Kapitel 8: Beweise

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„Warum sehen Sie mich die ganze Zeit an?", fragte sie unsicher.
„Stört es Sie?", seine Stimme war wie pures Samt und löste eine Gänsehaut bei ihr aus.
„Es verunsichert mich...", gab sie leise zu.
„Hermine Granger wird von einem Blick des bösen Professors verunsichert?", er zog skeptisch seine Augenbraue nach oben und lächelte wieder süffisant.
Hermine musste ebenfalls schmunzeln, schüttelte leicht den Kopf und stand auf.
„Wo wollen Sie hin?", das Lächeln wich schnell von seinen Lippen.
„Ich sollte langsam nachhause gehen.", sie strich sich die Locken nach hinten, es war alles immer noch so unwirklich.
„Wo wohnen Sie?", fragte er interessiert.
„Professor Snape... seit wann sind Sie so neugierig?", sie lachte.
„Das ist doch nur fair... Sie wissen auch, dass ich in Spinner's End wohne...", legte den Kopf schief und verzog das Gesicht zu einer unschuldigen Miene.
„Im Fuchsbau", sie hob zum Abschied die Hand, schenkte ihm noch ein freundliches Lächeln und disapparierte vor ihm.

Sie kam keine Sekunde später am Fuchsbau an und rannte freudestrahlend in das Haus.
„Harry? Ron? Molly?", sie schrie die Namen der Familienmitglieder umher und hoffte irgendjemand würde reagieren.
„Spätzchen, was ist denn los?", kam es aus der Küche, Molly rannte ihr mit einem Küchentuch entgegen.
„Snape! Snape lebt!", sie hielt atemlos vor der Weasley an und fiel ihr um den Hals, „Er lebt!"
Molly schien sichtlich überfordert, „beruhige dich... Snape lebt? Was redest du da?"
Hermine löste sich von ihr, „ich habe mit ihm geredet! Er kam zu mir. Er lebt!"
„Hermine, Severus Snape ist tot", sagte Molly langsam, ihr Blick war besorgt, so aufgeregt hatte sie Hermine schon lange nicht gesehen.
„Nein, Molly. Warte... er hat mir ein Taschentuch gegeben, es muss in meiner Hose sein...", sie suchte panisch nach dem Taschentuch, sie hatte sich das alles nicht eingebildet.
Er war da, er hatte mit ihr geredet, er hatte sie umarmt und getröstet und er hatte ihr ein Taschentuch gegeben!
Wo ist das Taschentuch? Er lebt... er lebt! Er war da!, ihre innere Stimme brüllte sie an, aber das Taschentuch fand sie trotzdem nicht.
„Er lebt", ihre Stimme war ein Flüstern, „ich bilde mir das nicht ein."
„Du schläfst so wenig Spätzchen... vielleicht hat dir dein Gehirn einen Streich gespielt."
„Er hat mich umarmt, ich hab ihn gerochen und gespürt...", sie schüttelte den Kopf, wollte sich einfach nicht eingestehen, dass es nur Einbildung war.
„Severus hat noch nie jemanden umarmt...", Molly lächelte traurig, tätschelte ihre Schulter, schob sie dann zur Couch und ließ sie sich hinsetzen. Sie kam mit einem süßlich duftenden Tee zurück und drückte ihn Hermine in die Hand.

Sie nahm einen Schluck und verzog das Gesicht, er war nicht zu vergleichen mit der wohlmundigen Mischung von Snape, wieder war er in ihren Gedanken.
Er lebte und davon würde sie sich nicht abbringen lassen. Eine so starke Einbildung konnte sie nicht haben, das war nicht möglich.

„Du siehst aus als hättest du einen Geist gesehen.", stellte George lachend fest als er das Wohnzimmer betrat.
„Hermine meint Severus würde leben.", Molly schüttelte den Kopf.
„Ich meine es nicht, es ist so! Ich hab ihn gesehen!", protestierte sie.
„Du hast ihn gesehen? Wo?", fragte George und setzte sich ebenfalls auf die Couch.
„Im Park. George ich sage die Wahrheit...", sie sah ihn verzweifelt an.
„Keine Sorge, ich glaube dir."
„Wie soll das möglich sein? Er ist vor euren Augen gestorben.", Molly hob die Arme in die Luft.
„Wer ist gestorben?", fragte Ron als er und Harry ebenfalls den Fuchsbau betraten.
„Nein, es ist eben nicht gestorben. Er weiß selbst nicht wer ihn gerettet hat...", erzählte Hermine.
„Worum geht's?", wollte Harry wissen.
„Snape lebt!", Hermine wurde immer lauter, Molly schimpfte vor sich hin, Harry war ganz aufgeregt, Ron sah sie fragend an.
„Wo ist er?", fragte Harry und kniete sich zu Hermine.
„Ich hab ihn im Park getroffen... ich weiß nicht wo er ist... er sagte er würde in Spinner's End wohnen.", Hermine teilte Harrys Freude.
„Wer wohnt in Spinner's End?", Arthur trudelte zum Schluss in den Fuchsbau und sah sich fragend im Wohnzimmer um.
„Severus", gab Molly genervt zurück.
Arthurs Frage war an seinem Gesicht abzulesen, „ich glaube die Häuser in Spinner's End sollen morgen abgerissen werden.", er ging erst gar nicht auf die Behauptung, Severus Snape würde dort leben, ein.

