Eiszeit

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Lotta:

Als Malte am frühen Morgen gegen halb sechs in die Küche kommt, sitze ich schon längst vor meinem Müsli und kriege keinen Löffel runter. Wir haben uns gestritten. Diesmal so richtig. Dass ich nicht geschlafen habe, ist wohl keine Überraschung. Ich möchte was sagen, doch ich merke, dass er mich ignoriert und halte die Klappe. Also beobachte ich ihn stumm. Malte hat sich wie immer die Haare zum Knoten gebunden und trägt einen Pulli und eine Jeans-Shorts. Ich hab mir eine meiner weiten Leinenhosen und ein T-shirt übergeworfen. Darüber trage meinen Annenmaykantereit Crew-Pullover, weil es trotz den sommerlichen Temperaturen morgens doch noch etwas kalt war. Malte macht sich einen Kaffee und wie ich ein Müsli. Er dreht mir den Rücken zu und schaut aus dem Fenster, als er sein Frühstück isst. Ich möchte aufstehen und zu ihm gehen. Ihn umarmen. Ihm versichern, dass alles wieder gut wird. Hüte dich, Lotta. Ich bleibe sitzen und fische eine Nuss aus meinem Müsli, um daran zu knabbern. Chrissis Tür öffnet sich, Schritte kommen näher. Der Wuschelkopf erscheint in der Tür. "Guten Morgen!" Er schaut zwischen uns hin und her. Malte und ich schweigen beide. "Man.. Hier ist ja die Eiszeit ausgebrochen.." Murmelt Chrissi vor sich hin, während er zum Kühlschrank geht und sich Aufschnitt heraus holt. Er macht sich zwei Toasts und schlingt sie herunter, damit er noch duschen gehen kann, bevor wir los müssen. Malte räumt seine Schale und die Tasse in den Geschirrspüler und geht in sein Zimmer. Kurz darauf kommt er mit seinem kleinen Koffer und seinen Kopfhörern in der Hand wieder. "Ich warte unten." Sagt er nur, zieht sich seine Schuhe an und verschwindet ins Treppenhaus. Die Tür fällt zu. Ich atme aus. Hatte ich die Luft angehalten? "Lotta.. Ihr habt.. euch wieder nicht versöhnt?" Fängt Chrissi vorsichtig an, ich stehe auf und kippe mein Müsli weg. "Was glaubst du denn?" Ich räume die Schüssel in die Maschine und weiß dann nicht, wo ich hinschauen soll. "Oh man.." Seufzt Chrissi, stellt seinen Teller neben meine Müslischüssel. "Ich.. Ich wollte bei ihm.. schlafen.. und.. Malte wollte das nicht und dann.." Meine Stimme bricht, Tränen kullern über meine Wangen. "Dann war ich wieder so ekelhaft, obwohl ich das doch gar nicht möchte.. Und dann hat er mich raus geworfen." Schluchzer schütteln mich. Chrissi umarmt mich, ich schlinge meine Arme um seinen Hals und weine an seiner Schulter. "Es tut mir so leid. Alles, was ich kann, ist ihm weh zu tun. Weil ich verwirrt bin. Total verwirrt, weil.. Chrissi, ich bin in M.." Ich unterbreche mich selbst und wische mir über die Augen. "Ach, egal. Wir müssen gleich los, du.. Du solltest duschen gehen." Ich schließe den Geschirrspüler abrupt und wische die Arbeitsfläche ab. Chrissi steht bedröppelt da. "Ähh, ja. Du hast recht.." Er kratzt sich am Kopf und schaut mich verpeilt an. "Ja." Antworte ich, schiebe ihn aus der Küche. Chrissi verschwindet im Badezimmer. Ich seufze erleichtert. Puuh, fast verplappert. Doch da ist immernoch der Streit mit Malte. Mit hängenden Schultern geh ich in mein Zimmer und hole auch meine Sachen. Ein paar Minuten später verlasse ich mit einem komischen Gefühl im Bauch mit Chrissi die Wohnung. Ich zupfe nervös an meinem Pulli herum. Unten an der Haustür legt er mir eine Hand auf die Schulter. "Hey.. Das wird schon." Lächelt er ermutigend, ich versuche auch ein Lächeln. Es misslingt kläglich.

Malte:

Vier Stunden mit ihr in einem Bus. Großartig. Ich habe es gerade so hingekriegt, die paar Minuten in der Küche nicht mit ihr zu reden. Mich nicht auf Knien bei ihr für den Rauswurf zu entschuldigen. Sie soll auch mal merken, wie es ist, immer wieder weggestoßen zu werden. Als Chrissi und Lotta ihr Gepäck in den Kofferraum gelegt haben und eingestiegen sind, fahre ich uns zum Proberaum. Ein fetter Tourbus steht auf dem Hof. "Wow!" Machen wir alle drei, steigen aus. "Mit dem Ding fahren wir zum Hurricane?" Staunt Chrissi neben mir, auch ich bekomme den Mund gar nicht mehr zu. Mit der Größe hatte ich nun doch nicht gerechnet. "Du nicht, wenn du nicht deinen Koffer holst und einsteigst." Kommentiert Lotta und zieht ihren Koffer hinter sich her. Sie tat, als wäre ich nicht da. Na danke. Wieso überrascht dich das? Du machst doch das Gleiche mit ihr. Ich verfluche dieses elende Gewissen. Schnell holen auch wir unsere Sachen, ich schließe das Auto ab und wir gehen zu den anderen. Henning, seine Freundin Mara, Sevi, Markus, Martin, Ferdi und Carlo haben sich schon am Bus versammelt. Als wir dazu stoßen, begrüßt Lotta gerade die ganze Gruppe mit Umarmungen. Ich kann nichts gegen das Stechen in meiner Brust tun, als sie Sevi umarmt und er sie zum Spaß im Kreis herum wirbelt. Sie lachen und reden irgendwas miteinander. Es ist schön, Lotta endlich mal wieder lachen zu sehen. Aber wieso kann sie das bei ihm und bei mir nicht mehr? Dann sei halt glücklich mit Severin. Ich schüttel den Kopf, um die eifersüchtigen Gedanken loszuwerden und begrüße als erstes Markus, der mich umarmt. "Hey, alles gut bei dir? Chrissi hat erzählt, dass es Stress gibt, bei euch." Fragt er leise, ich zucke mit den Schultern. "Ich komm schon klar. Will mir davon nicht das Festival versauen lassen." Winke ich ab. Schnell gehe ich weiter zu Henning und Mara, bevor er weiter fragen kann. Ich drehe dann meine Runde. Als endlich alle Begrüßungen erledigt sind, steigen wir in den Bus. Vier Stunden, in denen ich Lotta nicht ausweichen kann. Vier Stunden, in denen ich sie fröhlicher erlebe, als in den letzten Wochen. Ich höre ihr Lachen, als sie mit Mara, Henning und Ferdi Karten spielt und muss auch ein bisschen lächeln. Vier Stunden, in denen mir wieder ein bisschen bewusster wird, wie viel mir Lotta bedeutet. Es ist absurd, weil sie mir immer wieder so weh tut. Weil sie meine beste Freundin ist. Weil sie mich so sehr durcheinander bringt.

Aber.. Ich liebe sie. Ich liebe Lotta.

Jeden Morgen - AnnenMayKantereit FanfictionWhere stories live. Discover now