Du bist mein Wunder - Teil 87

1.6K 46 5
                                    

Wincent

Kaum hatte ich den letzten Satz gelesen, klappte ich den Laptop zu und fluchte erneut. Was interessierte es die Leute überhaupt? Das war mein Leben. Nur weil ich sang und Songs schrieb, hieß das noch lange nicht, dass jeder das  Recht hatte, sich in mein Privatleben einzumischen. Ich sah zu Emily hinüber, die gerade ihr Handy aus der Tasche holte und Instagram öffnete.
„Bist du sicher, dass du dir das antun willst?“, fragte ich sie vorsichtig, aber sie winkte ab.
„Wir müssen wissen, womit wir es zu tun haben.“, erklärte sie sachlich und rief meine Seite auf. Sobald sie auf die Seite mit meinen Markierungen wechselte, sprangen uns weitere Bilder von uns entgegen. Ich stieß ein leises Knurren aus, während Emily durch die Bilder scrollte. Irgendwann nahm ich ihr das Handy aus der Hand und zwang sie, mich anzusehen.
„Tu dir das nicht an. Ich weiß das ist alles ein Schock für dich, aber Sascha tut alles, um die Bilder aus dem Internet zu bekommen. Es tut mir so unendlich leid. Ich hätte besser aufpassen müssen. Du hast ein normales Leben verdient. Nur weil die Presse nicht die Grenze zwischen Beruf und Privatleben kennt, heißt das nicht, dass sie dich da mit reinziehen müssen.“
„Wincent.“, unterbrach Emily meinen Redeschwall. „Es ist okay. Wir hätten unsere Beziehung sowieso nicht viel länger verheimlichen können. Dafür bist du inzwischen zu bekannt.“
„Aber erst, wenn du dazu bereit bist und nicht so.“ Ich zeigte zuerst auf meinen Laptop und dann auf Emilys Handy.
Sie nahm meine Hände in ihre und überraschenderweise bemerkte ich, dass sie lächelte.
„Zugegeben, die Art und Weise war nicht ganz das, was ich mir vorgestellt hatte, aber jetzt ist es eh zu spät.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Um ehrlich zu sein, wollte ich mir dir genau darüber heute reden.“

„Was? Worüber?“, fragte ich perplex.
„Dass es für mich okay ist die Beziehung öffentlich zu machen. Ich will mich nicht mehr verstecken. Wincent, ich liebe dich und ich wusste von Anfang an worauf ich mich einlasse, wenn ich mit dir zusammen bin. Du bist nun mal eine Person des öffentlichen Lebens, auch wenn du einfach nur Musik machen willst. Die Leute haben ein Interesse an deinem Privatleben und solange ich dazu gehöre, muss ich mich daran gewöhnen selbst in den Fokus zu rücken. Du hast recht, ich habe mir das nicht ausgesucht, aber ich habe mir dich ausgesucht. Es war schön, eine Weile unentdeckt zu bleiben, aber es war doch klar, dass das nicht ewig so weitergehen kann. Wir müssen einfach das Beste draus machen.“

Ich sah Emily verblüfft an. Damit hatte ich von allem am wenigsten gerechnet.
„Bist du dir sicher?“
Sie nickte.
„Okay. Dann lass uns morgen mit Sascha alles besprechen.“ Mich überkam auf einmal eine Erleichterung. Das Versteckspiel würde endlich vorbei sein. Ich beugte mich vor und küsste Emily. Als ich mich von ihr löste, grinste ich.
„Ich freue mich schon darauf, das bald an jeder Straßenecke machen zu können.“, sagte ich und küsste sie nochmal.
„Langsam. Nur weil wir uns nicht mehr verstecken, heißt das nicht, dass wir ab jetzt überall rummachen.“
Ich setzte einen gespielten Schmollmund auf, was Emily zum Lachen brachte.
Sie beugte sich vor, um mich wieder zu küssen, als mich plötzlich ein Gedanke durchzuckte.

„Fuck! Das Tier auf der Terrasse“, sagte ich und starrte aus dem Fenster.
„Hä?“, erwiderte Emily verwirrt. Ich wandte mich wieder ihr zu.
„Weißt du noch an unserem ersten Abend? Als wir auf dem Sofa… du weißt schon. Du dachtest, du hättest draußen jemanden gesehen. Was, wenn du recht hattest und das doch kein Tier war, sondern ein Paparazzi?“
Emily wurde blass. „Oh Gott! Du meinst der hatte ne Kamera dabei?“
„Als nach den Fotos, die ich heute gesehen habe, überrascht mich gar nichts mehr.“, erwiderte ich
„Das heißt ja, wenn da draußen wirklich ein Paparazzi war und er nur ein paar Minuten früher gekommen wäre, dann…“
„Dann würde es jetzt richtig übel für uns aussehen..“, beendete ich ihren Satz.
Emily schluckte und sah mich dann an.
„Egal, wie das alles jetzt weitergeht, wir müssen aufpassen.“, sagte sie ernst.
Ich nickte.
„Komm, lass uns packen gehen.“
Schweigend falteten wir unsere Sachen. Der Gedanke, dass wir fast beim Sex fotografiert worden wären, hing über uns wie eine dunkle Wolke. Irgendwie sorgte er dafür, dass wir uns in diesem Apartment nicht mehr sicher fühlten. Ich wurde immer wütender. Dass ich an öffentlichen Orten fotografiert wurde, war schlimm genug, aber in meinen eigenen vier Wänden, das ging zu weit.
Wir gingen diese Nacht früh schlafen. Am nächsten Morgen war die Stimmung schon wieder etwas besser. Wir freuten uns beide auf Zuhause. Ich konnte kaum glauben, dass ich seit drei Monaten nicht mehr in meiner Wohnung gewesen war.

Nachdem wir noch eine Runde im Meer geschwommen waren, packten wir unsere restlichen Sachen zusammen und fuhren zum Flughafen. Ich hatte Sascha bereits unsere Flugdaten geschickt und er hatte bestätigt, dass er uns abholte. Der Flug lief ruhig ab. Ich schlief wieder die meiste Zeit, während Emily las. Ich hatte erwartet, dass mich am Flughafen in Hamburg eine Horde von Fans erwarten würde, vor allem, da jetzt alle wussten, dass ich in Griechenland Urlaub gemacht hatte, aber es waren nur ein paar gekommen.
Ich machte Fotos, während Emily geduldig ein paar Meter hinter mir wartete. Als ich fertig war, gingen wir nach draußen, wo Sascha schon auf uns wartete.
„Hey ihr Urlauber.“, sagte er und umarmte uns.
„Können wir einfach in meine Wohnung fahren und dort alles besprechen?“, fragte ich. Es klang vielleicht ein bisschen unhöflich, aber ich war ziemlich erschöpft, weil ich mich letzte Nacht im Bett gewälzt hatte.
Sascha nickte und wir fuhren los. Es war komisch nach Monaten wieder den Schlüssel zu meiner Wohnung herauszuholen und die Tür aufzuschließen. Es war so viel seitdem passiert. Ich liebte das Tourleben, aber ich hatte diesen Ort vermisst. Er war zu einem Zuhause geworden. Nachdem Emily und ich uns umgezogen hatten, in Deutschland war es deutlich kälter als im sonnigen Griechenland, setzten wir uns mit Sascha an den Küchentisch.

„Also…“, begann er, „wie ihr euch sicherlich denken könnt, sind diese Bilder nicht mehr aus dem Internet zu bekommen. Als dein Manager kann ich dir nur raten, möglichst schnell ein Statement abzugeben. Jetzt ist der Trubel sowieso noch da und ich erhoffe mir dadurch, dass die Spekulationen aufhören und sich alles schnell wieder beruhigt.“
Ich nickte. Während ich letzte Nacht wach im Bett gelegen hatte, hatte ich mir etwas überlegt. Bisher hatte ich nicht mal Emily von meinem Plan erzählt.
„Für uns ist es in Ordnung die Beziehung öffentlich zu machen. Ich möchte Emily aber trotzdem so gut es geht aus der Sache raushalten. Ich hatte an ein Foto auf Instagram gedacht, auf dem dein Gesicht nicht zu sehen ist. Ich habe mir schon einen Text überlegt. Mir ist es wichtig, direkt an meine Fans heranzutreten, was die Presse sagt, ist mir egal.“
Beide nickten zustimmend.

„Das hätte ich auch vorgeschlagen.“, sagte Sascha. „Da ist aber noch was anderes, was ich mit dir besprechen wollte. Es wird Zeit, dass du einen neuen Song rausbringst. Die Leute am Ball halten, du weißt schon. Ich möchte, dass du nächste Woche, wenn du ins Studio fährst, direkt an deiner neuen Single arbeitest. Am besten nimmst du einen der Songs, die du schon während der Tour geschrieben hast. Ich helfe dir bei der Auswahl. Die Nummer muss ein Hit werden, damit alle es kaum abwarten können, dass endlich dein neues Album rauskommt.“
Das war nichts neues für mich. Ich hatte schon ein paar Lieder im Kopf, die es ins Radio schaffen könnten.
„Ich setze mich gleich nächste Woche mit Kevin zusammen.“
„Aufgrund der aktuellen Umstände halte ich es für schlau, ein Lied über Emily zu nehmen. Warum nicht gleich die Publicitywelle nutzen? Deine Fans werden den romantischen Wincent lieben. Wie wär‘s mit dem Geburtstagslied für Emily? Der eignet sich perfekt!“

Du bist mein Wunder | Wincent Weiss FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt