Du bist mein Wunder - Teil 3

3.7K 113 0
                                    

Emily

Der Donnerstag verging schnell und schon war Freitag. Fast Wochenende, yeah!
„Hey Emily!“. Tim, ein Typ aus meiner Klasse, kam mir nach Unterrichtsschluss hinterhergelaufen. Er war attraktiv, wusste das aber auch und war mir persönlich ein wenig zu selbstbewusst. Lässig lehnte er sich gegen die Wand während wir auf den Fahrstuhl warteten und grinste mich an.
„Nico, Henri, Jessi und ich wollten heute Abend feiern gehen. Wie siehts bei dir aus? Kommst du mit? Du kannst natürlich auch deine hübsche Freundin mitbringen. Wie hieß sie noch? Celine?“, er wackelte mit den Augenbrauen, was bei jedem anderen total albern ausgesehen hätte, bei ihm aber komischerweise nicht.

„Sorry Tim, das ist total lieb, dass du fragst, aber ich muss heute Abend arbeiten.“
„Was? Du arbeitest an einem Freitagabend? Ach komm schon, Emily, das ist doch nur eine Ausrede. Bitte, komm mit!“
„Stell dir vor, Tim, aber es gibt Leute, die nicht nur aus Papas Tasche leben können, sondern sich etwas dazu verdienen müssen.“ antwortete ich etwas genervt.
Bei seinem reichen Daddy konnte er es sich wahrscheinlich wirklich nicht vorstellen zu arbeiten.
„Ich helfe heute wieder bei einem Konzert im Docks aus. Ich habe dir doch schon mal erzählt, dass die Freundin meiner Mutter die Besitzerin ist. Ich kann sie echt nicht hängen lassen, um mit dir feiern zu gehen.“, fügte ich etwas versöhnlicher hinzu.
„Ah stimmt, ich erinnere mich. Ja gut, bei einem Gratiskonzert würde ich auch nicht Nein sagen.“
Tim zwinkerte mir zu und hielt mir dann die Tür nach draußen auf. Eins musste man ihm lassen, er konnte wirklich ein Gentleman sein, wenn er wollte.
Kopfschüttelnd wünschte ich ihm ein schönes Wochenende und ging dann in die entgegengesetzte Richtung zur Bahnstation.

Zuhause angekommen lernte ich noch ein wenig für die anstehenden Prüfungen und telefonierte mit meiner Mum. Ich erzählte ihr von dem Konzert heute Abend und richtete ihr Kates Grüße aus. Dann duschte ich und zog mich an. Zum Glück war Kate ziemlich entspannt, was die Arbeitskleidung im Docks anging, es gab keine Uniform oder sowas. Die einzige Regel war schwarze, schlichte Kleidung, die nicht zu aufreizend war. Deshalb entschied ich mich für eine schwarze Skinnyjeans, ein schwarzes, enganliegendes T-Shirt und einen graumelierten Cardigan, den ich im Laufe des Abend wahrscheinlich sowieso ablegen würde. Meine Haare band ich mir in einen Pferdeschwanz, damit sie mir nicht im Gesicht rumhingen. Nachdem ich mir noch ein leichtes Make-Up aufgelegt hatte, schnappte ich mir meine Tasche und verließ das Haus.


Wincent

Ein lautes Hupen weckte mich unsanft aus meinem Schlaf. Benni, der heute den Tourbus fuhr, weil unser Fahrer krank geworden war, schimpfte.
„Mann, du Penner! Schon mal was von Blinken gehört?“, rief er sauer.
Ich sah, noch etwas verschlafen, aus dem Fenster und erblickte die Elbe. Das hieß, wir waren schon fast am Ziel angekommen. Nachdem wir gestern noch in Hannover gespielt hatten, war heute Hamburg an der Reihe. Hamburg gehörte zu meinen absoluten Lieblingsstädten. Ich wollte schon seit langem wieder in den Norden ziehen, hatte bisher aber noch keine Zeit gefunden, mich um eine Wohnung zu kümmern. Berlin war schön, keine Frage, und gerade als Musiker konnte ich dort in der Vergangenheit viele wichtige Kontakte knüpfen, aber ich vermisste meine Heimat. Vor allem vermisste ich die Ostsee, denn als ich noch in Eutin gelebt hatte, war ich mit meinen Freunden mindestens einmal im Monat ans Meer gefahren.
Da Hamburg die nördlichste Millionenstadt war, stand sie in meiner Liste der möglichen Umzugsorte ganz oben. Von dort aus brauchte ich auch nur knapp anderthalb Stunden bis in meine alte Heimat und ich könnte viel häufiger meine Familie besuchen. Besonders meine kleine Schwester vermisste ich sehr. Shayenne war gerade in einer Phase, in der sie ihren großen Bruder gut gebrauchen konnte und es tat mir im Herzen weh, dass ich nicht immer für sie da sein konnte.

„Hey Wincent, alles in Ordnung bei dir? Du siehst gerade ziemlich deprimiert aus.“, holte Octa, der Gitarrist der Band, mich aus meinen Gedanken.
Octa hieß eigentlich Octavian (ja, seine Eltern waren ziemlich kreativ gewesen), aber alle nannten ihn nur Octa. Der Typ begleitete mich schon ziemlich lange, immerhin war er von Anfang an Mitglied der Band gewesen. Octa war inzwischen wie ein Bruder für mich und ich wusste, dass es ihm mit mir genauso ging. Er war, genau wie ich, 25, wobei er drei Tage älter war, was er sehr oft betonte. Viele sagten, dass wir uns ähnlich sähen, wir wurden sogar schon ein paar Mal von Fans verwechselt.
„Ach, ich musste nur gerade an meine Familie denken.“, beantwortete ich ihm seine Frage.
„Ich weiß, was du meinst. Die Tour hat eben auch seine Schattenseiten, aber nachher, wenn du erstmal auf der Bühne stehst, wirst du wieder wissen, warum du Musiker bist.“, versuchte er mich aufzuheitern.
„Ich beschwere mich ja auch nicht. Du weißt, wie sehr ich die Tour genieße, es ist nur manchmal schwer.“
„Hey, wir haben morgen doch einen Tag frei. Lass uns mal wieder skaten gehen, das wird dich aufheitern. Oder hast du’s etwa nicht mehr drauf, Bro?“ Octa sah mich herausfordernd an.
„Pass bloß auf, was du sagst. Ich mach‘ dich morgen fertig!“
„Das woll’n wir ja mal sehen.“ Octa stand auf und ging in den hinteren Teil des Busses.
„Hey, Octa?“, rief ich ihm nach. Er drehte sich noch einmal um.
„Danke!“
Mein Kumpel zwinkerte mir nur zu und schloss die Tür hinter sich.

Du bist mein Wunder | Wincent Weiss FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt