Kapitel 5

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Ich hörte das schallende Lachen von Huaisang schon von Weitem. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf mein Gesicht, doch selbst das konnte nicht das dumpfe Gefühl wegwischen, dass sich in mir ausgebreitet hatte, nachdem ich die Bibliothek verlassen hatte. Zitternd holte ich nochmal tief Luft, bevor ich in Sichtweite trat.

Überraschenderweise sah ich nicht nur meinen Bruder und Huaisang zwischen den Bäumen sitzen, sondern vier weitere Personen, die ich von hier aus nicht zuordnen konnte. Umso näher ich trat erkannte ich, dass zwei von ihnen weiblich waren und neben Wen Ning stand...Jin Zixuan und schmunzelte liebevoll eines der Mädchen an.

Was zur Hölle hatte ich verpasst? Und warum tauchte sowas in meinem Traum auf? Verwirrt trat ich näher und dann drehte sich das eine Mädchen um. Sanfte Züge, die sich in denen von Wen Ning wiederspiegelten. Eine silberne Spange hielt ihr schwarzes glänzendes Haar zusammen. Wen Qing. Mir blieb die Luft weg, als ich die junge Frau, meine ermordete Freundin, grinsend da stehen sah.

"Wurdest du schon wieder zum Abschreiben der Regeln verdonnert?" Lachte sie mir ins Gesicht, doch ich wusste nicht was ich darauf hätte antworten sollen. Meine Aufmerksamkeit hatte sich auf das andere Mädchen gerichtete, dass sich mit einer Hand Luft zu fächelte, zu Jin Zixuan gewand. Wenn Wen Qing und der Pfau hier waren, dann musste dieses Mädchen meine Shijie sein.

"A-Xiang?" In dem Moment, wo sie sich umdrehte, brach jede noch so gut errichtete Mauer zusammen. Die Gedanken an Lan Zhan und sein komisches Verhalten hatte ich so weit verschoben, dass ich mich nur noch auf meine Shijie konzentrierte. Ich trat vor, bevor ich weiter über mein Handeln nachdenken konnte und umarmte sie.

Der dezente blumige Duft von ihr stieg mir in die Nase, als ich mich förmlich an sie klammerte. Es fühlte sich alles so real an. Ihr Arme, die sanft über meinen Rücken strichen und das Beben ihres Körpers, das von ihrem Lachen hervorgerufen wurde.

"War das Abschreiben etwa so schlimm?" Fragte sie mich lächelnd, als ich mich von ihr löste. Die kleinen Grübchen, die ich schon als kleines Kind beneidet hatte kamen dabei zum Vorschein. Eine starke Hand zog mich ein Stück zurück.

"Ich denke, es ist nicht sehr angebracht die Verlobte eines anderen einfach zu umarmen, selbst wenn sie deine Shijie ist." Die Goldbraunen Augen von Zixuan sahen mich an, doch in ihnen fand ich nicht diesen abstoßenden Ausdruck, den ich in Erinnerung hatte, sondern eher eine belustigten. Verwirrt trat ich noch einen Schritt zurück.

Ein unangenehmes Gefühl stieg in mir hoch, das mir sagte, dass er tot war. Er musste Tod sein, dass wusste ich ganz sicher...doch warum? Während ich ihn musterte versuchte ich mich verbissen daran zu erinnern.

Schreie. Jemand hatte mich angeschrien...ich war dabei gewesen, als er sein letzten Atemzug getan hatte. Ein letzten Atemzug, den er nicht hatte kommen sehen. Doch so sehr ich mich versuchte daran zu erinnern die Erinnerungen entschlüpfte mir und geriet außer Reichweite.

Innerhalb von Sekunden entfloh mir auch die Tatsache, warum ich so erleichtert gewesen war, die beiden Mädchen zu sehen. Was hatte ich vergessen? Panik stieg in mir auf, während ich die sechs beobachtete. Irgendwas war hier komisch. Was stimmte mit diesem Traum nicht? Warum vergaß ich die Realität und vermischte sie mit nie geschehenen Ereignissen?  Warum konnte ich meine Erinnrungen nicht nach Wunsch aufrufen?

"Wei-Xiong." Der Arm von Huaisang legte sich freundschaftlich um mich. "Du scheinst wirklich verstört zu sein. Aber keine Sorge das wäre ich auch, wenn ich Stundenlang bei dem Eisklotz sitzen müsste und Regeln abschreiben." Bei der Bezeichnung von Lan Zhan senkte er seine Stimme, wie als hätte er Sorge, dass ihn jemand aus dem Lan-Clan hören konnte. "Ist was? Du guckst so komisch?" Warm musterte mein bester Freund mich.

"Es ist nichts." Redete ich mich heraus. Ich hielt mich an dem Gedanken - die Erinnerung - fest, dass ich mit Lan Zhan verheiratet war, das ich glücklich mit ihm zusammen lebte und das hier nur ein Traum war, aus dem ich aufwachen würde. Gerade zu verzweifelt klammerte ich mich an diese Gewissheit, in der Hoffnung nicht mehr dieses verwirrende Gefühl zu verspüren, wenn ich wieder neben Lan Zhan aufwachte.


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