Du bist mein Wunder - Teil 54

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Emily

„Hi. Was kann ich dir bringen?“, fragte die Bedienung des Cafés, in dem ich gerade saß.
„Einen Latte Macchiato und ein Franzbrötchen bitte.“, erwiderte ich lächelnd und lehnte mich auf dem Sofa, das ich mir ausgesucht hatte, zurück. Kurze Zeit später brachte die Bedienung, ein junges Mädchen, das noch ziemlich unsicher das Tablett balancierte, meine Bestellung. Ich bedankte mich bei ihr und nahm einen Schluck des heißen Kaffees. Mmh… lecker! Ich beugte mich vor und öffnete meinen Rucksack, um meinen Collegeblock, einen Stift und die Unterlagen für Eventplanung herauszuholen. In diesem Fach stand eine Projektarbeit an, bei der wir für einen realen Kunden, in unserem Fall eine große Supermarktkette, ein Festival organisieren sollten. Heute traf ich mich mit meiner Gruppe, um die restlichen Aufgaben zu verteilen. Wir waren schon ziemlich weit gekommen, aber der DJ, den wir buchen wollten, war uns kurzfristig abgesprungen. Ich blätterte gerade durch meine Notizen, als die anderen hereinkamen.
„Hey! Du bist ja schon da.“, begrüßte mich Lara und kam zu dem Tisch, den ich mir ausgesucht hatte. Wir umarmten uns und winkten auch die anderen an unseren Tisch. Tim ließ sich neben mich fallen und griff gleich nach der Karte.
„Boah, ich hab einen Bärenhunger!“, stöhnte er und griff sich an den Bauch. Zu seinem Glück kam in diesem Moment die Bedienung wieder und nahm die Bestellungen der anderen auf.
„So, dann lasst uns mal anfangen.“, schlug Lara vor und holte ebenfalls ihre Unterlagen heraus. „Ich habe nochmal ein bisschen rumtelefoniert und neben einem neuen DJ…“, sie legte eine Visitenkarte auf den Tisch „…auch noch eine Countryband gefunden, die für wenig Geld auftreten würde.“ Lara legte ein Foto der angekündigten Countryband auf den Tisch.
„Ne Countryband? Dein Ernst?“ Tim sah sich mit skeptischem Blick das Foto genauer an. „Gott, wie alt sind die? 60? Wie sollen denn drei hobbylose Rentner für Stimmung sorgen?“
„Du darfst nicht vergessen, dass das Publikum auf dem Festival, Familien und ältere Leute sind. Jetzt hör sie dir doch zumindest mal an, bevor du rummeckerst.“, erwiderte Lara gereizt.
Tim verdrehte die Augen. „Country… Können wir nicht lieber einen coolen Rapper organisieren?“, fragte er. „Ich kenne sogar jemanden, der jemanden kennt, der einen angesagten Newcomer Rapper kennt.“
„Lara hat recht.“, schaltete ich mich ein. „Es geht hier nicht darum, was wir gut finden, sondern um das, was der Kunde will und da die Zielgruppe deutlich älter ist als wir, müssen wir eben über unseren eigenen Horizont hinausgucken.“ 
Tim zuckte mit den Schultern. „Ja, ist ja schon gut.“ Plötzlich schien ihm ein Gedanke zu kommen. Er legte mir einen Arm um die Schulter und zog mich an sich. Ich rollte innerlich mit den Augen. Tim flirtete mit so ziemlich jedem Mädchen, das nicht bei drei auf den Bäumen war, so war er nun mal, aber bei mir übertrieb er es in letzter Zeit ein wenig. Als ich ihm neulich bei dem Formatieren seiner Facharbeit geholfen hatte, hatte er mir sogar einen Kuss auf die Wange gegeben. ‚Als Dankeschön‘. Dass ich einen Freund hatte, schien ihn dabei herzlich wenig zu interessieren. Aber zurück zu Tims Idee.

„Hey, kannst du nicht deinen Boyfriend fragen? Der ist doch Sänger.“, schlug er vor.
Einige aus meiner Uni wussten inzwischen, dass ich mit DEM Wincent Weiss zusammen war. Ich hatte es zwar nicht herumposaunt, aber wenn man zum Beispiel ein Bild von uns beiden als Bildschirmhintergrund im Handy hatte oder mitten während eines Treffens einen Anruf von ihm bekam, ließ es sich nicht vermeiden, dass Fragen aufkamen. Ich wollte sowieso kein Riesengeheimnis daraus machen, zumindest nicht bei den Leuten, mit denen ich mich gut verstand. Das würde alles nur noch komplizierter machen. Zuerst waren die meisten ziemlich überrascht gewesen und hatten große Augen bekommen, aber mit der Zeit hatten sie sich daran gewöhnt.
Ich lachte. „Ja, der kommt bestimmt auf ein kleines Stadtfest und spielt da.“, erwiderte ich sarkastisch.
„Hä? Warum denn nicht? Ist er sich dafür etwa zu fein?“ Tim schien wirklich überzeugt von seinem Vorschlag zu sein.
„Wincent ist gerade auf Tour, der ist die nächsten Monate nur unterwegs.“, erklärte ich. „Und wenn er mal zwischendurch Luft hat, dann werde ich ihn in der Zeit ganz bestimmt nicht mit ein paar Rentnern teilen. Und schon gar nicht mit dir.“ Mit diesen Worten machte ich mich von ihm los und rückte wieder in meine Ecke der Couch.
„Ok komm mal wieder runter.“, sagte Tim beschwichtigend. „Da ist aber jemand ganz schön gereizt. Hat das etwa was mit der Abwesenheit eines gewissen Jemands zu tun?“ Er wackelte vielsagend mit den Augenbrauen.
„Weißt du, wenn du einen Ersatz für die Zeit brauchst… ich würde mich da eventuell zur Verfügung stellen.“, bot er an.
Ich verzog das Gesicht, musste aber gegen meinen Willen trotzdem lachen. Das war einfach typisch Tim.
„Äh… Nein Danke. Vielleicht ein andern mal.“
„Können wir jetzt weitermachen?“, fragte Lara, die unserem Dialog schweigend gelauscht hatte.
Wir verteilten wie geplant die verbleibenden Aufgaben und sammelten dann noch Ideen, wie wir die Endpräsentation gestalten wollten.

Nachmittags hatte ich noch für zwei Stunden Uni, was ich leider nicht schwänzen konnte. Ziemlich erschöpft machte ich mich Abends auf den Heimweg und legte noch einen Zwischenstopp bei meinem liebsten Sushi Restaurant ein. Zuhause angekommen machte ich es mir in meinem Sessel gemütlich und aß das Sushi. Mhh… ich liebte Sushi!
Mein Handy gab einen Ton von sich, der mir verriet, dass ich eine Nachricht bekommen hatte. Sie war von Wincent. Ich öffnete Whatsapp und mir fielen fast die Stäbchen aus der Hand. In der ersten Nachricht stand: „War beim Friseur. Ist gut geworden oder?“
Darunter befand sich ein Bild. What. The. Fuck.



Wincent

„Vielen, vielen, vielen Dank!“, rief ich ein letztes Mal in die Menge, bevor ich endgültig von der Bühne verschwand. Noch ganz voller Adrenalin lief ich mit meinen Bandkollegen in den Backstage Bereich. Schnell zogen wir uns um und packten unsere Sachen zusammen, denn wir hatten heute Abend noch etwas vor. Die Leute mit denen ich auf Tour unterwegs war, das heißt die Band, aber auch die Backstagecrew, waren inzwischen mehr als nur Kollegen für mich. Sie waren fast so etwas wie eine zweite Familie. Deshalb hatten wir beschlossen, mehr außerhalb der Proben und Auftritte zu unternehmen. Heute Abend ging es kegeln. Nein, nicht bowlen. Kegeln. Wer geht denn heutzutage bitte noch kegeln? Die Idee war von Manni gekommen, der tatsächlich, ich würde ihn ewig damit aufziehen, als Kind im Kegelverein gewesen war.
Als alles im Tourbus verladen war, fuhren wir los. Wir hatten uns extra einen abgetrennten Raum gebucht, damit wir dort in Ruhe Blödsinn machen konnten. Die kurze Fahrt nutzte ich, um mir meine Haare zu richten, die nach einem Auftritt immer in alle Richtungen standen.
„Lass mich das mal machen.“, sagte Benni plötzlich, der hinter mir saß, und nahm mir die Bürste aus der Hand. Außerdem griff er sich das Haargel.
„Was kommt denn jetzt?“, fragte ich und zog die Augenbrauen hoch.
„Ich mache dir eine Frisur, die zum Anlass passt.“, erklärte Benni und fing schon an, meine Haare zu stylen. Fünf Minuten später durfte ich endlich in den Spiegel schauen. Ich befürchtete nichts Gutes, denn die anderen, die sich immer wieder zu mir umdrehten, kamen aus dem Lachen gar nicht wieder heraus.
„Ach du Scheiße!“ Ich fuhr mir entsetzt durch die Haare, musste aber auch grinsen. Benni hatte mir einen schnurgeraden Seitenscheitel gemacht und meine Haare zu beiden Seiten mit viel Gel an den Kopf geklatscht.
„Du siehst aus, wie mein Großvater.“, prustete Manni.
„Alle aussteigen!“, rief Matti, unser Busfahrer.
„Ich kann doch so nicht rausgehen!“, sagte ich und starrte kopfschüttelnd auf mein Spiegelbild. Tatsächlich erinnerte ich mich selbst auch ein wenig an meinen Großvater. Sorry, Opa…
„Ach komm schon, Winni. Wir sind doch unter uns.“
„Ach scheiß drauf.“
Wir stiegen allesamt aus dem Bus und versammelten uns an der gemieteten Bahn.
„Okay. Wer fängt an?“, fragte Benni.
„Na ich würde sagen unser Kegelmeister oder?“, schlug ich vor und sah zu Manni. Der ging mit stolzer Brust zu den Kugeln, suchte sich eine aus und machte den ersten Wurf. Nur ein Kegel blieb stehen. Nicht schlecht.

