11. "Ich denke schon"

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"Miss Parker, da sind Sie ja endlich."

Etwas verwirrt von dem freundlichen Lächeln meiner Abteilungsleiterin setzte ich zu einer Entschuldigung an. "Bitte entschuldigen Sie meine Verspätung, aber-"

"Aber Sie mussten noch etwas mit Mr Laynce bezüglich eines eventuellen Leasingvertrages bereden. Ich weiß, ich weiß. Machen Sie sich nicht so verrückt, man hat mir bereits gemeldet, dass Sie es heute nicht rechtzeitig schaffen", beruhigte sie mich, dann bog sie mir zuzwinkernd in den nächsten Gang ab.

Verblüfft blieb ich kurz stehen.

Hatte er mich jetzt auch noch in den Schutz genommen?

Mein Herz hüpfte vor Begeisterung auf und ab, während mir das Engelchen auf meiner Schulter sitzend predigte, mich nicht so sehr darüber zu freuen und dort erst recht nichts hereinzuinterpretieren.

Mit gemischten Gefühlen setzte ich meinen Weg in mein Büro fort, in dem Lola schon an ihrem Schreibtisch saß und offentsichtlich Dokumente sortierte. Als ich eintrat, sah sie sofort strahlend zu mir auf.

"Hiii, da bist du ja endlich. Hat dich der Regen auch so überrascht wie mich?"

Und wie der Regen mich überrascht hatte, das konnte sie sich nichtmal im Entferntesten vorstellen.

Gewissenhaft hing ich die dunkelblaue Jacke mit der Außenseite über den Stuhl, sodass man nichtmal die Chance bekam, einen Blick auf das Namenschild werfen zu können. "Ja, ziemlich. Aber zum Glück bin ich nicht so sehr nass geworden wie gedacht."

Das war ja dicht an der Wahrheit dran.

"Mrs Jake hatte mir zum Glück Bescheid gesagt, dass du etwas später zur Arbeit kommst. Sonst hätte ich dich wahrscheinlich schon ein paar Mal angerufen, normalerweise hasst man hier Unpünktlichkeit und ich wollte dich vor einem Donnerwetter warnen", verriet sie mir und nippte einmal an ihrer Kaffeetasse.

Oh, Kaffee.

Den hatte ich heute in dem ganzen Stress erfolgreich vergessen.

"Ja, das habe ich mir schon gedacht...", sagte ich gedankenverloren mit dem Blick auf die Tasse gerichtet.

Lola hielt mir spendabel eine Kekstüte hin, aus der ich mir einen nahm. "Ja, aber du brauchst dir darüber keine Sorgen zu machen, da du ja extra abgemeldet wurdest. Mrs Jake hätte sonst bestimmt schon vor dem Fahrstuhl auf deine Ankunft gewartet und dir eine Ansage gemacht. Sie mag ja ziemlich nett sein, aber sowas hasst sie", kicherte Lola und krümelte fast ihren ganzen Arbeitsplatz bei dem Umherfuchteln mit ihrem Keks voll.

"Na dann", ich lächelte sie zaghaft an und setzte mich gleich auf meinen Platz, weil ich irgendwie Angst hatte, dass ein Schritt zu dicht in ihrer Nähe weitere Fragen aufwerfen würde.

Warum ich zum Beispiel so sehr nach einem Männerparfüm rieche. Denn ich hatte das Gefühl, nicht nur die Innenausstattung von seinem Wagen hatte in der Flüssigkeit gebadet, ich hatte es nun auch. Und wenn die Jacke jetzt die ganze Zeit hinter mir über die Lehne hing, dann würde ich den Geruch den ganzen Tag nicht loswerden.

Es war eine Verhöhnung der ganz anderen Art.

Ich kann ihn riechen, ich darf seine Sachen um mich haben - aber ihn durfte ich niemals haben.

Der Engel schnipste mir vorwurfsvoll gegen die Stirn, dass ich mich endlich auf meine Arbeit konzentrieren und mich nicht wieder in Erinnerungen über ihn hoffnungslos verlieren soll.

Der Tag verging erstaunlicherweise genauso schnell wie der andere auch. Allerdings hatte ich eine Sache nicht ganz bedacht.

Die U-Bahnverbindung ist an sich ist kein Problem, die fuhren alle fünf Minuten. Aber ich hätte mich schon mindestens vor zwei Stunden über eine Busverbindung zu meinem Viertel informieren sollen.

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