Kapitel 7.2

238 30 22
                                    

In dem Abteil war es ruhig

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

In dem Abteil war es ruhig. Kein Wunder, schließlich fuhr ich im zweiten Waggon durch Zone Vier. Hier saß fast nie ein Mensch drin, während der Supra durch die äußeren Ringe sauste. Nur wenige aus den inneren Ringen ließen sich dazu herab, hierher zu kommen, die meisten waren sowieso nur geschäftlich hier. Die Menschen stiegen erst in Zone Zwei zu. Da konnte es an besonders geschäftigen Tagen wirklich voll werden.

Der Supra wurde dort deutlich häufiger genutzt, weil die Leute die Marken dafür aufbringen konnten. Manche von ihnen besaßen sogar eigene Autos. Doch das war selbst für die beiden inneren Ringe ein Luxusgut und vor allem dem Militär und der Regierung vorbehalten. Für Zone Vier und Drei hatte ich das Abteil also für mich allein – vorerst.

Ich rutschte ein wenig tiefer in den Sitz, stemmte die Knie an die Lehne vor mir und ließ meinen Kopf ans Fenster sinken. Die erhöhte Ebene, auf der der Supra in allen Zonen fuhr – der Platz, der unter der Leitung dadurch entstand, konnte so für Wohnungen und andere Anlagen genutzt werden – bot einen perfekten Ausblick auf die Stadt. Unser Haus lag bereits hinter uns, genauso wie der Wald.

Sofort tauchten die prächtig grünen Baumkronen vor meinem inneren Auge auf. Ich hörte die Vögel in meinen Ohren zwitschern, glaubte schon fast, ihr bekanntes Lied zu erkennen. Ich hörte das Rascheln der Tiere im Dickicht, das Röhren eines Hirsches, das Rauschen der Blätter im Wind. Ich sah die prächtigen Stämme vor mir, den umgestürzten Baumstamm, über den ich während meines Trainings etliche Male gesprungen war; sah den erdigen Boden. Würde ich nun die Augen schließen und mich darauf konzentrieren, dann könnte ich sogar den leicht modrigen Geruch der nassen Blätter auf dem Weg riechen oder das morsche Holz. Doch ich behielt meine Augen offen. Ich würde den Wald vermissen, ja. Vermutlich mehr, als ich mir jetzt vorstellen konnte. Er war ein kleines Stück Freiheit gewesen. Ein Ort, wo mich niemand finden konnte, wenn ich es nicht wollte. Ein Ort, der mich immer willkommen hieß. Ein Ort, der nur mir gehörte und den Tieren. Dort konnte ich machen, was ich wollte; sagen, was ich wollte. Die Einzigen, die mir antworteten, waren die Vögel mit ihrem hellen Trällern.

Der Wald war eine wundervolle Abwechslung zu dem staubtrockenem Gras hinter unserem Haus gewesen. Zu den Problemen, die das Leben in Zone Vier mit sich brachte. Aber er gehörte ebenso zu den Dingen, die ich gegen mehr Nahrung, einen festen Lohn und ein ordentliches Dach über dem Kopf eintauschte.

Vielleicht könnte ich, sobald meine Ausbildung zur Wächterin beendet war, ab und zu zurückkehren. Er würde mir nicht für immer verloren gehen – das nahm ich mir fest vor. Ich nickte, wie um meine eigenen Gedanken zu bestärken, dann konzentrierte ich mich darauf, was sich vor meinem Fenster abspielte.

Weit entfernt, aber dennoch sichtbar, zog sich die hohe Mauer an der Grenze zum äußersten Ring entlang. Sie ragte standhaft am Horizont auf und bedeutete Sicherheit. Die Mauer wurde zwar kleiner, je weiter ich mich dem Zentrum der Stadt näherte, doch war sie immer zu sehen. Sie war unser Fels in der Brandung, auf sie war immer Verlass.

Captured | Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt