Forgiveness

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Ich umklammerte die Kiste so fest, dass meine Knöchel weiß hervortraten. Ungeschickt stolperte ich aus dem Kamin in Professor McGonagalls Büro. Meine Knie fühlten sich an wie Wackelpudding. Erst jetzt wo das Adrenalin langsam nachließ wurde mir bewusst, was eigentlich alles passiert war.
,,Sie sind früh zurück" begrüßte meine Hauslehrerin mich. Dann bemerkte sie meinen Gesichtsausdruck und musterte mich mit hochgezogenen Augenbrauen. ,,Geht es Ihnen gut Miss Lestrange?"
,,Ich - ich glaube es ist nicht mehr sicher für mich zu meinen Eltern zu fahren" murmelte ich wahrheitsgemäß. Ich war so neben der Spur, dass mir einfach keine Ausreden mehr einfallen wollten. Meine Lehrerin setzte zu einer Antwort an, aber in diesem Moment stolperte Sirius hinter mir aus dem Kamin. Er warf mir einen kurzen Blick zu, ehe er Professor McGonagall zunickte.
,,Ich mach mich mal auf den Weg. Danke für den Kamin Professor" grinste er etwas gezwungen und ließ mich dann einfach mitten im Büro stehen. Ich hatte gehofft wir würden endlich miteinander reden können, aber Sirius schien das anders zu sehen. Seufzend sah ich ihm nach, bis mir wieder Professor McGonagall einfiel, die mich nachwievor anstarrte.
,,Sie müssen mir das ein wenig deutlicher erklären fürchte ich" sagte sie schließlich und deutete auf den Stuhl der ihrem Schreibtisch gegenüber stand. Ich setzte mich nicht.
,,Sie erinnern sich an meinen Cousin Rodolphus? Ich glaube nicht, dass er der einzige Todesser in meiner Familie ist" sagte ich schließlich. Einen Moment lang starrte sie mich unverwand an, dann seufzte sie.
,,Ich vermute, dass Sie damit leider recht haben" sie nickte bedacht. ,,Nach der Sache mit Ihrem Cousin hat Dumbledore uns gebeten verstärkt ein Auge auf die Schülerschaft zu haben. In Hogwarts ist kein Platz für Todesser. Aber was wir im letzten Jahr gesehen haben, nun ja, es besorgt mich doch sehr."
,,Glauben Sie Voldemort wird bald gefasst werden?" fragte ich nervös. Das hatte ich mich schon längere Zeit gefragt. Wenn es den Auroren gelingen würde Voldemort zu fassen, würde sich die Lage vielleicht wieder beruhigen. Aber bisher gab es keine Spur von dem Mann der hinter alldem steckte.
,,Ich glaube, dass er lange Zeit unterschätzt wurde. Ich glaube, dass mehr auf uns zu kommt, als wir und vielleicht momentan vorstellen können. Aber darüber sollten Sie sich jetzt keine Sorgen machen Miss Lestrange" sie lächelte kurz und sah mich dann streng an. ,,Sie sind eine überaus talentierte Schülerin, aber das ganze Jahr schon waren Sie abgelenkt. Hogwarts ist ein sicherer Ort. Ich würde Ihnen empfehlen sich auf Ihre UTZ Prüfungen zu konzentrieren und sich dann um die Welt da draußen zu sorgen, wenn Sie wirklich ein Teil davon werden."
Ich nickte kurz. ,,Danke Professor."

Als ich zurück in den Gemeinschaftsraum kam, saß Sirius auf einen der Sofas und las ein Buch. James lag quer in einem Sessel und studierte die Karte der Rumtreiber, während Peter und Remus auf dem Teppich saßen und Hausaufgaben machten. Es war ein so vertrautes Bild, dass es beinahe weh tat. Ich wollte mich einfach nur dazu setzen und endlich wieder mit Sirius sprechen. Es wurde wirklich Zeit, dass wir das klärten. Ich gab mir einen Ruck. Schnell huschte ich die Wendeltreppe hoch in den Schlafsaal und verstaute die Kiste, ordentlich in meinem leeren Koffer, den ich wieder unter mein Bett schob. Dann ging ich zurück in den Gemeinschaftsraum. Ich atmete ein Mal tief durch und ging zu den Rumtreibern herüber.
,,Hey" ich biss mir verlegen auf die Lippe. ,,Ähm hast du kurz Zeit?"
,,Was ist denn?" fragte er ohne von seinem Buch aufzusehen. Ich spürte einen Stich in meinem Herzen. Ich hätte ihn wirklich gebraucht, an diesem Tag. Und ich hatte geglaubt, dass er, wenn ich jetzt einen Schritt auf ihn zuging, auch mir entgegen kommen würde. Aber da hatte ich mich offensichtlich geirrt.
,,Nicht so wichtig" murmelte ich und machte mich dann schnell auf den Weg zurück durchs Portraitloch. Ich wollte nicht vor ihm anfangen zu heulen, dafür war ich zu stolz, aber mir war klar, dass es nicht mehr lange dauern würde bis die Tränen kamen. Dieser Tag war einfach beschissen.
,,Warte!"
Ich war schon auf dem Weg zurück zur Eingangshalle, als ich Schritte hinter mir auf der Treppe hörte und keine Minute später stand Sirius neben mir.  Wortlos drückte er mir einen seiner dicken Kapuzenpullis in die Hand.  Als er meinen verwirrten Blick bemerkte fuhr er sich nervös durch die Haare und meinte dann: ,,Lass uns eine Runde um den See laufen okay?"
Ich nickte und folgte ihm wortlos. Keiner von uns sagte ein Wort, bis wir das Eingangsportal erreicht hatten. Erst als uns der kalte Wind entgegen fegte seufzte Sirius.
„Wie geht es dir?"
„Gut" erwiderte ich achselzuckend. Um ehrlich zu sein, wusste ich das selbst nicht. Sirius warf mir einen kurzen Seitenblick zu und schnaubte dann.
,,Das war so ein scheiß Tag heute."
Ich lachte kurz auf und spürte im selben Moment, wie mir die Tränen in die Augen stiegen.  Auf einmal fühlte sich alles so absolut beschissen an. Eine Katastrophe jagte die nächste und ich hatte keine Ahnung wie das hier alles enden sollte. Ich wusste einfach nicht wie viel ich noch aushalten konnte, bevor ich unter dem Haufen Schutt, der mein Leben momentan war, zusammenbrechen würde.
,,Silv?"
Sirius Stimme riss mich aus den Gedanken und ich realisierte erst jetzt, dass ich stehen geblieben war.
,,Bist du okay?"
Ich konnte nur den Kopf schütteln. Ich war mir sicher, wenn ich jetzt den Mund öffnen würde, würde ich anfangen zu heulen. Der Klos in meinem Hals war auf einmal so groß, dass es wehtat. Er schnürte mir die Luft ab und ich hatte das Gefühl keinen Schritt mehr machen zu können. Es würde nie aufhören!
,,Hey" ich spürte eine Hand auf meiner Schulter und zwang mich dazu tief einzuatmen, auch wenn es sich mehr nach einem Asthmapatienten als nach mir anhörte. Dann schlossen sich zwei Arme um mich und ich wurde gegen einen warmen Körper gezogen.
Ich hatte nicht realisiert, wie sehr ich mir in den letzten Tagen gewünscht hatte, jemand würde mich einfach in den Arm nehmen. Erst als Sirius es tatsächlich tat, wurde mir klar, wie sehr ich das hier gebraucht hatte.
,,Besser?" fragte Sirius nach einer Weile, ohne mich loszulassen. Ich nickte nur gegen seine Brust.
,,Lass uns ein Stück laufen."
