°31 ~ Der Stich ins Herz

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Jimin

Alles ist schwarz und grau. Der Tag fühlt sich kalt und leblos an. Es liegt daran, dass mich ein wichtiger Mensch verlassen hat. Jeder Schritt fühlt sich qualvoller an als der andere. Ich bin in schwarz und weiß gekleidet. Mit ein bisschen rot im Gesicht, welches meine rotunterlaufenden Augen vom endlosen Weinen sind. Ich verstecke sie nicht, ich stehe zu meinem unendlichem Schmerz. Der Asphalt ist kalt und eintönig. Nichts Sehenswertes gibt es mehr. Alles ist monoton und unwichtig. Schritt vor Schritt lege ich zurück und es wird immer schwerer für mich. Ein kleiner Blick nach rechts und ich weiß, dass es anderen schlimmer geht. Jedoch kann ein frischgebackener Vampir so einen Verlust noch weniger vertragen oder verarbeiten, als ein Vampir der den Krieg gegen seine Spezies vor 80 Jahren mitbekommen hat.

Die Tür öffnet sich mit einem kleinen ziehen und enthüllt die große Halle. Sie ist angemessen "geschmückt". Blumenkränze verzieren das Bild desjenigen der nicht mehr unter uns war. Tausende Blumen und Kerzen umhüllten die Andachtsstelle. Es war wie in einem Traum, der zu schön war um Yoongis Beerdigung zu sein.

Ich saß auf der Bank in der ersten Reihe vor dem Gedenktisch. Neben mir Yoongis Eltern die extra angereist waren, da sie eigentlich nie wirklich Zeit hatten, jedoch konnte man Ihnen ansehen wie unglaublich traurig sie waren, dass einer ihrer Söhne dahingeschieden war. Daneben saß Yingo, eigentlich hasste ich ihn immernoch für das was er mir angetan hatte, aber nun war keine Zeit für Hass. Als ich hinter mich sah, erblickte ich bekannte Gesichter. Yixing, Mino, Minki, Sungjun und Jiyoung waren auch da. Minki mit Verband, was mich wieder an die dramatische Szene erinnerte. Man sah ihnen genauso an wie sie litten. Es war einfach immernoch unvorstellbar das ich ihn im Feuer und Gebröckel zurückgelassen hatte. Natürlich gab ich mir Schuld.

"Ich hätte ihn retten können" 

"Ich hätte mich für ihn aufgeopfert"

"Ich hätte mich einfach mit ihm begraben sollen"

Schwirrte mir durch den Kopf. Solche Gedanken brachten mir nur Kopfweh, weil ich wusste, dass das Schicksal so entschieden hatte und nicht anders. Er war fort und ich musste wohl oder übel damit leben. Ich schaute wieder nach vorne und sah meinen Geliebten. Er war leider nur eine Wunscherscheinung. Schließlich lag er in einem Sarg hinter der weißen Wand, die sich hinter der Tisch erstreckte. Übermorgen würde ich darauf bestehen seinen Sarg mitzutragen oder sein Portrait mit zum Friedhof zu tragen. Allgemein ist es eine stille Trauerfeier. Jeder trauert für sich und murmelt Worte die an den Verstorbenen gerichtet sind. Doch ich sitze einfach nur da und schaue in die Blumen, in die Kerzen und wieder auf das Bild. Ich rede nicht, ich weine nicht, ich werde auch nicht gelangweilt vom immer gleichen Bild. Ich frage mich während ich in sein Gesicht gucke;

"Hat er eigentlich jetzt wieder schwarze Haare?"

Leider sagte ich dies lauter als ich wollte und bekam die Aufmerksamkeit seiner Eltern.

"Jimin? Was ist das für eine Frage?", antworteten sie leicht empört, da diese Frage in diesem Moment unangebracht war.

Ich schaute durch meine fast völlig schwarzen Haare, nurnoch die Spitzen waren Orange.

„Ich meine ja nur.. unsere Haarfarben haben uns irgendwie verbunden, aber da nun auch meine fast fort ist, gibt es wohl nur die Erinnerung.", redetete ich vor mich hin.

Yoongis Eltern schauten ein bisschen verstört drein, aber ich bemerkte dies gar nicht, da mein Tunnelblick nur auf Yoongi gerichtet war. Nach einigen Minuten standen die ersten auf und gingen. Ich saß immernoch wie ein Baum an meiner Stelle. Die Halle leerte sich mehr und mehr, sogar die fünf Jungs waren schon gegangen. Nurnoch ich und Yoongis Familie saßen in der Halle. Aus Respekt sollte man eigentlich vor den Familienmitgliedern gehen, damit sich diese ordentlich verabschieden konnten. Jedoch wollte ich nicht gehen, nie niemals. Eigentlich müssten es Yoongis Eltern auch verstehen, da sie selbst Vampire sind und wissen wie stark der Bund zwischen Partnern ist, auch wenn sie tot sind. Plötzlich wurde meine Sicht durch eine Anzugjacke gehindert Yoongi weiter in die Augen zu gucken.

„Jimin, wir brauchen unsere Zeit alleine. Klar du bist sozusagen ein Teil unserer Familie aber die Blutfamilie möchte sich gerne noch alleine verabschieden.", versuchte Yoongis Vater ruhig zu erklären ohne selbst zu brechen.

„Ich verstehe.", flüsterte ich in seine Richtung.

Ich richtete mich auf und rutschte immer weiter nach vorne. Ich verankerte meine Füße auf dem Boden und stütze mich am Holz ab. Als ich jedoch meinen Körper anheben wollte, fiel dieser zu Boden und war völlig entkräftet. Ich quälte mich wieder hoch und lief langsame Schritte nach draussen und stütze mich immer wieder an den Lehnen der Bänke ab. Ich wusste das Yoongis Familie wahrscheinlich eine ziemlich erschrockene Reaktion hatte, als ich fiel, aber ich drehte mich nicht mehr um. Als ich draussen war roch ich zum ersten Mal wieder frische Luft nach Stunden. An mir liefen Passanten vorbei und der normale Verkehr nahm seinen Lauf. Für sie war es ein ganz normaler Tag, für andere ein Tag an dem für sie eine Welt zusammengebrochen war. Ich lief los um den nächsten Bus nachhause zu bekommen. Nachhause? An diesen Tatort? Jetzt da ich den Hintergrund zu diesem Szenario wusste, wurde mir nur noch schlechter. Aber irgendwann musste ich eben den normalen Alltag wieder konfrontieren und es musste einfach geputzt werden. Die Uni wartete nicht auf sich und lies mich auch nicht verschnaufen. Ob es überhaupt auffallen würde das Yoongi nicht mehr wiederkommen würde?

Nach zehn Minuten war ich dann wieder vor der Tür der Wohnung. Zögernd drehte ich den Schlüssel im Schloss um. Als ich die Tür öffnete sah ich die Szene so wieder wie ich sie verlassen hatte. Ein Schlachtfeld in der Küche und der Rest war noch wie normal. Ich zog mir erstmal etwas Gemütlicheres an und machte mich dann daran dieses Chaos aufzuräumen. Nach gut einer Stunde war es fast so als wäre nichts geschehen, nur das Yoongi trotzdem nie wieder durch den Eingang oder durch die Wohnzimmer-,Schlaf- oder Küchentür kommen würde. Dieses versuchte ich natürlich so gut es ging zu verblenden und so kam es das ich es tatsächlich schaffte bis ich ins Bett ging mich mit etwas anderem zu beschäftigen. Spätestens als ich dann im Bett lag und von rechts kein wärmender Körper mir entgegen lag, realisierte ich, dass dies die bittere Wahrheit war.

fake innocence ; yoonminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt