Tag Null

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Der Tag der ersten Gerichtsverhandlung kommt leider viel zu schnell.
Ich war die letzte Woche so sehr in meiner rosaroten Zuckerwattewelt gefangen, dass ich eigentlich kaum einen Gedanken an den heutigen Tag verschwendet habe. Harry hat mich gekonnt von meinen negativen Gedanken abgelenkt und auch hat er mir dieses schmutzige, beschämende Gefühl weitestgehend genommen. Doch als heute morgen der Wecker klingelt, sind all die negativen Gedanken und das Schamgefühl wieder da.

Ich öffne meine Augen und merke, dass mir übel ist. Mit einem dicken Kloß in meinem Hals stelle ich den Wecker aus und sehe zu Harry, der anscheinend von dem schrillen Weckton nichts mitbekommen hat. Ich lasse ihn noch schlafen, heute Nacht hatte er wieder diesen emotionalen Traum aus dem ich ihn nur schwer wecken konnte. Es ist besser für ihn, wenn er noch ein paar Minuten Erholung bekommt. Dieser emotionale Traum nimmt ihn immer viel mehr mit als der Andere.
Nur schwerfällig stelle ich mich unter die Dusche. Am liebsten würde ich den heutigen Tag im Bett unter der dicken Decke verbringen. Der Gedanke daran in wenigen Stunden Blake zu sehen, sorgt dafür, dass die Übelkeit zunimmt.
Und dann passiert es. Während ich meinen Bart rasiere, übernimmt die Übelkeit die Oberhand und ich erbreche mich in das Waschbecken.
Zitternd halte ich mich am Rand des Beckens fest, atme tief durch und hoffe, dass nicht gleich der nächste Schwall kommt. Als mein Magen sich wieder beruhigt, spritze ich mir kaltes Wasser ins Gesicht und putze mir erneut meine Zähne.
Ich bin den Tränen nahe. Das alles ist mir viel zu viel.
"Louis".
Harry erscheint hinter mir und als ich mich zu ihm umdrehe, zieht er mich in seine Arme. Ich unterdrücke die Tränen, schmiege mich enger an meinen Freund und bin froh, dass ich nicht alleine bin. Er gibt mir Kraft und das, obwohl er doch selbst so viele Dämonen zu bekämpfen hat.
"Geht es wieder?", will er wissen und schiebt mich von sich. Besorgt mustert er mein Gesicht, auf dem sich seit gestern keine Schiene mehr befindet.
Meine Nase ist weitestgehend wieder verheilt und man sieht nur einen kleinen Knubbel, der darauf hindeutet, dass meine Nase mal gebrochen war.
Zögerlich nicke ich.
"Okay, ich mache dir jetzt ein Toast mit Butter und Salz. Irgendwas musst du essen".
Bei dem Gedanken an Essen grummelt mein Magen erneut. Aber er hat Recht. Wer weiß wie lange diese Verhandlung heute dauert. Und mit leeren Magen kann ich dort nicht erscheinen.

Während Harry also in die Küche verschwindet, ziehe ich mir meinen Anzug an, den ich extra für diesen Termin gekauft habe. Am liebsten würde ich in Jogginghose gehen, aber die Anwälte meinten, dass ein Anzug besser ankommen würde. Und wenn die Anwälte das sagen, dann muss ich das machen.
Mit weichen Knieen komme ich wenig später in die Küche. Harry hat nur seine Boxershorts an und stellt einen Teller mit Toast auf den Tisch. Als unsere Blicke sich treffen, würde ich ihn am liebsten gleich wieder zurück ins Bett ziehen.
Wir könnten dort so viel mehr Spaß haben als vor Gericht.
Lächelnd kommt mein Freund auf mich zu, umfasst mein Gesicht und haucht mir einen Kuss auf die Lippen. "Du siehst umwerfend aus, Baby. Den Leuten werden die Augen aus dem Kopf fallen, wenn sie dich sehen".
Eigentlich würde ich mich über dieses Kompliment freuen, aber das kann ich heute nicht.
"Alle im Gerichtssaal werden die Videos sehen. Alle dort werden mich nackt sehen und-", ich breche ab und senke meinen Blick. Die Anwälte haben mich bereits vorgewarnt, dass es Zusammenschnitte des kompletten Materials zu sehen gibt. Und sicherlich werden sie dort nicht nur zeigen, wie ich mir ein Brötchen schmiere.
"Ich bin die ganze Zeit in deiner Nähe. Zayn, Liam, Niall und Gemma auch. Wir sind alle da und unterstützen dich".
Ich nicke und lasse mich von Harry dann auf einen Stuhl schieben. "Und jetzt greif zu", fordert er, deutet auf das Toast und verschwindet dann nach Oben, damit auch er sich anziehen kann.

~~**~~

Betretenes Schweigen herrscht, als wir auf die Anderen treffen.
Sie warten vor dem Gerichtssaal und sehen mich alle mitleidig an. Als wir näher kommen, zieht Zayn mich sofort in seine Arme.
"Du schaffst das, Boo", haucht er leise und ich muss tatsächlich lächeln. So hat er mich Jahre nicht mehr genannt.
"Wir sind für dich da", höre ich Niall und merke, wie mir jemand auf die Schulter klopft.
Nach und Nach kommen die Anwälte dazu und als dann die Tür geöffnet wird, dreht sich mein Magen einmal um und ich kann nur mit Mühe und Not verhindern, dass ich mich hier übergeben muss.
Mein Magen ist für sowas einfach zu empfindlich.
Harry gibt mir noch einen letzten Kuss, ehe er sich in die Reihe direkt hinter mich setzt, gemeinsam mit unseren Freunden. Ich hingegen muss mit den Anwälten an einem separaten Platz sitzen. Blake wird jeden Moment auf der Anklagebank erscheinen. Der Platz, an dem ich morgen sitzen werde.
"Es wird schon alles gut gehen", muntert mich einer der Anwälte auf und nickt zuversichtlich.
Ich hingegen kann nur auf die Tür mir gegenüber starrten, die sich in diesem Moment öffnet und mein ehemaliger Chef mit einem selbstgefälligen Grinsen auf den Lippen im Gerichtssaal erscheint.

Tag Null ist also gekommen.

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