Nur widerwillig ließ ich ihn los, damit wir weiterlaufen konnten.  Aber schon nach ein paar Schritten griff Sirius nach meiner Hand und verschränkte unsere Finger ineinander.
,,Es tut mir leid" murmelte ich, als wir eine Weile gegangen waren. ,,Ich hätte einfach ehrlich zu dir sein sollen. Ich habe dich nicht verdient. Das weiß ich, aber ich versteh es doch selber alles nicht."
,,Ja hättest du. Vor allem nach dem wir das genau selbe Gespräch letztes Jahr hatten. Aber lass uns einfach nicht mehr drüber sprechen okay? Es ist doch irgendwie egal oder?"
,,Ganz ehrlich? Mir ist heute so ziemlich alles egal" seufzte ich. Sirius sagte nichts. Was gut war, denn es gab nichts was er hätte sagen können, um dieses Gefühl besser zu machen. Schweigend setzten wir unsere Runde um den See fort.

Wir schweigen beide, bis wir wieder vor dem Portraitloch standen. Ich war noch nicht bereit zurück in den Gemeinschaftsraum zu gehen. Ich konnte nicht zurück zu den anderen, die alle lachten und Spaß hatten. Es fühlte sich falsch an. Sirius schien mein Zögern zu spüren.
,,Danke für - du weißt schon" verlegen lehnte ich mich gegen das Treppengeländer.
,,Das wird alles wieder. Vielleicht nicht so wie vorher aber du wirst okay sein, versprochen" erwiderte er leise. Seine Finger streiften kurz meine Wange und ich schloss die Augen.
,,Ja, bestimmt."
Ich glaubte es nicht und er wusste es genau so gut wie ich.
,,Silvi" ich spürte seine Finger unter meinem Kinn und öffnete die Augen. Sirius sah mich direkt an. ,,Ich weiß, dass du das nicht immer sehen kannst, aber es gibt noch so viel, das in der Zukunft auf dich wartet. Auf uns wartet. So viel Gutes."
,,Ich hab manchmal das Gefühl, dass ich so kaputt bin Sirius" ich wollte nicht weinen, aber meine Stimme brach beinahe als ich den Mund aufmachte. ,,Die letzten Jahre waren so anstrengend und ich bin so kaputt und ich mach alles um mich herum kaputt."
Sirius schüttelte den Kopf und grinste leicht.
„Du müsstest dir schon sehr viel mehr Mühe geben wenn du mich kaputt machen willst."
Er schloss die letzte Distanz zwischen uns und lehnte seine Stirn gegen meine. So nahe waren wir uns seit Wochen nicht gewesen. Es fühlte sich so gut an, aber es tat auch so weh.
„Es tut mir so leid" flüsterte ich.
„Mir auch."
Er küsste mich kurz und umfasste dann wieder mein Gesicht.
,,Das heute auf der Beerdigung - ich glaub das wird alles noch schlimm genug. Ich will nicht auch noch mit dir streiten okay?"
Ich nickte leicht und er ließ mich los. Schniefend ließ ich mich auf die oberste Treppenstufe sinken und wartete bis er neben mir saß.
,,Das war heftig heute" es überraschte mich, dass Sirius davon sprach, aber ich unterbrach ihn nicht. ,,Jedes Mal wenn ich meine Mutter sehe - sie widern mich so an. Aber sie sind eben auch Familie. Und wenn ich sie mit Regulus sehe - wir hätten auch so sein können Silv, dann wäre jetzt alles anders."
Ich legte meinen Kopf auf seiner Schulter ab und kuschelte mich an ihn. Er legte einen Arm um mich und zog mich noch näher.
,,Das wäre ziemlich schrecklich wenn wir so wären" stellte ich trocken fest. Sirius lachte kurz auf.
,,Wir sind Familie Sirius, du und ich. Nicht sie."
,,Ich weiß."
