Jeden Morgen

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Malte:

Irgendwas ist anders, seit dem Soundcheck. Lotta sitzt abends nervös neben Mara in einem der Liegestühle vor dem Zelt, sie werfen sich immer wieder verschwörerische Blicke zu. Mara grinst breit, während Lottas Stirn immer wieder Sorgenfalten bekommt. Ich erwische sie ein paar Mal dabei, wie sie durch das Lagerfeuer zu mir schaut. Als sie meinen Blick bemerkt, lächelt sie scheu, ich lächle zurück. Wieso ist sie so nervös? Ich überwinde mich und verlasse meinen Hocker neben Ferdi und Martin, denen ich eben noch dumme Witze erzählt habe. Setze mich neben Lotta auf den Boden. "Hey, du. Alles gut?" Frage ich neugierig, sie nickt hastig. "Alles gut, ja. Und bei dir?" Sie fährt sich durch ihre Lockenmähne und lächelt mich an. Beherrsch dich, Malte. "Ja. Ich möchte am Liebsten jetzt sofort auf die Bühne gehen. Das wird so geil!" Freue ich mich, sie grinst. "Ich könnte niemals da rauf gehen. Da sind so viele Menschen, die einen anglotzen. Wie macht ihr das nur?" "Man gewöhnt sich dran. Klar, ist man nervös. Aber wenn man erstmal oben steht, macht es nur noch Bock." Erkläre ich, sie schüttelt den Kopf. "Könnte ich nicht." "Schisser!" Grinse ich, zwicke ihr in die Seite. Sie lacht auf und schlägt meine Hand weg. Mein Herz schlägt mir plötzlich hart gegen den Brustkorb. Alles beginnt zu kribbeln. Sie lacht. Sie lacht wegen mir. Ich grinse sie breit an, stehe auf. Doch Lotta durchschaut mich und springt auf, bevor ich sie kitzeln kann. Sie rennt weg, versteckt sich kichernd hinter Markus und Carlo, die sich unterhalten. Carlo guckt auf seine Uhr und ich ahne, was das heißt. Showtime. Innerlich fluche ich. Wieso jetzt? Ich habe es gerade so genossen, mit Lotta Quatsch zu machen. "Jungs! In fünfzehn Minuten ist Stagetime. Lasst uns gehen!" Ruft Carlo, und lässt Lottas Versteck auffliegen, als er weggeht, um unsere In ears zu holen. Entsetzt guckt sie mich an, ich grinse teuflisch. "Ich krieg dich schon noch. Wart's nur ab, junges Fräulein." Sie läuft lachend zu Mara zurück. Die beiden sind diesmal dabei, als wir zur Bühne gehen. Aufregung macht sich langsam in mir breit. Henning läuft nervös auf und ab, als wir hinter der Bühne stehen und warten. Chrissi stimmt wieder und wieder seine Gitarre, kontrolliert sie andauernd. Sevi trommelt auf einer Kiste herum und tritt von einem Fuß auf den anderen. Ich stecke mir meine In ears in die Ohren. Lotta hüpft aufgeregt um mich herum. "Viel Glück! Ihr werdet das Ding rocken, wie immer! Vor allem du!" Sie wirft ihre Arme um meinen Hals, ich umarme sie lachend. "Danke, das ist lieb." Ich drücke ihr überschwänglich  einen Kuss auf die Wange. Wieder kribbelt alles in mir. Doch Lotta zuckt zusammen. Mit großen Augen schauen wir uns an. Ups. Ich spüre, dass ich feuerrot werde. Doch sie wird auch rot. Wieso wird sie rot? Hat sie.. Hat sie das auch gefühlt? "Malte, komm! Hallo, Erde an Malte?!" Chrissi zerrt an meinem Shirt, zieht mich die Treppe hoch. Henning und Sevi stehen schon bereit. Verwirrt gehe ich auf meinen Platz und warte, dass es beginnt. Ich drehe mich um, will nach Lotta schauen, doch sie steht nicht mehr da, wo sie eben war. Suchend schaue ich um Sevis Schlagzeug herum, aber sie ist wirklich nicht mehr hinten.

