Es tut mir leid

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Auch in dieser Nacht werde ich von einem lauten Schrei geweckt.

Panisch reiße ich meine Augen auf, werde im gleichen Moment allerdings unsanft auf den Rücken gedrückt. Es dauert ein paar Sekunden bis ich realisiere, dass ich noch auf der Couch liege und auch da wird mir erst klar, dass Harry über mich gebeugt ist und meinen Körper mit aller Kraft auf die Polster drückt.

Seine Augen sind noch geschlossen und wieder liegt dieser hasserfüllte Blick auf seinem sonst so perfekten Gesicht.

„Harry", keuche ich und versuche mich unter seinem Griff zu lösen, doch es ist vergebens. Er ist einfach viel stärker als ich.

„Ich habe dir gesagt du sollst mich nicht anfassen", kommt es knurrend aus seinem Mund und der Griff um meine Handgelenke verstärkt sich. Wimmernd kneife ich meine Augen zusammen. Es tut verdammt weh.

„Harry", versuche ich es erneut, doch mein Flehen macht es nur noch schlimmer.

„NICHT!" brüllt er so laut, dass mir meine Ohren klingeln und im nächsten Moment landet seine flache Hand mit voller Wucht auf meiner Wange. Schmerzerfüllt schreie ich auf, merke wie die Tränen in meine Augen schießen.

Ich bekomme Angst.

Irgendwie muss ich ihn wach bekommen.

„HARRY!"

Doch er reagiert nicht.

Er thront noch immer über mir, das Gesicht noch immer verzerrt und er scheint weit weg zu sein. Weit in der Welt seines Alptraumes.

Als er erneut seine Hand hebt, weiß ich mir nicht weiter zu helfen und hebe ruckartig mein Knie. Es landet in seiner Magenkuhle und ein Schnappen nach Luft zeigt mir, dass ich getroffen habe.

Harry stöhnt und fällt im gleichen Moment vom Sofa.

Langsam richte ich mich auf, bemerke die Tränen, die über meine Wange laufen und ich umfasse mein Handgelenk – es schmerzt höllisch, von meiner Wange ganz abgesehen.

„W-was?", murmelt Harry und öffnen seine Augen. Er stöhnt erneut und hält sich seinen Bauch.

„Uff".

Benommen richtet er sich auf, krümmt sich leicht und sieht dann zu mir. Seine Augen werden groß, als er mich genauer betrachtet, ein Keuchen verlässt seinen Mund, als er sich zu mir beugt und mein Gesicht mit seinen Händen umfasst.

Zischend rücke ich zurück, entziehe mein Gesicht seinen Händen und schüttelte meinen Kopf.

Er soll mich bloß nicht anfassen.

„Louis, was...was ist passiert?", möchte er wissen und seine Augen huschen panisch über mein Gesicht. Ich schniefe, umfasse erneut mein Handgelenk und ignoriere den brennenden Schmerz auf meiner Wange.

„Was ist dir nur passiert?", möchte ich wissen und schüttele traurig meinen Kopf. Irgendetwas muss dieser Mann erlebt haben. Er schlägt doch nicht ohne Grund einfach so auf jemanden ein, noch dazu, wenn er gerade eigentlich schläft.

Harry antwortet nicht, starrt mich einfach nur an, bis ich ein letztes Mal schniefe und meine Tränen langsam weniger werden.

„Was habe ich dir angetan?", möchte mein Chef leise hauchend von mir wissen und kommt erneut näher, doch ich gebe ihn mit meinem Blick zu verstehen, dass er nicht weiter näherkommen soll.

„Louis".

Er klingt verzweifelt, doch darauf kann ich in diesem Moment keine Rücksicht nehmen. Er hat mir eine Ohrfeige verpasst und auch wenn er geschlafen hat, nicht Herr seiner Sinne dabei war – es tut trotzdem weh.

Ob er das mit Liam auch gemacht hat?

Hat Niall das gemeint?

„Louis, bitte".

Er rückt erneut näher und legt seine Hand vorsichtig auf meine schmerzende Wange. Sofort kneife ich meine Augen zu und merke, wie die Haut in meinem Gesicht brennt.

„Ich habe dich geschlagen", stellt mein Chef fest und betrachtet meine Wange genauer.

Sanft, fast schon zart fahren seine Finger über meine erhitzte Haut im Gesicht und ich glaube so etwas wie Schmerz in seinen Augen zu erkennen.

„Ich habe dich geschlagen", flüstert er leise und starrt wie hypnotisiert auf mein Gesicht.

„Ich habe dich geschlagen".

Harrys Stimme bricht und seine Hand fällt leblos auf das Sofa.

„Ich habe dich geschlagen".

Er schüttelt seinen Kopf, rückt von mir weg und zieht seine Knie eng an seinen Körper.

„Ich habe – ich"- er bricht ab und sein Kopf sinkt auf seine angewinkelten Knie.

Stumm beobachte ich meinen Chef, als ein herzzerreißender Laut aus seiner Brust kommt.
Sein Körper erzittert und dann – dann bricht der hübsche Mann vor mir in Tränen aus.

Meine Schmerzen und der Schock sind sofort vergessen und wie ferngesteuert sinke ich vom Sofa zu ihm auf den Fußboden. Ich rutsche zu ihm herüber, schließe meine Arme um den weinenden Mann und drücke ihn fest an mich.
„Harry", hauche ich leise und kämpfe mit den Tränen.
Diese Situation nimmt mich mit und auch wenn ich eigentlich Angst vor ihm haben sollte, habe ich es in diesem Augenblick nicht. Irgendetwas ist ihm passiert und ich kann es nicht beschreiben, aber er tut mir in diesem Moment einfach nur leid.

Stumm sitzen wir in meinem Wohnzimmer auf dem Boden.
Ich weiß nicht wie viel Zeit vergeht, aber als es draußen anfängt zu dämmern, ebben die Tränen von Harry endlich ab.
Sein Körper entspannt sich und als er seinen Blick hebt, zieht sich mein Herz zusammen.
Er sieht schrecklich aus. Wie als wenn er einmal durch die Hölle gegangen ist und zurück.
Wie in Zeitlupe löst er sich aus meinen Armen, hebt langsam seine Hand und legt sie erneut auf meine Wange.

„Es tut mir so leid", flüstert er und ich schließe meine Augen.
Die Wange brennt nicht mehr, lediglich meine Handgelenke schmerzen noch, aber das ist in diesem Moment nebensächlich.

„Es tut mir soso leid".

Sein Gesicht kommt meinem näher, ich kann seinen Atem vor meinen Lippen spüren und ohne das ich meine Augen geöffnet habe kann ich mir seinen Blick vorstellen.

„Soso leid".

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