Salz / Salt - A Short Story by @jinnis (German/English)

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Salz

Von jinnis

Die Sonne steigt über den Horizont, warmes Licht flutet den Garten und lässt die rosafarbene Wolken aufglühen. In den Ästen einer hohen Tanne raschelt der Wind, der durch die Margeriten in der Wiese hinter dem Zaun streicht.

Von meinem Platz am Fenster verfolge ich, wie ein perfekter neuer Tag beginnt, genieße den Duft von frischgebrühtem Kaffee und das Lied der Vögel im Apfelbaum. Schon bald wird sich das Lachen der spielenden Kinder dazugesellen.

Sanfte Schritte nähern sich. Ich kann ein Lächeln nicht unterdrücken, als ich mich zurücklehne in die Umarmung meiner Gefährtin. Sie knabbert an meinem Ohr. „Du wirkst wehmütig, Liebster. Was ist passiert?"

Ein Seufzer entringt sich meiner Brust. „Da war wieder dieser Traum. Aber sorg dich nicht, Randa, es geht vorbei."

„Natürlich wird es das. Komm, lass uns frühstücken und entscheiden, was wir an diesem wundervollen Tag unternehmen wollen." Sie zieht mich hinüber zum Tisch, wo ein Laib frisches Brot, goldene Butter und ein Glas hausgemachter Marmelade auf uns warten. Das Sonnenlicht glänzt in ihren kastanienbraunen Locken, umspielt die rosigen Wangen und glatte Haut, ihre strahlenden Augen. Die frechen Sommersprossen auf ihrer Änderung erinnern mich an den Tag, als wir uns kennenlernten.

Mit einem Lächeln setze ich mich an den gewohnten Platz ihr gegenüber, wo ich ihren Anblick bewundern kann. Aber ein Teil von mir schreit, dieser namenlose Teil, tief in mir drin verborgen, gefangen in einem immerwährenden Albtraum. Und ich weiß, das ist kein Traum, sondern eine Erinnerung.

Die Erinnerung an den Tag, als wir unser schäbiges Zuhause hinter uns ließen und uns dem Programm anschlossen. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir kaum eine andere Wahl. Wir waren beide schon längst in Pension, unsere Mittel aufgebraucht. Randa kämpfte einer erfolglosen Kampf gegen Krebs. Das Regierungsprogramm schien wie ein Geschenk des Himmels.

Sie versprachen uns Utopia, und sie lieferten uns Utopia. Wir leben die perfekte Illusion ewiger Jugend, umfassenden Glücks, in einem nie endenden Frühling. All unsere Wünsche wurden erfüllt. Und all die Gesundheit, Schönheit und Perfektion kamen zu einem geringen Preis.

Das menschliche Gehirn ist ein unglaubliches Organ. Um glücklich zu sein benötigen wir nur einen winzigen Teil davon. Es schmerzt nicht, den Rest der Regierung zur Verfügung zu stellen, wozu auch immer sie die organischen Computer benötigt, mit denen wir geboren sind.

Die Ärzte versicherten mir, ich würde die Illusion nicht durchschauen können. Aber manchmal, wenn ich nachts Randas sanften Atemzügen lausche, kann ich es. Dann wünsche ich mir, ich könnte aus der Simulation aussteigen, mich überzeugen, dass sie gesund ist, dass sie immer noch bei mir ist. Aber der Chip meinem Gehirn erlaubt keine Flucht.

Ich weiß, dass ich dafür dankbar sein sollte, mit meiner wahren Liebe glücklich zu sein.

Aber während ich Randa zusehe, wie sie Butter auf ein Stück Brot streicht, und ihrem fröhlichen Lachen lausche, sehne ich mich nach einer weniger perfekten Welt. Nach dem Schmerz in meinem Rücken am Ende eines harten Arbeitstages. Nach der Wärme der Sonne auf meiner Haut. Nach dem Prickeln des ersten Schlucks eines wohlverdienten Feierabendbiers. Nach den Unvollkommenheiten, die dem Leben Geschmack geben, nach dem Salz in der Suppe.

Und, vielleicht, nach einem Ende.


Salt

By jinnis

The sun rises over the horizon, and warm light floods the garden. Pink clouds scattered in the sky glow with the first light, and the branches of a tall fir rustle in a breeze that ruffles the marguerites in the meadow beyond the fence.

From my window, I study another perfect day in the making, enjoy the smell of freshly brewed coffee and the song of birds chirping in the apple tree. Soon, the carefree laughter of the children playing in the yard will join them.

Soft footsteps approach. I can't help but smile while I lean back into the embrace of my wife. She nibbles at my ear. "You look morose, my darling. What is it?"

I sigh. "That dream again. Don't worry, Randa, it will pass."

"Of course, it will. Come, let's have breakfast and decide what we do with this beautiful day." She pulls me towards the table where a loaf of fresh bread, a lump of golden butter, and a jar of homemade marmalade wait. I admire her auburn curls, her rosy cheeks, her smooth skin, and sparkling eyes. The cheeky freckles on her nose still remind me of the day I met her.

With a smile, I sit down. But deep inside, a part of me screams, caught in a nightmare nothing can chase. Because I know it's not a dream, but a memory. The memory of the day when we left our shabby home and joined the government-program. At this point, we hardly had a choice. Both well beyond retirement, with Randa fighting a lost war against cancer, the program seemed like a straight road to heaven.

They promised us Utopia, and they delivered. We live the perfect illusion of eternal youth, eternal spring, the bliss of wishes come true. And all that health, the beauty, and perfection came at a minor price.

The human brain is an incredible organ. To be lucky, we only need a tiny fraction of it. It doesn't hurt to subscribe the rest to the government, for whatever use they have for the organic processors we are born with.

They assured me I wouldn't be able to see through the illusion. But sometimes, when I listen to Randa's soft breaths at night, I am. Then I wish I could tune out the simulation, convince myself that she's healthy—and still with me. But the chip in my brain offers no escape.

I know I should be grateful to be happy with my love. But while I watch Randa spread butter on a slice of bread and listen to her cheerful laugh, I long for a world less perfect. For the pain in my back after a day's hard labour. For the heat of the sun on my skin. For the taste of that first swig of a well-earned beer after work. For the imperfections that give life flavour, the salt in the soup.

And, perhaps, for closure.

Tevun-Krus #86 - International V: LovePunkWhere stories live. Discover now