Lotta:

Der Kuss hatte mich überrascht. Aber nicht negativ. Wieso guckte er denn so schuldbewusst? Ich wollte es ihm sagen, doch Chrissi zerrte ihn auf die Bühne. Warte! Ich laufe nach links, an die Seite der Bühne, bei der ganzen Technik. Markus, Andi und Carlo stehen hier auch. "Na, keine gute Sicht von da hinten?" Fragt Markus, ich schüttel den Kopf. "Nicht gut genug." Malte hat mich noch nicht entdeckt. Ich sehe, dass er mich sucht. Guckt sich immer wieder um, in die falsche Richtung. Dreh dich doch mal um, du Ei. Doch dann geht der Vorhang auf und Malte konzentriert sich auf sein Instrument. Chrissi hat mich jedoch gesehen und grinst. Während dem ersten Lied, Marie, schlendert er zu Malte und stößt ihn an, zeigt auf mich. Zu zweit schauen sie herüber. Endlich. Ich grinse breit und winke. Siehst du? Ich bin dir nicht böse wegen dem Kuss. Malte sieht erleichtert aus, er lächelt mich an und spielt dann konzentriert weiter. Ich setze mich auf eine der Kisten und schaue mir das Konzert an. Irgendwann kommt Mara auch zu mir. Wir tanzen ausgelassen und singen mit, sehr zur Belustigung von den Jungs. Malte lacht sich halb kaputt, als ich eine sehr anmutige Pirouette drehe und fast hinfliege.
Und dann stimmen sie das nächste Lied an und ich erstarre. Tränen suchen sich prompt ihren Weg über meine Wangen. Ich schaue Malte an. Er bemerkt meinen Blick und schaut mir in die Augen. Seine Hände hören auf zu spielen, er steht einfach nur da. Die Jungs mustern uns fragend, doch sie spielen weiter. Chrissi ist der Erste, der wissend grinst. Sevi und Henning scheinen es auch zu verstehen. Henning singt die Zeilen und ich erwache aus meiner Starre. Meine Unterlippe zittert, als ich anfange, mit zu singen.

Jeden Morgen klagt mein Magen
Und der Spiegel spricht mich schuldig
Und mein Kopf stellt tausend Fragen
Und wird langsam ungeduldig

Ich will nicht jeden Morgen von neuem
Letzte Nacht bereuen
Ich würd viel lieber jeden Morgen von neuem
Von dir träumen

Wir schauen uns noch immer in die Augen, ich sehe ihn nur noch verschwommen, durch meine Tränen.
Singe schluchzend den Rest des Liedes mit. Malte steht noch immer regungslos da, mit offenem Mund.

Ich will nicht jeden Morgen von neuem
Letzte Nacht bereuen
Ich würd viel lieber jeden Morgen von neuem
Von dir träumen

Ich würd viel lieber von dir träumen

Ich würd viel lieber von dir träumen

Schniefe ich, knete nervös meine Hände. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Malte starrt mich noch immer an und beginnt zu lächeln. Er hat es verstanden. Und er lächelt mich an. Fühlt er genauso? Die wundervollen Schmetterlinge in meinem Bauch wachen auf. Ich lächle zurück. Alles in mir möchte zu ihm, doch dann zögere ich. Zu viele Menschen. "Jetzt geh schon zu ihm!" Drängt Markus und schubst mich sanft. Ich stolpere auf die Bühne und plötzlich starren mich zehntausende Augenpaare an. Ich höre Mara mit Markus schimpfen. Panik kriecht mir in den Nacken. Ich kann das nicht. Nicht hier. Nicht vor all diesen Menschen. Ich drehe mich um und laufe von der Bühne.

Jeden Morgen - AnnenMayKantereit FanfictionWhere stories live. Discover now