Kapitel 1

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Einzelne Sonnenstrahlen, die durch einen Spalt in der Tür strahlten, weckten mich noch bevor die Vögel zu zwitschern begannen. Leise Atemgeräusche kamen von der Person neben mir - ein und aus. Ich passte mich an seinen Rhythmus an und drehte mich auf die Seite. Das Bett war ungewöhnlich hart - oder lag ich auf dem Boden?

Schlaftrunken tastete ich nach dem Körper neben mir. Als ich mich näher ran kuschelte und mein Gesicht in seinen Nacken drückte, fiel mir auf, wie viel dünner er als sonst war. Meine Hand strich über seine nackte Seite runter zu seinem Bauch. Alles in allem fühlte es sich nach ihm an und dann auch wieder nicht, wie als hätte man ihn mit seiner jüngeren Variante ausgetauscht. Doch ich verschwendete keinen weiteren Gedanken daran, sondern atmete seine Duft ein. Kiefern und dieser bestimmte Geruch, der einfach nur Lan Zhan war, umfing mich. Wahrscheinlich irrte ich mich und er war immer so schmal gewesen.

Aufeinmal schreckte er hoch und schubste mich von sich weg. Verwirrt schlug ich die Augen auf - ein Stich direkt ins Herz. Vor mir saß Lan Zhan mit vor Schreck geweiteten Augen. Sein Stirnband hing ihm schief auf der Stirn - er nahm es zum schlafen eigentlich seit unser Hochzeit immer ab.

Mit einer gewohnten Bewegung wollte ich es gerade schieben, doch er stieß meine Hand weg und sah mich immer noch so an, wie als wäre ich verrückt. Jede Faser meines Körpers sträubte sich gegen dieses mir fremde Verhalten. "Was denkst du was du da machst?" Ein unsicheres Lachen verließ meinen Mund, als er in diesem kalten und distanzierten Ton sprach, den er schon vor Jahren aufgegeben hatte. Doch in seinem Gesicht veränderte sich nichts. Keine Spur von Belustigung oder Liebe war in ihnen zu finden.

Befremdet rutschte ich ein Stück zurück und betrachtete ihn genauer. Seine Wangenknochen waren nicht so stark ausgeprägt, wie ich sie noch von gestern abend in Erinnerung hatte. Das Gesicht, dass ich gestern noch geküsst und mit meinen umfasst hatte sah so jung aus. Seine Züge waren weicher und alles in allem sah er aus wie die jüngere Version seiner selbst.

Das musste ein Traum sein. Mein Gedächtnis spielte mir im Schlaf einen Streich und brachte mich zurück zu einem der drei Abende, an denen ich es geschafft hatte Lan Zhan dazu zu zwingen, dass er eine Schale mit Wein leerte. Erleichtert atmete ich auf und lehnte mich zurück, während ich den jungen Lan Zhan musterte. Es ist nur ein Traum.

Ich hatte fast vergessen, wie es war, wenn er einen mit diesem distanzierten, und bei mir manchmal auch abgeneigten, Blick anschaute. Wahrscheinlich hatte ich ihm damals wirklich böse zugespielt, doch es hatte viel zu viel Spaß gemacht ihn aus seiner Reserve zu locken, als das ich aufgehört hätte.

Ich beobachtete, wie er aufstand und sich hastig sein Gewand überzog. Es musste gestern Abend heiß gewesen sein, wenn er selbst in seinem betrunkenen Zustand sich ausgezogen hatte. Es war nur ein kurzer Moment in dem ich seinen Rücken sah, doch er war glatt. Helle, glatte Haut spannte sich über noch nicht ganz so ausgereifte Muskeln, wie er sie als Erwachsener hatte. Keine Spur von Narben, die eigentlich seinen Rücken verzierten, von denen ich jede noch so kleine Erhebung kannte und selbst mit geschlossenen Augen sagen könnte, wie sie auf seinem Rücken verteilt waren.

Ich war es nicht gewohnt seinen Rücken so makellos zu sehen und so konnte ich nicht anders, als zu starren, was mir einen nicht gerade freundlichen Blick von ihm einhandelte. Bevor er rausging zwinkerte ich ihm nochmal zu - ein bisschen Spaß musste dieser Traum ja auch machen - und dann legte ich mich wieder auf den Boden. Mich umfing noch der Geruch von dem Mann, denn ich so sehr liebte und ich schob es darauf, dass mein Unterbewusstsein Lan Zhans Duft, der mich in unserem Bett unweigerlich umhüllte, einbaute.

Ich wartete vergeblich darauf, dass der Traum sich ändern würde oder ich aufwachte, doch das endete nur darin, dass ich gefühlte Stunden an die Decke starrte. Irgendwann wurde die Tür hinter mir aufgestoßen und der Teufel höchstpersönlich, auch mein liebevoller Bruder genannt, stürmte in den Raum. Natürlich konnte dieser Traum nicht ohne ihn enden.

Locker drehte ich mich auf den Bauch und musterte ihn von unten. Jap, das war die jüngere Version von Jiang Cheng. Keine Zornesfalte zwischen den Augen, weichere Züge, die wesentlich attraktiver waren, als jetzt mit diesem immer mürrischem Ausdruck, nur dieses Wutverzerrte Gesicht bei meinem Anblick war noch dasselbe.

Grinsend sah ich zu ihm hinauf. "Na Brüderchen~" Gurrte ich, doch anscheinend war dieser Jiang Cheng gerade ganz und gar nicht zu scherzen aufgelegt - war das hier ein Albtraum? Erst Lan Zhan und jetzt er.

"Komm hoch. Du bist schon wieder zu spät zum Unterricht. Wie war das mit dem du wirst keine Schande über den YunmengJiang-Clan bringen? Du weißt, dass du bei der nächsten Verwarnung wieder zurück nach Yunmeng sollst." Gemächlich erhob ich mich, um mich zu strecken. Ich fühlte mich gut, besser als in den vergangenen Jahren. Also baute mein Traum sogar das Gefühl eines goldenen Kerns mit ein? Ich genoß die Wärme in mir drin, die ich intensiver als je zuvor spürte.

"WEI WUXIAN." Chengs Stimme überschlug sich. Genervt sah ich ihn an. "Ja ja, ich mach mich ja schon fertig." Vielleicht sollte ich einfach mitspielen, bis dieser Traum zu ende war und ich neben meinem Lan Zhan wieder aufwachen würde.

Updates werden jeden Dienstag, Freitag und Sonntag kommen.

Ansonsten viel Spaß, beim Lesen von Dream and Reality...

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