5. "Freut mich Sie... zu sehen"

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Ein Windzug kam mir beim Eintreten entgegen und die Erklärung dafür wurde mir gleich geliefert.

Ein großes der vielen aneinandergereihten bodentiefen Fenster stand offen. Natürlich konnte man auf das atemberaubende Stadtpanoroma schauen. Wer würde sich ein gigantisches Hochhaus bauen und dann keine bodentiefe Fenster einlassen?

Allerdings war der Ausblick nicht nur das, was mir kurzzeitig den Atem raubte.

Ungläubig kniff ich die Augen zusammen, als ich aufeinmal das gleiche Rückenprofil vor Augen hatte wie noch vor ein paar Minuten. Der gleiche Rücken des Mannes, der den Aufzug vor mir ein paar Etagen tiefer verlassen hatte.

Wie zum Henker hatte er es in der gleichen Zeit hier in das Büro geschafft? Gab es hier versteckte Geheimgänge für die Firmenleitung oder wie?

Wie in Zeitlupe wandte sich der Mann von dem Fenster ab und konzentrierte sich interessiert auf mich. "Herzlich Willkommen, Mrs Parker." In langen Schritten kam er auf mich zugelaufen, weil ich mich noch immer nicht vom Fleck gerührt hatte.

Ich hatte das Gefühl, mich hatte der Blitz getroffen.

Erst zweifelte ich an meiner Wahrnehmung, aber dann glaubte ich meinen Augen nach und nach doch, so komisch es mir auch vorkam.

Dieser Mann dort vor mir... der sah fast genauso aus wie der, der mich darum gebeten hatte, Dodgie am Freitagabend wegzufahren.

Wie... wie ist das möglich?

Begann ich jetzt zusätzlich zu meiner Geruchssinnstörung auch noch zu halluzinieren?

Verblüfft musterte ich seine Haare. Sie waren glatter und doch wiesen sie dieses glänzende Kastanienbraun genauso auf. Selbst die kantigen Gesichtszüge stimmten fast überein - auch wenn es hier und da ein paar Unterschiede gab. Manche Züge wirkten etwas weicher und auch das Kinn war nicht ganz so markant wie das von dem eigentlichen Original von Freitagabend. Auch die Augen tendierten mehr zu grau und hatten nicht diesen hellen Ring um die Pupille.

Dennoch... das war schon gruselig, die Statur und das Gesamtbild waren fast genau identisch.

Das war so gruselig, dass ich irgendwie etwas Schlimmes ahnte.

"Emre Laynce", er reichte mir die Hand, weswegen ich sie wie bei der Empfangsdame vorhin ergriff. "Freut mich Sie kennzulernen. Setzen Sie sich doch." Selbst seine Stimme war ziemlich tief, aber klang weicher.

Stand vor mir die softere und freundlichere Version des mitternachtsblauen Sportwagenfahrers?

Wieder entgegnete ich den höflichen Standardsatz. "Dankeschön, freut mich ebenfalls." Er streckte eine Hand aus und deutete auf den großen Schreibtisch mit den drei Stühlen.

Zwei standen hinter dem dunklen Holztisch, einer davor.

Während er mir den Vortritt ließ, durchdrang mein schlechtes Gefühl den Schock, der sich erst wie ein dicker Wintermantel um mich gelegt hatte.

Ich ahnte immer mehr Schlimmes.

Und mein Verdacht wurde kurzerhand bestätigt, als hinter uns die Tür geöffnet wurde und noch jemand das Büro betrat.

"Nein, wir werden auf dieses Angebot nicht eingehen. Und nein, wir haben kein Interesse an Ihren anderen läppischen Angeboten. Rufen Sie uns erst wieder an, wenn sie auch etwas vorzuweisen haben - oder wenn Sie ihr Unternehmen verkaufen wollen."

Ach.

Du.

Schande.

Das war die Originalstimme.

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