Feuer

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Ich trieb Feuersturm nun schon seit Stunden im Galopp über Wiesen, durch Wälder und ließ sie wenn nötig über reißende Flüsse springen. Obwohl kein Gepäck, Sattel oder sonst eine zusätzliche Last der Fuchsstute gelegen kamen, wusste ich, dass sie dieses Tempo nicht mehr lange durchhalten würde.
Und trotzdem hielt ich sie auf Zug, da ich nicht wagte langsamer zu werden oder gar anzuhalten. Die Handlanger von Joffrey waren mir bestimmt dicht auf den Fersen und jede Minute konnte über mein Leben oder den Tod entscheiden.
Vermutlich verfolgte der Bluthund mich schon seit einer Ewigkeit auf seinem schwarzen Schlachtross, das um einiges stärker war, als mein zarter Rotfuchs.
Dennoch war Feuersturm ausgesprochen wendig und leichtfüßig, was uns einen enormen Vorteil im Wald verschaffen würde.

Also verlangsamte ich meine Atmung und löste die Anspannung, welche sich nun schon sein Wochen in mir staute, indem ich einmal tief ausatmete.
Die Stute reagierte auf meine Körpersprache und verfiel augenblicklich in einen sanften Trab. Da im Wald galoppieren sowieso unmöglich, wegen der vielen Äste und Sträucher war, vergaß ich für einen kurzen Augenblick, dass ich verfolgt wurde und das Adrenalin, welches seit der Flucht meinen Körper durchströmte, verklang endlich.
Zurück blieb nichts als ein leichtes Zittern, das meinen Körper durchfuhr.
Ich war mir nicht sicher weshalb. Vielleicht wegen der Kälte, aber auch die Anstrengung, oder die Angst konnten dafür verantwortlich sein.

Gegen Ende des Tages trottete Feuersturm nur mehr vor sich hin, was ich als Zeichen von Müdigkeit auffasste.
Also beschloss ich kurzerhand ein Lager aufzuschlagen.
Dies dauerte nicht besonders lange, da ich nichts mitgenommen hatte, außer mein Pferd und die Kleidung, die ich trug.
Darunter versteckte ich noch einen eleganten und ziemlich kostbaren Dolch.
Nachdem ich Feuersturm bei einer winzigen Lichtung zum Grasen abgestellt hatte, machte ich mich auf die Suche nach einer sauberen Wasserquelle.

Die Furcht von der Garde gefasst zu werden war so groß, dass ich vergessen hatte, wie durstig ich doch war.
Mein Mund fühlte sich an, als wäre er mit Sand, anstatt von Speichel gefüllt. Müde torkelte ich von einen Baum zum anderen und suchte den Stamm nach Moos ab, welches mir nützliche Hinweise liefern könnte.
Endlich entdeckte ich eine kleine Wasserquelle, welche auf den ersten Blick sehr sauber aussah.
Erleichtert ließ ich mich auf die Knie fallen, um mein Gesicht in das klare Wasser zu tauchen.
In diesem Moment hatte ich das Gefühl, noch nie so etwas süßes und wohltuendes getrunken zu haben. Nachdem ich meinen beinahe unstillbaren Durst gelindert hatte, wusch ich mir den Schweiß von der Stirn und den Händen. Die Reflektion des fließenden Wassers bot einen deutlichen Anblick auf mein Gesicht.

Plötzlich fiel mir auf wie furchtbar ich aussah.

Das Haar, welches einst zu einer kunstvollen Frisur hochgesteckt worden war, war nun von Schmutz verkrustet und lose blonde Strähnen fielen mir in die Stirn.
Das Kleid war an Stellen wo ich Äste gestreift hatte zerrissen und meine Haut wies dort kleine Schnittstellen auf. Mein Gesicht machte auch nicht gerade viel her.
Die Augenringe bewiesen den Schlafmangel der letzten Tage, sogar Wochen.
Meine grünen Augen hatten etwas Gehetztes, während über meiner linken Augenbraue eine kleine Narbe zu erkennen war, vermutlich entstand sie, als mich bei meiner Flucht ein Ast am Kopf erwischt hatte.

Seufzend ließ ich meinen Kopf in die Hände sinken, um mich zu sammeln.

Dann pfiff ich dreimal so laut wie möglich durch die Zähne.
Wenige Sekunden später stand eine neugierige Feuersturm vor mir. Schmunzelnd wies ich mit einem Kopfnicken auf die Wasserstelle hin, woraufhin die Fuchsstute gierig ihr Maul in das köstlichen Nass tauchte.

Anschließend suchte ich nach einem hohen Baum mit starken Ästen, um dort zu schlafen.
Ich hatte früher öfters mit meinen beiden besten Freunden Eric und Emma in den Baumkronen geschlafen, wenn wir uns mit unseren Eltern gestritten hatten oder einfach ein Abenteuer erleben wollten. Einmal fiel ich zwei Meter tief von einer Fichte, weil ich mich im Schlaf gedreht hatte.
Seit dem bevorzugte ich ein sicheres Bett.

Allerdings hatte ich dieses Mal keine Wahl.
Die Gefahr entdeckt zu werden war zu hoch und sollte mich der Bluthund trotzdem finden, wenn ich auf einem Baum schliefe, wäre er entweder zu ungelenk oder zu schwer für die Äste. Vermutlich beides.

