17. "Wie meinst du das"

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Es war mittlerweile schon mein viertes Glas - und ja, ich wusste, das war ganz und gar nicht gut. Um mich von meinem meckernden Verstand abzulenken, stellte ich mein Glas wieder ab und schaute lieber herüber zu Raye.

Gelassen saß er mir gegenüber auf seinem Stuhl. Die eine Hand spielte beiläufig mit den Rändern einer weinroten Serviette, die andere Hand stützte sein Kinn, das er erneut auf ihr abgelegt hatte. Seine wachen schimmernden Augen betrachteten mich schon seit einer Weile immer verstärkter mit diesem undeutbaren Ausdruck, den ich schon so oft für wenige Sekunden in der Firma bemerkt hatte.

Mein Herz begann immer mehr zu rasen und ich spürte schon, wie sich meine Wangen von dem Alkohol langsam erwärmten.

"Ich glaube, wenn wir aufstehen, falle ich bestimmt schon nach dem ersten Schritt hin", schoss es einfach so unüberlegt aus mir heraus.

Ein weiterer nerviger Nebeneffekt, wenn ich Alkohol konsumierte.

Ich redete ohne zu überlegen und ich hatte jetzt schon Angst davor, dass ich ihm bald gestehen werde, wie schön doch seine Augen sind. Und wie bezaubernd sein Lächeln. Und wie hypnotisierend diese angenehme Art...

"Glaub mir, das wird nicht passieren", und schon schenkte er mir dieses Lächeln, an das ich gerade eben noch gedacht hatte.

Ich lehnte mich leise lachend zurück und streckte mich etwas. "Du bist dir da ja sehr sicher."

Das ließ er zu meiner Überraschung bis auf ein gerissenes Schmunzeln unkommentiert, stattdessen streckte er nun auch seine Beine aus.

Ein Zeichen, dass wir hier wohl schon länger saßen, als wir es ursprünglich vorgehabt hatten. Wie von selbst wanderten meine Augen zu meiner Armbanduhr am rechten Handgelenk. Ohja. es war schon ziemlich spät für einen ausgelassenen Abend in der Woche.

Ziemlich spät.

"Als ob es schon halb zwölf ist", hörte ich ihn murmeln. Anscheinend hatte er meinen Blick bemerkt und ebenfalls auf seine Uhr geschaut. "Das heißt wohl, dass wir deine Beine auf die Probe stellen sollten."

Ich schob das Glas von mir weg und sah viel zu dusselig lächelnd zu ihm hoch. "Ich glaube auch." Wir bezahlten - oder besser gesagt, Raye bezahlte, denn er verbot es mir auch nur ansatzweise nach meinem Geld zu greifen. Das Aufstehen fiel mir erstaunlicherweise leichter als gedacht und als ich nach meinem Mantel greifen wollte, kam er mir überraschend zuvor.

Mit nun wirklich heißen Wangen ließ ich ihn mir beim Anziehen helfen. Mein Puls hatte sich schlagartig erhöht, als seine großen Hände auf meinen Schultern etwas länger verweilten als nötig. Die Wärme seiner rauen Fingerkuppen brannte sich regelrecht in meine Haut, bevor er sie wegzog.

Dann trat er von mir weg und überreichte mir die Handtasche, als wären diese kleinen winzigen und höflichen Gesten zwischen uns selbstverständlich.

Nervös schluckte ich, als ich sie ihm abnahm. "Ich nehme an, du bist auch nicht mit deinem Auto hier?"

Er schaute lächelnd zu mir herunter, während wir uns dem Ausgang des Restaurants näherten. "Nein, aber von hier aus ist es nicht weit bis zu meinem Appartement."

"Ah okay", nickte ich es ab. Er hielt mir die Tür auf und wenigstens hatte sich die Luft draußen etwas abgekühlt, sodass ich mich schon gleich etwas besser fühlte.

Nach ein paar Schritten suchte ich mit gerunzelter Stirn in meiner Handtasche nach meinem Portmonnaie.

"Was suchst du?", hörte ich ihn leise fragen, seine sanfte Stimme war um einiges dichter als sonst.

Ich schwor mir nicht aufzuschauen, sondern weiter zu kramen. "Mein Portmonnaie. Ich muss schauen, ob ich genug Geld für ein Taxi habe. Mein Haus steht hier leider nicht an der nächsten Ecke", antwortete ich und blickte dann doch lächelnd zu ihm auf, als ich mein Portmonnaie in einer Hand hielt.

SecretWhere stories live. Discover now