„Was?", hauchte Hermine, „Sie können doch nicht einfach sein Haus abreißen.", sie stellte die Tasse ein wenig zu ungehalten auf den Tisch, der ekelhaft süße Tee schwappte über den Rand und bekleckerte die Tischdecke.
„Hermine, Snape ist tot. Nagini hat ihn mehr als einmal gebissen. Wir haben ihn sterben sehen...", Ron wandte das Wort an sie, „Er kommt nicht mehr zurück. Warum sollten sie ein altes marodes Haus nicht abreißen?"
„Also lüge ich?!", sie hätte von Ron erwartet, dass er ihr den Rücken stärken würde, so wie Harry und George.
„Du bist ein wenig durcheinander...", sagte Ron unfreundlich.
„Achso.", sagte sie langsam und nickte, „Alles klar.", sie stand auf, bahnte sich einen Weg durch die ganzen Weasleys im Haus und lief nach draußen.
„Wo willst du hin?", rief Ron ihr nach.
„WEG!", mit einem Knall disapparierte sie, kam an einer ihr nur allzu gut bekannten Stelle wieder an.

Sie stand vor ihrem Elternhaus in London, ihre Eltern waren immer noch in Australien, hatten immer noch keine Ahnung, dass sie eine hochbegabte Hexe als Tochter hatten.
Sie hatte das Haus damals mit einem Zauber belegt, dass es für Außenstehende wie ein leeres Haus aussah. Sie ging zur Tür, öffnete sie langsam und trat ein.
Es war alles noch genau wie damals, selbst der Geruch war der gleiche. Es tat gut in ihrem Haus zu sein, in ihren vier Wänden, ohne irgendwelche anderen Menschen. Sie ging langsam durch das Haus in den Garten, setzte sich auf den alten Schaukelstuhl auf der überdachten Terrasse, den ihr Vater immer benutzt hatte.
Diese umfassende Ruhe war Balsam, Hermine fühlte sich das erste Mal seit Monaten gut und angekommen.
Der Trubel im Fuchsbau war für eine gewisse Zeit schön, aber sie brauchte einen Rückzugsort, ganz für sich allein und dieser Ort, ihr Haus, war genau das, was sie gebraucht hatte.
Sie lehnte sich an das weiche Rückenteil und schloss die Augen, die Ruhe forderte ihren Tribut, sie schlief schnell ein. Ganz ohne Alpträume wachte sie einige Stunden später wieder auf.
Es war mittlerweile dunkel und kalt geworden, trotz eines Wärmezaubers fror sie, sie zog ihre Strickjacke fester um sich, stand auf und ging zurück in das Haus. Sie entzündete ein Feuer im Kamin, suchte im Schrank nach etwas zu trinken, fand eine Flasche Wein, holte sich ein Glas und ging zurück zum Kamin.
Sie setzte sich auf die Couch, nahm die Decke, die auf der Lehne der Couch lag und wickelte sich den Stoff um ihre Beine. Die Weinflasche stellte sie auf den Boden, nachdem sie sich ein wenig ins Glas geschüttet hatte.
Gedankenversunken nahm sie einen Schluck und starrte in die tanzenden Flammen ihr gegenüber. Die Wärme des Feuers verteilte sich schnell in dem bequemen Wohnzimmer. Hermine seufzte, trank einen weiteren Schluck vom Wein, sie dachte an dieses Durcheinander im Fuchsbau.

Warum waren Molly und Ron so wütend gewesen? Sollte Ron sie als ihr Freund nicht unterstützen? Und was meinte Arthur mit Abreißen? Snape hatte ihr gesagt er würde in Spinner's End wohnen, war das gelogen?

Sie nahm den letzten Schluck, stellte das Glas kraftvoll auf den Tisch und stand auf, sie zog sich ihre Jacke an, die Schuhe hatte sie nicht einmal ausgezogen, verließ das Haus und apparierte nach Spinner's End. Sie brauchte Gewissheit, sie musste sich selbst beweisen, dass sie nicht verrückt würde.
Als sie ankam bot sich ihr ein Bild von Trostlosigkeit, leichter Schneefall hatte eingesetzt und erhellte die ansonsten grau in grau gehaltene Straße mit den Häuser, die alle aussahen, wie das vorherige.
Hermine sah sich um, in diesem Teil Londons schien wirklich nicht mehr viel Leben zu sein, sie konnte sich wirklich vorstellen, dass diese Häuser abgerissen würde, glichen sie doch eh mehr einer Ruine, als einem gemütlichen Wohnhaus.
Sie konzentrierte sich auf ihr Gefühl, wie jede Hexe und Zauberer konnte sie die Magie erspüren, die um sie herum bestand. Diese Häuser strahlten wenig Magie aus, bis auf das letzte Haus der Straße auf der linken Seite.
Ein kleines Licht erhellte das ansonsten dunkle Fenster, des ansonsten dunklen Hauses.
Sie versuchte etwas in dem dreckigen Fenster auszumachen, sah aber nichts. Hermine lief zu der Tür, atmete noch einmal tief ein und aus und klopfte an das Holz.

Einige Sekunden, die sich wie Stunden anfühlten, passierte nichts. Sie fasste sich an die Stirn, strich verzweifelt ihre Locken nach hinten und sah sich genauso verzweifelt um. Sie bemerkte nicht, wie sich die Tür öffnete und der große Mann mit den schwarzen Haaren sich hinter ihr an den Türrahmen lehnte, die Arme vor seiner Brust verschränkte und sie mit einem kleinen Grinsen beobachtete.

Der Duft von Lavendel  Where stories live. Discover now