Hoch oben in den Baumwipfeln fühlte sich die leichteste Windböe wie der stärkste Sturm an.
Zitternd hüllte ich mich in das durchlöcherte Kleid und zog die Knie an die Brust.
Ich hatte auf dem hohen Ahornbaum eine Astgabel mit einer kleinen Einbuchtung entdeckt, in der es sich den Umständen entsprechend gemütlich schlafen ließ.

Und trotzdem schmerzte mir nach einer Weile der Rücken und der Hintern.
Ich schätzte die Uhrzeit auf zwei oder drei Uhr, denn obwohl ich noch vor der endgültigen Finsternis meinen Schlafplatz erspäht hatte, was nicht später als acht Uhr gewesen sein kann, hatte ich seit diesem Zeitpunkt kaum geschlafen.

Ab und zu fielen mir dann doch die Augen zu und ich glitt in einen unruhigen Schlaf.
In meinen Träumen wurde ich entweder verfolgt oder ich sah Vater, wie ihm Joffrey den Kopf abschlagen ließ.
Natürlich war mir selbst in meinen Träumen bewusst, dass Joffrey diese Drecksarbeit niemals selbst erledigen würde.
Der unheimliche Sensenmann war allerdings auch nicht gerade eine schöne Option.

Schlussendlich endete jedoch jeder Traum gleich.
Ich erwachte mit hämmernden Herzen und dann wurde mir bewusst, dass die Träume beide durchwegs wahr sein könnten.
Seufzend lies ich den Blick über die Baumwipfel schweifen und schließlich blieb er an etwas Ungewöhnlichen hängen.

Tanzende Flammen bewegten sich in weiter Entfernung immer weiter in meine Richtung.
Wie ein Blitz fuhr der Gedanke in mich ein.
Das war ein Waldbrand.
Für wenige Sekunden konnte ich mich keinen Millimeter bewegen. Erstarrt verfolgte ich mit weit aufgerissenen Augen das Geschehen. Doch endlich schien sich meine Starre zu lösen und ich wollte mich schon den nächsten Ast hinunterschwingen, um rechtzeitig fliehen zu können.

Aber bevor sich auch nur ein Muskel in mir rührte, schaltete sich plötzlich auch mein Gehirn wieder ein. Augenblicklich wurde mir bewusst, dass ein Waldbrand sich ausbreiten würde.
Doch das Feuer, das ich auf mich zukommen sah, blieb ein kleiner, glühend oranger Fleck in der Ferne. Unverändert und fast unscheinbar. Misstrauisch beugte ich mich nun ein Stück nach vorne, um das Geschehen besser aufzufassen.
Plötzlich wurde mir alles auf einen Schlag bewusst.
Wie eine Welle, brach die Erkenntnis über mir zusammen.

Als ich dann auch die dazugehörigen Menschenstimmen vernahm, wurde meine Vermutung bestätigt.
Eine Lannisterleibgarde suchte mich, Fackel und Schwert in der einen und jeweils anderen Hand.
Mein Magen drohte zu rebellieren, denn ich stand nun vor einem verzwickten Scheideweg.
Sollte ich mich verstecken und am Baum sitzen bleiben?
Doch dann würden sie Feuersturm bemerken und ahnen, dass ich nicht weit sein konnte.
Und sollten sie mich dann gefunden haben, bräuchten sie nur den Baum zu fällen und mich mit ihm. Weglaufen erschien mir als ein besserer Plan, also kletterte ich Stück für Stück langsam hinunter.
Und mit langsam meinte ich sterbenslangsam.

Meine Zitternden Arme und Beine waren ein Grund dafür, der andere, dass es stockdunkel war und ich nicht einmal meine Hand erkennen konnte, wenn ich sie vor mich hielt.
Mühevoll versuchte ich die aufsteigende Panik zu unterdrücken. Ich hatte mich noch nie so verloren gefühlt wie gerade eben.

Mit den Händen und Füßen nach Halt tastend glitt ich den Stamm hinunter. Mein Körper drängte mich schneller voranzukommen, doch mein Verstand gab mir zu verstehen, dass es lebensmüde war, nachts und ohne Licht zwanzig Meter in die Tiefe hinabzusteigen.
Die Stimmen kamen nun immer näher und falls das noch möglich war, fing mein Herz nur noch schneller an zu schlagen.
Auch die schweißbedeckten Handflächen waren keine große Hilfe beim Abstieg.
Alle zwei Sekunden glitt ich mit einer Hand ab und verlor den Halt an der rutschigen Rinde.

Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte ich endlich den festen Boden und hätte vor Erleichterung beinahe geschrien.
Anstatt dessen pfiff ich Feuersturm leise zu mir und tastete nach ihrer Mähne.
Dort hielt ich mich fest und versuchte mich auf ihren Rücken zu schwingen. Dabei stieß sie ein leises Schnauben aus, als ich ihr aus versehen in die Flanke trat.
Entschuldigend strich ich ihr über den starken Hals und fühlte mich mies, dass ich sie so hetzte, aber mein Leben hing immerhin davon ab, wie schnell sie laufen konnte.

Endlich auf dem Rücken angelangt schnalzte ich zwei mal laut mit der Zunge und drückte ihr die Unterschenkel in die Seite. Augenblicklich trabte sie vorsichtig los.
Ich konnte nur auf ihre Sinne vertrauen, um uns hier heil rauszuholen.

Katherine Lannister~Hear Me Roar~GOT(Staffel 1) Donde viven las historias. Descúbrelo ahora