,,Wie geht es eigentlich Regulus?" fragte ich, um das Gespräch ein wenig zu erleichtern.
,,Ich weiß nicht" er vergrub sein Gesicht in meinen Haaren und seufzte. ,,Wir reden kaum noch. Ich glaube ich verliere ihn an sie."
Er presste sein Gesicht noch näher an mich und sein Körper bebte. Ich brauchte einen Moment bis ich verstand, dass Sirius weinte. Ich erinnerte mich nicht, wann ich ihn zum letzten Mal weinen gesehen hatte und es schockierte mich ziemlich. Ich wusste, dass es ihm genau so wehtat wie mir. Ich teilte seinen Schmerz, ich wusste wie es sich anfühlte. Aber trotzdem, ihn das so offensichtlich zeigen zu sehen, war etwas anderes. Einen Moment war ich einfach nur perplex, bevor ich mich wieder fing. Beruhigend fuhr ich ihm über den Rücken und tat das, was Sirius jedes Mal tat, wenn ich weinte. Ich hielt ihn fest, bis er sich wieder beruhigt hatte. Wir hatten nie so viel über seine Familie gesprochen. Zumindest nicht in den letzten beiden Jahren. Vielleicht überkam ihn das Ganze deshalb. Ich konnte es verstehen. Es war ein beschissener Tag gewesen.

Irgendwann hörten seine Schultern auf zu beben. Er behielt seinen Kopf in meinen Haaren vergraben und ich bewegte mich keinen Millimeter. Ich spürte wie er ein paar Mal tief durchatmete, bevor er sich wieder aufrichtete und sich mit der Hand übers Gesicht fuhr.
,,Tut mir leid."
,,Hör auf" ich schlug ihn leicht gegen die Schulter. „Das Gespräch müssen wir doch wirklich nicht führen."
,,Ich weiß" er grinste leicht. Ein paar Sekunden lang starrten wir beide schweigend auf die Steinstufen vor uns. Dann seufzte ich und stand langsam auf.
„Ich muss schlafen. Dann ist dieser Tag wenigstens endlich vorbei."
Sirius folgte mir schweigend zum Portraitloch. Gähnend kletterten wir hindurch. Der Gemeinschaftsraum war noch ziemlich voll, aber keiner beachtete uns wirklich, was mir nur recht war. Ich wollte gerade zu der Wendeltreppe, die zum Mädchenschlafsaal führte gehen, als Sirius mich am Handgelenk festhielt. Wortlos zog er mich nach rechts zu der Treppe, die zu den Jungenschlafsälen führte. Ich schmunzelte und folgte ihm kommentarlos. Keiner von uns sagte etwas. Es war irgendwie schön und gleichzeitig ein wenig absurd wie routiniert wir schon waren. Wie ich mich wortlos an seinem Kleiderschrank bediente. Wie wir uns ohne es zu kommentieren eine Zahnbürste teilten, was bei Lily hätte sie es gewusst, vermutlich einen Ohnmachtsanfall ausgelöst hätte. Wir brauchten keine Worte um zu wissen, dass Sirius die rechte Seite des Bettes mochte. Nicht mal um die Decke mussten wir uns mehr streiten. Diesen Streit löste ich schon lange indem ich mich einfach so nah wie möglich an ihn kuschelte. Es war irgendwie beruhigend zu wissen, dass sich auch nach unserem Streit nichts an dieser Routine verändert hatte. Ich war schon fast eingeschlafen, als ich Sirius Stimme hörte. Er hatte seinen Kopf in meiner Halsbeuge vergraben und sein Atem kitzelte meine Haut als er sprach.
„Du hast keine Ahnung wie sehr ich dich liebe. Du machst mich wahnsinnig."
„Auf die gute oder auf die schlechte Art?" fragte ich lächelnd, ohne die Augen zu öffnen.
„Auf alle Arten."

I might be crazy but at least I'm free - Blood is thicker than waterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt