Nie mehr!

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Harry saß mit angezogenen Knien am Strand und starrte in die Ferne. Abwesend wischte er sich die Tränen von der Wange. Seinen Verwandten noch einmal begegnen zu müssen und auch noch beschreiben zu müssen, was ihm geschehen war, er wusste einfach nicht, ob seine Kraft dafür reichte. Irgendwann spürte er, dass sich jemand neben ihn in den Sand setzte. Er sah auf. Remus und Severus saßen rechts und links neben ihm. Der Junge sah wieder auf das Meer und sagte: »I-Ich weiß nicht, ob ich das kann...«

»Wir helfen dir dabei, aber wenn du wirklich nicht willst, dann reichen vielleicht auch unsere Aussagen«, sagte Severus ruhig. Harry sah ihn an. Er wusste nicht warum, aber er hatte selten einem Menschen so sehr vertraut wie Severus und dessen Lebensgefährten. Langsam nickte Harry dann.

»Gut, denn wir wollen noch etwas mit dir besprechen«, sagte Remus nun zögernd.

»Wir müssen überlegen, wie es weitergehen soll. Du gehst natürlich auf keinen Fall zurück zu deinen Verwandten, aber...«, begann er und sah sofort Harrys panischen Blick.

»I-Ich weiß schon...in ein Heim, aber vielleicht kann ich zu den Weasleys, wenn die wollen...oder...«, stotterte der Junge und atmete flach.

»Ruhig«, sagte Severus und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Diese simple Geste bewirkte, dass Harry begann wieder ruhiger zu werden.

»So ist es gut und jetzt sieh mich bitte an«, sagte der Lehrer. Der Junge sah zu ihm.

»Kein Mensch, will dich in ein Heim schicken, was Remus eigentlich sagen wollte war, dass wir dich gerne zu uns nehmen würden«, sagte er mit fester Stimme. Harry starrte ihn vollkommen fassungslos an und sprach kein Wort. Besorgt sah Remus zu ihm und legte ihm vorsichtig eine Hand auf den Rücken.

»Harry? Alles in Ordnung?«, fragte er. Harry drehte sich zu ihm.

»I-Ich verstehe nicht. Ihr wollt, dass ich bei euch bleibe? Du auch?«, er drehte sich wieder zu Severus.

»Natürlich, auch ich, sonst würden wir jetzt nicht hier sitzen und dieses Gespräch führen«, sagte dieser etwas strenger, als er gewollt hatte.

»A-Aber warum? Ich meine, ich bin niemand...also niemand den man...«, Harry stockte, sprang auf und lief hinunter zum Meer. Remus wollte ihm folgen, aber Severus hielt ihn fest.

»Nein, lass mich das machen«, sagte er und stand auf. Remus nickte kaum merklich und blieb stehen, während sein Partner zu Harry ging, der inzwischen am Wasser stand und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Er konnte nicht glauben, dass Severus und Remus ihn tatsächlich aufnehmen wollten. Wie konnte das sein? Bisher hatte ihn niemand haben wollen. Würde das bedeuten er, hätte endlich ein Zuhause? Aber würde Severus das wirklich wollen? Bei Remus war er sich sicher, aber bei seinem ehemaligen Hasslehrer zweifelte er noch. Er merkte kaum, dass dieser einige Augenblicke später neben ihm stand.

»Ich weiß, was du denkst«, sagte er und überrascht sah Harry auf. Severus lächelte etwas, was Harry noch immer vollkommen überraschte.

»Du denkst, ich tue das nur, wegen Remus«, sagte Severus. Harry blieb stumm, aber es war eine Art von stiller Zustimmung.

»Nun, das ist falsch. Ja, zu Beginn duldete ich dich nur, weil es Remus wichtig war, aber dann lernte ich dich kennen und ich rede nicht von dem Missbrauch oder den Misshandlungen. Ich lernte, dich mit anderen Augen zu sehen. Mit den Augen, mit denen Remus dich sieht. Du hast so viel erlebt, so viel durchgemacht und bis doch nicht verzweifelt. Du bist empathisch und stellst das Wohlergehen anderer über dein eigenes. Du bist nicht dein Vater und auch nicht deine Mutter. Du bist du und als ich dies erkannte, erkannte ich auch, dass du vor allem eines brauchst – eine Familie. Jemanden, zu dem du gehörst. Einen Ort an den du gehen kannst, wenn du verzweifelt bist oder auch wenn du glücklich bist. Ich kann nicht behaupten, ein perfekter Vater zu sein, bei Merlin ich hatte nie auch nur darüber nachgedacht einmal Kinder zu haben, aber ich...wir werden alles versuchen, damit du die letzten Jahre vergessen kannst und endlich keine Angst mehr haben musst, und du bist kein Niemand Harry!«, schloss Severus. Zum Ende hin, hatte er immer mehr Probleme gehabt seiner Stimme einen festen Klang zu geben, zu sehr nahm auch ihn das alles emotional mit. Harry blickte ihn noch immer an. Inzwischen rannen ihm stumme Tränen über das Gesicht. Er trat einen Schritt vor und Severus reagierte, ohne darüber nachzudenken. Er schloss seine Arme um den Jungen und es fühlte sich so richtig an, wie noch nie zuvor. Irgendwann spürte Harry auch Remus' Hand auf seinem Rücken. Er konnte nicht einmal genau sagen, warum er weinte. Es war alles. Glück darüber, jemanden gefunden zu haben, der sich offenbar wirklich für ihn interessierte. Erleichterung darüber, dass er nun nie wieder zu den Dursleys musste, dafür würden Remus und Severus sorgen und auch Verzweiflung, weil ein kleiner Restzweifel doch blieb.

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