Stufenparty

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                           Juliette Streich

Hatte ich nicht noch neulich darüber nachgedacht, wie toll es eigentlich war, Anna gezwungenermaßen zu sehen?
Meine neuste Erkenntnis widerlegte diese Aussage.
Es war verdammt scheiße sie vor einem zu sehen und trotzdem keine Chance zu haben, richtig mit ihr zu interagieren.

Am Mittwoch in der Deutschstunde wünschte ich mir nichts sehnlicher, als aus diesem Raum mit der Lehrerin zu entfliehen, mit der ich gestern noch in einem Auto gesessen hatte. Ich musste mich dennoch beteiligen und melden, was die ganze Situation noch komischer machte, denn so redete ich ja quasi mit ihr. Dieses Mal war ich mit die Erste, die, als das Klingeln das Ende der Stunde verkündete, aus dem Raum auf den Schulhof flüchtete.

„Was ist denn los?", fragte Sofia, die keuchend hinter mir auftauchte, „Was sprintest du denn so weg?"

„Ach, erzähle ich später", winkte ich ab und setzte mich auf unseren Stammplatz. Eine Bank unter einem Baum, am Rande des Schulhofes.

„Frau Lilienthal?", Sofia setzte sich neben mich.

„Die hat einfach nicht vernünftig mit mir geredet. Lehrerin, man, als ob ich das alles noch nicht wüsste!"

„Aber so ist es ja auch ...", sagte Sofia.

„Trotzdem wäre es schön, ein bisschen mehr von ihr zu diesem Thema zu hören. Wie wäre es vielleicht mit ihren Gefühlen der Situation oder mir gegenüber ...?", schnaubte ich und schüttelte den Kopf, „Egal, ich will davon gerade nichts mehr hören."

Sofia nickte nur und begrüßte dann Paula, die ebenfalls zu uns stieß.

„Tom hat mich gerade noch aufgehalten. Die Jungs wollen bei einem von sich eine Hausparty in den Ferien schmeißen", erklärte diese und setzte sich ebenfalls zu uns auf die Bank.

„Dann habe ich ja doch noch was anders vor, als Lernen", murmelte Sofia.

„Was ist mit dir, Juli? Auch dabei?", fragte Paula mich.

„Mhm, warum nicht ..."

Und so redeten wir drei noch einige Zeit über unsere, exakt selben, Ferienpläne, bis das Klingeln der Schulglocke weitere vier Stunden verkündete. Missmutig machten wir uns auf den Weg ins Gebäude.
Ich konnte mich nicht davon abhalten, meinen Blick zu den Fenstern des Lehrerzimmers im Erdgeschoss wandern zu lassen. Dann trennten Paula, Sofia und ich uns im Foyer.

„Viel Spaß in Mathe, Juli!", grinste Sofia und verschwand auf der Treppe.

Stöhnend fragte ich mich mal wieder, womit ich all das im Leben verdient hatte. Sofia hatte recht, jetzt hatte ich Mathe und obwohl es kein Leistungskurs war, war es trotzdem schwer und ich hasste es.

„Lächeln, Juli!", ertönte es hinter mir und für einen Moment hatte ich den irrsinnigen Wunsch, dass es Anna war.
Aber natürlich war sie es nicht, sondern meine Französischlehrerin Frau Hof.

„Mhm", brummte ich und ging weiter.

„Na hör mal! Das Leben ist doch toll, bald sind die Herbstferien ...", trällerte meine Lehrerin weiter, die immer gut gelaunt war.

Egal welcher Tag, welche Uhrzeit, welche Umstände. Wenn Sie nur wüssten, dachte ich und warf ihr ein absichtlich übertriebenes Lächeln zu.

„Ach, Juliette ... Den Tag, an dem du mal die Ironie aus deiner Kommunikation raushältst, werde ich wohl nicht mehr erleben", lachte sie.

„Ich auch nicht, Frau Hof, ich auch nicht ...", antwortete ich, dieses Mal leicht grinsend.

„Ha, da ist dein wunderschönes Lächeln!", rief Frau Hof und berührte mich leicht am Arm, „Jetzt aber ab in den Unterricht."

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