Kapitel 13

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Die nächsten Tage vergingen für Charlotte viel zu langsam. Sie ging zu dem Anwalt, der ihr große Hoffnungen machte, dass sie den Prozess für sich gewinnen konnte, den Rest der Zeit verbrachte sie mit allen möglichen Beschäftigungen. Dabei fiel es ihr schwer sich auf etwas zu konzentrieren weil ihre Gedanken immer wieder zu Alan abrutschten, egal ob sie irgendeiner Sendung im Fernsehen folgte oder versuchte sich auf ein Buch zu konzentrieren. Jeden Abend telefonierte sie mit Alan und zumindest diese Zeit verging viel zu schnell.
So war es inzwischen Dienstagabend geworden und Alan hatte ihr bereits am Vortag erzählt, dass er ein Flugticket hatte buchen lassen für Mittwochmorgen. Sie würde um kurz nach zehn in London landen und Alan wollte sie abholen. Wie an jedem der vergangenen Abende lag sie im Bett und wartete auf den Anruf von Alan, den sie kaum noch erwarten konnte. Genauso wie an den anderen Tagen wollte er gegen halb zehn anrufen und Charlotte konnte es kaum erwarten. Sie blickte auf den kleinen Wecker, der auf dem Nachtisch stand und ihr verriet, dass er in guten zehn Minuten anrufen würde. Als es schließlich so weit war, rief er an und sie erzählten sich einige Zeit was an dem Tag passiert war und das sie sich aufeinander freuten.

Alan wurde am nächsten Tag mit einer ziemlichen Freunde auf Charlotte wach. Heute war endlich der Tag an dem er Charlotte nach einigen Tagen, in denen sie überstürzt getrennt worden waren wiedersehen würde. Gut gelaunt stand er auf und begab sich auf den Weg unter die Dusche.
Er duschte ausgiebig und heiß, während seine Gedanken sich nur um die Frau drehten, die es geschafft hatte ihn so zu verzaubern. In einigen Stunden würde er sie wieder in seine Arme schließen können. Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht ging er, nur mit einem Handtuch bekleidet, runter in die Küche und schüttete sich ein Glas Orangensaft ein. Ihm war nicht nach Essen und innerlich musste Alan darüber schmunzeln, dass er sich wie ein verliebter Teenager benahm. Zeitig machte er sich auf den Weg zum Flughafen und betrat diesen einige Zeit später auch. Da es noch mindestens eine halbe Stunde dauerte bis Charlotte in der Ankunftshalle ankommen würde, beschloss er ihr noch einen Blumenstrauß zu kaufen.
Die waren am Flughafen zwar, seiner Meinung nach, immer überteuert und mit Sicherheit nicht von der Qualität wie die aus dem kleinen Blumenladen, in dem er ihr letztens Blumen gekauft hatte, aber er kam sich blöd vor wenn er gar nichts hatte. Abgesehen davon war Charlotte bei so etwas so unkompliziert, dass er wahrscheinlich auch mit einem Strauß verwelkte Blumen ankommen konnte und sie hätte sich trotzdem noch gefreut.
Alan steuerte den Nächsten Blumenladen an und betrat ihn. Was direkt auffiel war, dass es nicht so schön war wie in dem kleinen Laden von letztens und es auch alles eher nach Massenabfertigung aussah. Die Preise waren, wie er bereits vermutet hatte, viel zu teuer und man schien die Lage am Flughafen auszunutzen, für Männer die ihren Frauen noch schnell einen Blumenstrauß als Willkommensgeschenk kaufen wollten. Er sah sich kritisch um. Es war so als ob kein Strauß seinen Ansprüchen zu genügen schien. An so gut wie jedem hatte er etwas auszusetzen. Doch dann erblickte er in einer Ecke einen Strauß aus komplett roten Rosen. Alan ging auf diesen zu und schaute ihn sich erst einmal an um sich zu vergewissern, dass jede Rose perfekt war. Er wollte für Charlotte nur das Beste. Als er schließlich überzeugt war, nahm er diesen und bezahlte.
Gerade als Alan aus dem Laden trat und einmal kurz auf seine Uhr schaute, um festzustellen wie viel Zeit er noch hatte, meinte plötzlich ein Typ neben ihm: „Wie ist das eigentlich jemanden zu lieben, der ein Kinderleben auf dem Gewissen hat."
Alan schaute den Typ, der lässig angelehnt an der Fensterfront stand und eine Lederjacke sowie eine Kappi trug, verwirrt an und meinte dann ebenso verwirrt: „Entschuldigen Sie. Ich glaube ich kenne Sie nicht und ich weiß auch nicht wovon sie reden."
Der Typ sah ihn darauf hin über den Rand seiner Sonnenbrille hinaus an und deutete dann mit dem Kopf in die Richtung eines Zeitschriftenladens. „Das ist doch Ihre hübsche Freundin, oder nicht?", fragte dieser. Alan folgte seinem Blick und sah blickte auf etliche Zeitungen auf denen Charlotte abgebildet war, nur konnte er von dieser Entfernung aus nichts lesen. Alan konnte allerdings trotzdem seinen Blick nicht abwenden, was dem Fremden nicht verborgen blieb.
„Oh, sie hat nichts gesagt nehme ich an. Tut mir leid, dass Sie es jetzt so erfahren mussten", sagte der Typ, immer noch lässig an die Glasfront des Ladens gelehnt, „Aber falls die Schönheit jetzt wieder Single ist, dann würde ich mein Interesse bekunden, egal was sie angestellt hat."
Auch wenn Alan es nicht zu gab, er war in diesem Moment Eifersüchtig, dass Charlotte auch die Blicke von anderen Männern auf sich zog. Eigentlich hätte ihm das klar sein müssen, er konnte schließlich auch nicht leugnen, dass sie sehr hübsch war. Trotzdem ließ er sich nichts anmerken, ging nicht auf die Worte des Typen ein, sondern direkt auf den Laden zu. Er schnappte sich eine der Zeitungen, bezahlte und ließ sich in der Nähe auf einer Bank nieder um es sich ganz genau durchzulesen. Auf der Titelseite prangte ein großes Bild von Charlotte und darüber die Überschrift: „Nach dem Tod eines Kindes: Prozess gegen Ärztin aus dem Klinikum erneut aufgenommen".
Alan starrte eine ganze Weile die Überschrift an, eher er sich dem Text widmete. Charlotte war angeklagt für den Tod eines Kindes verantwortlich zu sein was einige Jahre zurück lag und durch eine Aussage des Chefarztes wurde sie wohl schwer belastet. Außerdem zweifelte der Text ihre Kompetenzen als Ärztin an nach dem Fall und brachte die Frage auf, ob sie überhaupt noch als Ärztin arbeiten sollte.
Alan starrte eine ganze Weile auf die Zeitung und fragte sich warum Charlotte ihn angelogen hatte. Immerhin hatte er nun die Antwort auf die Frage warum sie solange gewartet hatte um ihm zu sagen, dass gegen sie ein Prozess lief. Jedenfalls das gab nun Sinn. Er merkte, dass es ihn tief traf, dass sie ihm nicht die Wahrheit gesagt hatte. Er hatte gedacht, dass sie keine Geheimnisse voreinander hatten und sie ihm vertraute. Alan wusste nicht was er von der ganzen Sache halten sollte und wollte sie damit konfrontieren. Sie hatte ihn in einer so großen Sache angelogen, dass er nicht mal wusste ob er sauer oder traurig darüber sein sollte.
Mit einem letzten Blick auf die Uhr stand er auf um auf Charlotte zu warten.

Er erkannte sie schon von weitem. Sie zog ihren Koffer hinter sich her und hielt nach ihm Ausschau. Alan rollte die Zeitung so zusammen, dass man nicht direkt sehen konnte, was groß auf der Titelseite prangte. Als Charlotte Alan erblickte breitete sich ein Grinsen auf ihrem Gesicht aus und sie beschleunigte ihren Gang etwas. Bei ihm angekommen, ließ sie den Koffer los und stürzte sich in seine Arme. Alan wollte versuchen sich nichts anmerken zu lassen. Er wollte es ansprechen, wenn sie unter vier Augen waren und nicht hier in den Menschenmengen. Sie schaute zu ihm auf und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen mit den Worten: „Ich habe dich so vermisst."
Er erwiderte den Kuss nur zögerlich, weil sich seine Wiedersehensfreude in Grenzen hielt. Auch wenn er auf der einen Seite sehr froh war sie nach diesen paar Tagen wieder zusehen. Andererseits war er auch sauer, dass sie ihn die ganze Zeit angelogen hatte. Als die beiden sich voneinander lösten, gab Alan ihr den Strauß. „Für dich", sagte er leise und betrachtete sie. Sie schaute den Strauß an und meinte dann lächelnd: „Danke."
Gemeinsam gingen sie Richtung Ausgang und fuhren zu Charlotte nachhause, die dort ihr Gepäck los werden wollte. Alan war die ganze Zeit über eher weniger gesprächig, was Charlotte nicht verborgen blieb. Sie hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass mit Alan irgendetwas nicht stimmte und er versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Bei Charlotte in der Wohnung angekommen, ging sie erst einmal in die Küche um dort beiden einen Kaffee zu machen. Alan saß währenddessen die ganze Zeit, ohne einen Mucks von sich zu geben, neben ihr.
„Ist alles in Ordnung?", fragte sie besorgt, weil sie sich keinen Reim aus seinem Verhalten machen konnte. Alan blickte einen kurzen Moment ins nichts und fragte sie dann: „Warum hast du mich angelogen?"
Sie drehte sich verwirrt zu ihm um und meinte darauf: „Ich weiß nicht wovon du sprichst."
„Ich glaube doch", sagte er und war die Zeitung auf den Tisch. Charlotte schnappte sich diese und schluckte. Warum musste auch ausgerechnet an dem heutigen Tag in dieser Zeitung etwas darüber stehen. Sie war unfähig auch nur irgendwas zu tun. Alan blickte sie an und meinte daraufhin verletzt: „Warum hast du mir das nicht gesagt?" Charlotte konnte ihn nur ansehen und brachte kein Wort heraus. Sie wusste in dem Moment einfach nicht was sie sagen sollte. Alan stand auf, sah sie an und meinte dann ruhig aber vorwurfsvoll: „Du hast ein Menschenleben auf dem Gewissen und sagst mir nichts davon? Was soll ich jetzt von dir halten?"
In dem Moment hatte Charlotte ihre Sprache wieder gefunden und meinte gekränkt: „Du glaubst also der Zeitung mehr als mich einmal zu fragen?!" Sie blinzelte ihn wütend an und er meinte daraufhin, immer noch ziemlich ruhig, aber mit etwas vorwurfsvollem in der Stimme: „Was soll ich denn glauben, wenn du mich anlügst und mir nichts erzählen willst?!"
Sie holte einmal tief Luft und verlor dann die Fassung: „Du hast doch keine Ahnung, Alan. Wenn du dieser verdammten Zeitung glauben willst, dann tu es meinetwegen anstatt mich zu fragen, was damals wirklich passiert ist."
Beide schauten sich wieder eine Weile wortlos an und dann fügte Charlotte noch hinzu: „Es ist besser wenn du jetzt gehst." Sie deutete auf die Tür und sah ihn auffordernd an. Alan stand langsam auf und wollte etwas sagen, aber sie redete ihm dazwischen: „Geh jetzt bitte, Alan."
Mit einem letzten Blick, in dem etwas schmerzerfülltes lag schnappte er sich seine Jacke und ging auf die Tür zu. Charlotte folgte ihm und Alan wollte sich an der Tür erneut umdrehen und etwas sagen, doch Charlotte kam ihm wieder zuvor.
„Es ist besser wenn du jetzt gehst. Wenn du für immer gehst", sagte sie und in dem Moment konnte man in Alans Augen einen richtigen Schmerz erkennen. Charlottes Augen signalisierten ebenfalls, dass sie das eigentlich nicht wollte, doch sie schloss die Tür hinter ihm fest, so dass diese ins Schloss knallte. Genau in dem Moment bereute sie es und öffnete die Tür nochmals, doch Alan war schon nicht mehr im Flur zu sehen. Die junge Frau stampfte in die Küche und fegte vor Wut die Tassen vom Tisch, die daraufhin klirrend auf dem Boden zersprangen. Sie stütze sich an den Tisch und schrie alles was ihr in diesem Moment auf der Seele lag hinaus. Dabei bildeten sich einige Tränen in ihren Augen und ließen sie an der Küchenzeile entlang auf den Boden gleiten. Dort vergrub sie ihr Gesicht in ihre Haare und begann zu weinen. Das er nie wieder kommen sollte, war ihr einfach so raus gerutscht und sie bereute es so bitter. Sie wollte ihm so gerne endlich alles erklären, was sie schon viel früher hätte machen müssen.

Schnee von gestern [Alan Rickman Fanfiktion]Where stories live. Discover now