Ich war als zweites an der Reihe. Bei mir blieben zwar ein paar mehr Kegel stehen, aber dafür räumte ich mit dem zweiten Wurf alles ab.
„Spare!“, jubelte ich.
„Da kennt sich ja doch jemand mit Kegeln aus.“, sagte Manni, der ein wenig eingeschnappt klang, weil ich ihn vorher mit seiner Kegelverein-Vergangenheit aufgezogen hatte.
„Mit Bowlen. Das ist ein großer Unterschied.“, betonte ich.
Je mehr Bier floss, desto mehr Spaß hatten wir. Irgendwann kam Flo auf die Idee, einen Instagram Account für unseren frisch gegründeten Kegelverein zu machen und sofort setzten wir das in die Tat um. Meine neue Frisur war dabei natürlich ein Hauptbestandteil unserer Posts. Wir luden viele Fotos und Videos hoch auf denen wir (und vor allem ich) uns zum Deppen machten. Die Fans rasteten komplett aus. Oh Gott, ich sah schon wieder die ganzen Memes kommen. Ein Bild schickte ich auch an Emily. Sie sollte besser wissen, was sie sich für einen Clown ausgesucht hatte. Das Kegeln wurde fast schon zur Nebensache.
Die nächsten Runden über verbesserte ich mich immer mehr und eine Runde vor Schluss entschied sich der Sieg nur noch zwischen Manni und mir. Wir spielten um nichts, außer um die Ehre, aber das reichte schon. Mein Ehrgeiz hatte mich gepackt.
Weil ich wusste, dass Manni schlechte Nerven hatte, versuchte ich ihn zu beeinflussen.
„Uh das wird nichts, das sehe ich jetzt schon. Der Anlauf ist viel zu kurz. Manni, denk an deine Armhaltung.“, rief ich ihm zu. Er warf mir einen bösen Blick zu, warf, und versenkte die Kugel zielsicher in die Rille rechts der Bahn.
„Pudel!“, schrie ich und riss den Arm in die Luft. Wenn ich jetzt nicht genauso daneben warf, dann hatte ich gewonnen.
Ich suchte mir meine Lieblingskugel aus, küsste sie, streichelte ein paar mal darüber und machte meinen letzten Wurf. Sie warf alle Kegel um.
„Strike!“, rief ich und vollführte ein kleines Tänzchen.
„Macht nichts, Manni. Du bist Sieger der Herzen.“, tröstete Benni seinen Bandkollegen. Dessen gespielte Trauer war natürlich nur Spaß. Egal, wer gewonnen hatte, wir hatten einen wirklich schönen Abend gehabt. Wir sollten wirklich häufiger Zeit außerhalb der Proben und Auftritte miteinander verbringen.
Bei ein paar Bierchen ließen wir den Abend dann noch entspannt ausklingen, bevor wir schlafen gingen.

Du bist mein Wunder | Wincent Weiss FanfictionTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang