Kapitel 1

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Hermine lag auf dem Sofa in ihrer Londoner Wohnung und starrte an die Decke. Einen feinen Riss im Putz hatte sie erst vor drei Wochen repariert, nachdem sie einen unwahrscheinlich intensiven und realen Traum gehabt hatte. Auch an diesem Tag konnte sie sich beinahe an jedes Wort, das gesprochen worden war, und jedes Gefühl, das sie empfunden hatte, erinnern. Am Abend zuvor hatten Ron und sie damals die Feierlichkeiten zum fünften Jahrestag des Sieges über Voldemort im Ministerium ausgiebig genossen. Es war Alkohol geflossen, und zwar nicht wenig, sie alle hatten geschlemmt, bis ihre Bäuche zum Bersten voll waren, gelacht, getanzt, einfach eine gute Zeit gehabt. Und dann dieser Traum. Wenn es denn wirklich ein Traum gewesen ist. Je mehr Hermine darüber nachdachte, desto mehr glaubte sie, dass es eine Vision oder vielleicht sogar eine Prophezeiung war. Sie hatte niemandem davon erzählt, denn sie wollte ihre Freunde nicht beunruhigen. Außerdem fand sie, dass das alles viel zu privat war, um es auszuplaudern. Immerhin hatte ein Großteil dieses, nun ja, Traums davon gehandelt, dass sie sich in jemanden verliebt hatte, in den sie sich nun wirklich nicht hätte verlieben sollen. Und das führte sie wieder ins Hier und Jetzt. Denn obwohl sie nun wach war und das Leben weitergegangen ist, hatte sie diese Gefühle mit in die Wirklichkeit genommen. Seither war kein Tag vergangen, an dem sie nicht an Lucius Malfoy gedacht hatte. Was verrückt war, denn er war nicht einmal im Land. Die Malfoys waren irgendwo in Südfrankreich - oder doch Paris? - Hermine wusste es nicht, jedenfalls waren sie nicht hier. Sie. Draco, Lucius und, natürlich, Narzissa.

Sie setzte sich schwerfällig auf. Ron und sie hatten sich einmal mehr gestritten. Diesmal war es um ihre Zukunft gegangen. Hermine war Leiterin der Abteilung zur Führung und Aufsicht magischer Geschöpfe und Ron hatte eine Weile Quidditch in einem kleinen Team gespielt, war nach einer Verletzung jedoch nie wieder so sicher auf dem Besen gewesen, wie zuvor und hatte daher angefangen, in Weasleys Zauberhafte Zauberscherze zu arbeiten. Hermine war mit der Situation mehr als unzufrieden. Sie hatte es geschafft, einiges im Ministerium zu ändern und ihrer Meinung nach voranzubringen, doch die Mühlen der Bürokratie mahlten unglaublich langsam und sie hatte das Gefühl, seit Monaten auf der Stelle zu treten. Sie sehnte sich nach einer Veränderung und hatte sich daher sehr gefreut, als ein Angebot aus Hogwarts ankam. Mehrere Stellen waren zu haben und Minerva McGonagall hatte an Hermine gedacht und ihr die Fächer Alte Runen, Arithmantik, Muggelkunde und Zauberkunst angeboten. Natürlich sollte sie nur eines davon übernehmen, sie konnte sich jedoch alles gut vorstellen. Ron hatte sich darüber lustig gemacht und hatte ihre Überlegungen nicht ernst genommen. Was absolut typisch für ihn war. Er machte sich nie Gedanken darüber, was sie vielleicht wollte, sondern nahm an, dass einfach alles so blieb, wie es war. Bequem und ruhig. Als Hermine ihm sagte, dass sie ernsthaft darüber nachdachte, und wenn sie ehrlich war, nicht nur das, sondern konkret vorhatte, eines der Fächer zu unterrichten, versuchte er es ihr auszureden. Er wollte lieber früher als später eine Familie gründen und dazu passte es seiner Meinung nach nicht, dass sie sich das Jahr über immer wieder oder sogar ganz in Hogwarts aufhielt. Was folgte war ein böser Streit, bei dem sie sich gegenseitig alles an den Kopf warfen, was sie jemals am anderen geärgert hatte. Und das war einiges. Am Ende hatte Ron gebrüllt, Hermine solle machen, was sie wolle, er habe genug von ihr und es sei aus zwischen ihnen. Er hatte seine Sachen gepackt und war gegangen. Zurückgelassen hatte er eine verwüstete Wohnung und eine mehr als nachdenkliche Hermine. Es war zwar nicht ungewöhnlich, dass sie sich stritten, doch so extrem war es noch nie gewesen und wenn sie sich so umsah, war der erste Teil ihres Traums wahr geworden.

Sie stand seufzend auf und brachte alles mit einem Schwenk ihres Zauberstabes wieder in Ordnung. Nachdem sie einen kurzen Kontrollblick in den Spiegel geworfen hatte, nahm sie ihre Tasche, trat aus ihrer Wohnung und apparierte in die Winkelgasse. Ein bisschen frische Luft würde ihr gut tun. Es war ein sonniger Sonntagnachmittag und viele Zauberer und Hexen hatten die gleiche Idee gehabt und verbrachten den Tag damit, durch die Gassen zu schlendern, Eis zu essen und das Leben zu genießen. Die Sommerferien hatten gerade begonnen und viele Jugendliche nutzten ihre freie Zeit, um sich mit Freunden zu treffen und Pläne zu schmieden. Wenn sie am 1. September wieder in die Schule zurückkehrten, würden sie Hermine als Lehrerin haben. Soviel stand für sie fest. Doch was sollte sie unterrichten? Zauberkunst war ein Fach, das alle lernen mussten, daher empfand Hermine es als das wichtigste. Für die Nebenfächer gab es jedoch vermutlich nicht so viele geeignete Lehrkräfte. Sie war eine Weile herumgewandert und ihre Füße hatten sie fast wie ferngesteuert zu Flourish & Blotts gebracht, dem Buchladen der Winkelgasse. Ein wenig Lektüre über die verschiedenen Fächer würde ihr bei ihrer Entscheidung sicher helfen. Die Glocke über der Tür klingelte, als Hermine eintrat und sofort kam ein beflissener Verkäufer auf sie zu geeilt, der fragte, ob er ihr helfen könne.

Lumine II - WolfsbrutDonde viven las historias. Descúbrelo ahora