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Wir saßen wieder im Wohnzimmer, aber diesmal verwickelt in eine hitzige Diskussion. Die Geschwister beratschlagten, wie sie ab sofort weiter vorgehen sollten und was die Gründe für diese Entwicklung ihres kleinen Bruders sein konnten. Ich beteiligte mich nicht. Mit mir war nichts mehr anzufangen. Ich fühlte mich so unnütz. Nichts hatte ich verändern können, obwohl ich mich so sehr angestrengt hatte! Manu war in Wirklichkeit schon sehr viel zerstörter, als ich es jemals vermutet hätte. Er stand kurz vor einem Abgrund... Und wenn ich ihn nicht retten konnte, würde er am zwölften September noch einmal einen Suizidversuch wagen. Und wenn der ebenfalls nicht klappte, dann an einem anderen Tag wieder. Er musste alle Hoffnung auf Besserung in seinem Leben längst verloren haben...

Die Handys vibrierten wieder und kurz kehrte Stille ein. Gespannt wartete ich auf die Neuigkeit. Melissa strich mir über die Schulter. "Sie haben herausgefunden, was an seinem Zustand Schuld war. In seinem Blut waren noch nachweisbare Spuren von Flavonglycoside und Terpenlactone. Schlaftabletten, eine Überdosis. Sie wollen noch nichts schlussfolgern, aber das Rezept ist definitiv verschreibungspflichtig und niemand von uns nimmt die! Wirklich! Nur...-"

...hatte er sie absichtlich genommen? Oder tatsächlich vertauscht?, beendete ich ihre Gedanken leise für mich. Ich wünschte, ich hätte ersteres glauben können. Konnte ich aber nicht länger, ohne Manu unrecht zu tun! Ich durfte meine Augen nicht länger vor der Wahrheit verschließen! Manu hatte sich umbringen wollen und wenn er das tatsächlich schaffen sollte, würde ich das nicht aushalten! Bereits jetzt tat mir alles in meinem Körper weh, klammerte und krampfte sich unwillkürlich zusammen, als würde elektrischer Strom durch meine Venen fließen! Ich liebte ihn so sehr... Egal wie viel er vor mir verschwiegen hatte, egal was er mir alles vorgespielt hatte, um sein wahres Inneres nicht zeigen zu müssen, meine Gefühle für ihn hatten sich nicht geändert! Bei unserem nächsten Treffen musste ich ihm unbedingt klar machen, wie wichtig er mir war!

"Ist er... Ich meine, wisst ihr, ob Manu schon wieder bei Bewusstsein ist? Und in welchem Krankenhaus er liegt?", meldete ich mich erschöpft zu Wort. "Ist er noch nicht, aber das wird bestimmt auch noch ein wenig dauern. Pass auf, sobald wir Nachrichten haben, sagen wir dir Bescheid. Und morgen kann Mom dich vielleicht-, nein, du hast Schule! Sie kann dich nicht einfach in der Schulzeit mit ins Krankenhaus nehmen!" Peter schüttelte bedauernd den Kopf. Aber an Schule war jetzt ganz bestimmt nicht zu denken! Nicht wenn mein bester Freund so etwas durchmachte! Also war es beschlossene Sache! Morgen würde ich Manu wiedersehen, ob bereits im wachen Zustand oder halt nicht. Aber ich musste ihm unbedingt nahe sein, ihn ganz fest umarmen und versprechen, dass er nicht alleine war und es auch nie wieder sein würde! Wie wichtig mir sein Leben war! Was ich für ihn empfand! Es musste jetzt alles raus, damit er nur ja nie wieder so eine Dummheit beging!

Es war mittlerweile halb Zehn. Zwei Schulstunden waren schon rum. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, mich jetzt noch seelenruhig in den Unterricht zu setzen mit all meinem neu erlangten Wissen. Nur eine Sache musste ich noch dringend erledigen! Schnell tauschte ich mit Peter Handynummern aus, verabschiedete mich dankbar von allen und schob dann mein Rad Richtung Zuhause, während ich Michas Nummer wählte. Jetzt gerade hatten sie noch Pause und ich dachte, dass es besser war, ihn und die Clique wenigstens grob zu informieren.

Mein Anruf wurde nahezu sofort angenommen. "Maurice! Sag schon, was gibts? Bist du bei Manu? Wie geht es ihm?"

"Ich habs nicht geschafft, die Vorhersage zu verhindern", gab ich zu und hoffte, dass er die anderen mithören ließ, um nicht gleich nochmal alles von vorne erklären zu müssen, "Aber ich habe etwas wichtiges herausgefunden. Der Junge, den wir kennengelernt haben, ist nicht wirklich Manu! Er ist noch immer furchtbar unglücklich mit seinem Leben und der Grund, wieso er im Krankenhaus liegt, war offenbar wirklich kein Unfall! Es ist noch über ein Monat Zeit, aber ich schaffe das nicht alleine! Ich brauche euch! Morgen will ich versuchen, noch genaueres herauszufinden, tust du mir den Gefallen und sagst der Lehrerin, dass ich nicht schwänze und eine Entschuldigung nachreichen werde? Ich halte euch auch auf dem Laufenden!"

Es knisterte leicht in der Leitung, dann musste sich Alina das Handy geschnappt haben. "Okay, verstanden Maurice! Wird gemacht! Du kannst immer auf uns zählen!"

"Genau! Wir halten dir hier den Rücken frei! Und wenn du Manu morgen siehst: Sag ihm, noch so ein Ding und ich werde ihm mal heftig meine Meinung-, autsch, Alina! Du weißt doch, wie ich das meine!"

"Danke Leute!", murmelte ich überwältigt. Ihre Hilfsbereitschaft ermutigte mich aufs Neue. Ich hatte wirklich Glück, Freunde wie sie zu haben, denn um Manu diesmal endgültig retten zu können, brauchte ich jedes Paar helfender Hände, die ich möglicherweise bekommen konnte!

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So, nächstes Mal werde ich stark bleiben Franzi! Du ziehst mir sonst noch alle übrigen Kapitel aus der Tasche, du Langfinger du! :D

Deine Zukunft in meinen Händen (#GermanLetsDado)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt