Prinzessin Dilara - Nagende Fragen

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Dilara rannte und rannte,die Treppe hinauf, um die Ecke, noch eine Treppe hinauf... Hauptsache weg vonhier. Bei jedem zweiten Schritt blickte sie über ihre Schulter. Hatte siewirklich abgesperrt? Hatte einer von den Wachen noch einen Schlüsseldabeigehabt? Aber es war niemand hinter ihr. Keine polternden Rüstungen, diedie Treppe nach oben rannten.

Dilara blieb erststehen, als sie mit einer Magd zusammenrumpelte. Sie blickte sie mit weitaufgerissenen erschrocken Augen an und rannte dann so schnell wie möglich weg.„Entschuldige", murmelte Dilara gedankenverloren. Da erst fiel Dilara auf, wieviel hier los war. Es war doch erst fünf Uhr morgens. Durch die Fenster drangnoch kaum Licht herein. Doch Kerzen brannten bereits in jeder Ecke. Wielebendig das Schloss schon um diese Uhrzeit war! Überall strömten Mägde undKnechte durch die Gänge. Manche trugen Körbe voller Wäsche auf den Schultern,andere schoben Wägen voller Speisen in Richtung Küche. An rennen war hier nichtmehr zu denken. Es wäre viel zu auffällig gewesen. Stattdessen ging diePrinzessin weiter, ein paar Schritte lang betont langsam. Und dann so schnellsie es sich in dem Gedränge erlauben konnte. Dabei beobachtete sie verwundertihre Umgebung. Was taten all die Leute um diese Zeit?

Noch vor einem Taghätte sie sich darüber keine Gedanken gemacht. Aber plötzlich ging ihr auf,dass die ganzen Mägde und Knechte nur wegen ihrer Mutter und ihr so früh aufden Beinen sein konnten. Das ganze Schloss und seine Bediensteten, diesehunderten Menschen – sie alle arbeiteten nur für zwei Menschen.

Nicht alle, dachteDilara. Die Wächter beschützten die Sicherheit des Landes. Und jemand musstesich um all die Bestien kümmern. Und die Gärtner hielten die Arena im Stand.Die Arena diente schließlich zur Unterhaltung von allen. Naja, allen, die essich leisten konnten. Oder die eingeladen wurden.

Egal, was sie sichsagte. Es blieben immer noch hunderte von Menschen, die allein für sie und ihreMutter arbeiteten. Was taten sie den ganzen Tag?

Dilara blieb stehen.Sie sah sich kurz um. Dann versteckte sie sich neben einer alten, riesigen Vaseaus Porzellan. Während die Bediensteten geschäftig an ihr vorbeimarschierten,schnappte Dilara ein paar Gesprächsfetzen auf. „Mach du von rechts nach links,wir treffen uns in der Mitte. Bis Mittag müssen alle Pflanzen im Westflügelbewässert sein. Und gieß ja nicht wieder zu viel Wasser auf die Begonien!"

„Dann lass du aber auchkeine Pflanze mehr vertrocknen!"

„Schsch! Willst du,dass wir shcon um diese Uhrzeit Ärger bekommen? Du weißt, was Kiron gesagt hat.Wenn wir noch mal zu laut sind, schickt er uns zu den anderen in die Küche.Meine Schwester arbeitet da. Sie sagt, es ist grauenhaft!"

„Das brauchst du mirnicht erzählen. Bis gleich und beeil dich!"

„...hoffentlich hat derKoch heute nicht wieder so schlechte Laune. Gestern hat er Laurin mit seinemMesser erwischt! Es hat bis zum Abend nicht aufgehört zu bluten. Hat seinebeste Hose verschwendet, der Arme."

„Maia! Bringst du nochdie Tomaten in die Küche! Und sei lieber vorsichtig dort drinnen. Ihre Majestätwünscht heute schon eine Stunde früher zu speisen. Die ganze Küche ist inhellster Aufregung, ich sags dir!"

„Wie immer, meinst du."

Königin Miranda wollteeine Stunde früher essen? War sie schon wach? Dilara spähte ängstlich hinterder Vase hervor.

In diesem Moment kamein Wachmann in den Gang gescheppert. Dilara versuchte, möglichst unauffälligaus ihrem Versteck zu gleiten. Jetzt durfte sie sich bloß nicht verraten.

„Eure Hoheit!", keuchteder Wachmann. Dilara fuhr herum.

„Eure Hoheit! Was machtIhr hier, so früh am Morgen?"

Die Legende der Nachtigall 1 - Der Ruf des RabenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt