Du bist mein Wunder - Teil 21

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Wincent

„Gib mir mal bitte die Servietten.“, bat ich Octa und er reichte sie mir. Zufrieden trat ich einen Schritt zurück und betrachtete unser Werk. Perfekt! Mein Kumpel und ich hatten den ganzen Vormittag gebraucht, um alles für die Party heute Abend vorzubereiten, aber es hatte sich gelohnt. Nachdem heute morgen noch die Hälfte der Wohnung mit Kisten vollgestanden hatte, sah es jetzt richtig wohnlich aus. Ich sah mich um und seufzte. Mein neues Zuhause. Ich fühlte mich jetzt schon wohl hier, was zu einem großen Teil auch an meiner Mutter lag. Sie war letzte Woche vorbeigekommen und hatte was Dekoration anging, ganze Arbeit geleistet.
„Lass uns eine kleine Pause machen, bevor wir uns ums Essen kümmern, okay?“, schlug Octa vor.
„Ja gerne!“ Ein wenig erschöpft, aber voller Vorfreude ließ ich mich aufs Sofa fallen und kramte mein Handy aus der Hosentasche. Fast automatisch landete ich auf dem Instagram-Profil von Emily, das ich in letzter Zeit viel zu häufig aufgerufen hatte. Sie postete nicht allzu viele Bilder, doch auf den meisten war sie selbst zu sehen. Schnappschüsse mit Freunden, im Urlaub oder von anderen Aktivitäten. Außer bei ein paar Selfies, schenkte sie auf jedem Foto der Kamera ihr strahlendes Lächeln.
„Na, die kenne ich doch.“, sagte Octa grinsend und ließ sich neben mich fallen. „Wie lange soll das jetzt eigentlich noch so weitergehen? Ihr schmachtet euch gegenseitig an, aber keiner unternimmt was. Mann Wincent, wenn du nicht bald mal in die Puschen kommst, dann sucht sie sich jemand anderen. Besonders jetzt, wo ihr euch nicht mehr jeden Tag sehen werdet und ihre Uni wieder angefangen hat.“
„Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll. Ich will sie ja, aber ich habe immer noch Angst, sie zu verletzen. Sie hat mir neulich eine heftige Geschichte erzählt, was ihr Ex mit ihr abgezogen hat und sie hätte jemanden verdient, der für sie da ist und niemanden, der andauernd unterwegs ist und die Hälfte des Jahres durch Deutschland tourt.“, versuchte ich ihm verzweifelt klar zu machen.
„Aber du hast doch selbst gesagt, du willst den Kontakt zu ihr halten und ich meine Hallo? Ihr wohnt jetzt in derselben Stadt. Was willst du denn noch?“
„Ich will Emily, aber ich habe Schiss, dass das mit uns in die Hose geht und ich sie verliere.“
„Ich kann dich ja verstehen,“, gab mein bester Freund nach, „aber fest steht, dass es so nicht weitergehen kann. Du musst ihr sagen, was Sache ist und dann kann sie immer noch entscheiden, ob sie eine Beziehung mit einem Musiker will oder nicht. Und mal ehrlich, es gibt keine Beziehung, wo man von Anfang an weiß, dass sie für immer halten wird und dass keiner von beiden verletzt wird, aber trotzdem sollte man es versuchen.“
„Vielleicht hast du Recht“, gab ich nach. „Ich werde noch einmal darüber nachdenken. Heute Abend will ich aber einfach nur feiern und einen netten Abend mit den Leuten verbringen, die mir wichtig sind. Alles andere kommt später.“
„Okay, dann lass uns jetzt weitermachen.“, beendete Octa das Gespräch und wir gingen in die Küche, wo wir das Thema Emily erstmal beiseite schoben.


Emily

In meinen Bademantel geschlungen, stand ich vor dem Kleiderschrank und suchte verzweifelt nach etwas zum Anziehen. Ich nahm eine Bluse heraus, hielt sie mir vor dem Spiegel an und warf sie dann wieder beiseite. Das ging noch weitere zehn Minuten so, bis ich endlich die Türklingel hörte.
„Celine, na endlich. Ich brauche dringend deine Hilfe!“, begrüßte ich meine Freundin und zog sie hinter mir her zum Kleiderschrank.
„Oh Gott, wie sieht es denn hier aus?“, fragte Celine entsetzt und starrte auf die auf dem Boden verteilten Klamotten.
„Ich weiß einfach nicht, was ich anziehen soll.“, erwiderte ich verzweifelt.
„Okay, es muss etwas sein, das sexy ist, aber nicht billig. Hose, Rock oder Kleid?“
„Ähm, Hose, denke ich. Alles andere wäre zu übertrieben.“
„Okay, dann lass mal sehen.“, Celine machte sich an die Arbeit und zog nach einigem Suchen eine weiße Skinnyjeans und ein dunkelblaues, recht tief ausgeschnittenes Blusentop aus dem Regal.
„Anprobieren!“, befahl sie mir und ich schlüpfte in die Sachen, die sie mir hinhielt.
„Perfekt!“, sagte sie lächelnd und drückte mir noch eine blaue Strickjacke in die Hand.
„Jetzt nur noch Haare machen und schminken und dann kann es losgehen. Ich bin total aufgeregt, obwohl ich die meisten Leute kenne und auch nicht vor hunderten von Menschen singe.“, jammerte ich.
„Das ist doch klar, ich meine, du bist in Wincents privatem Umfeld, lernst seine Freunde kennen und es ist das erste Mal, dass ihr euch nicht trefft, um Musik zu machen. Was ist jetzt eigentlich mit deinem Geschenk? Ist das Video was geworden?“, wollte Celine wissen.
„Ich bin zufrieden und hoffe, dass es ihm auch gefällt. Bist du dir ganz sicher, dass es nicht zu kitschig ist?“
„Ach Quatsch. Er wird es lieben! Kann ich es sehen? Bitte?“, flehte sie.

Celine hatte mir zwar beim Filmen geholfen, aber das fertig bearbeitete Video hatte sie noch nicht gesehen. Ich zeigte es ihr auf meinem Laptop und meine beste Freundin gab immer wieder begeisterte Laute von sich. Weil Wincent gesagt hatte, dass er keine Geschenke für seine neue Wohnung haben wollte, kam mir die Idee, ihm etwas Persönliches zu schenken. Ich hatte für ihn ein Cover von „Gegenteil von Traurigkeit aufgenommen“. Es war eine Akustik-Version geworden, bei der ich am Klavier saß und das Lied sang. In das Video hatte ich immer wieder kurze Sequenzen mit Bildern geschnitten, von der Band, unseren Auftritten und auch ein paar lustige Selfies von Wincent und mir. Am Ende waren die Worte „Danke für die schöne Zeit!“ zu lesen.
„Also, wenn er sich bis jetzt noch nicht in dich verliebt hat, dann spätestens nach diesem süßen Video.“, schwärmte Celine.
„Ich weiß nicht, er hat mir zum Teil echt unterschiedliche Signale ausgesendet. Im einen Moment denke ich, er fühlt genauso wie ich und im nächsten zieht er sich wieder zurück und baut seine Schutzmauer auf, die ich nicht durchbrechen kann.“, erklärte ich ihr.
„Ich habe euch beiden zusammen gesehen und nach dem, was du mir alles erzählt hast, bist du ihm alles andere als egal. Vielleicht hast du ja heute die Chance, mal alleine mit ihm zu reden und Klarheit zu bekommen.“
„Und wenn er nichts für mich empfindet? Das wäre doch total peinlich, wenn ich ihm meine Gefühle offenlege und er mich nur als gute Freundin sieht…“
„Du musst es ja nicht so direkt machen. Lenk das Gespräch in die Richtung, dass dir die Zeit mit ihm fehlen wird und schau, was passiert.“, gab sie mir den Rat.
„Jetzt lass uns aber mal weitermachen.“ Celine nahm mir entschlossen das Handtuch vom Kopf, das ich bis eben noch getragen hatte und schob mich ins Bad, wo sie leichte Wellen in meine Haare zauberte. Danach schminkte ich mich, heute verpasste ich mir ausnahmsweise mal ein bisschen mehr Augen-Make-Up, ich ging schließlich zu einer Party.
Als wir fertig waren, betrachtete Celine mich. „Wincent werden die Augen aus dem Kopf fallen.“, sagte sie grinsend. Auch wenn es noch früh war, machte ich mich schon auf den Weg, natürlich nicht, ohne mich vorher noch bei meiner Freundin zu bedanken.

Du bist mein Wunder | Wincent Weiss FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt