich danach das Gesicht ab.

Ein japanisches SommermärchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt