Kapitel 3

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"Wei Wuxian." Er sprach gerade laut genug, sodass ich ihn verstehen konnte. Grinsend sah ich zu ihm rüber. "Was gibt's, Lan Zhan~?"

Gemächlich bewegte ich mich auf ihn zu, bevor ich kurz vor ihm zum stehen kam. "Du solltest heute zur Bibliothek kommen und die Regeln weiter abschreiben." Ermahnte er mich. Anscheinend blieb selbst dieser Horror in meinem wunderschönen Traum nicht aus.

Genervt stöhnte ich auf. "Kann ich das nicht wann anders machen?" Ich versuchte eine Schnute zu ziehen, während ich näher an ihn heran schritt, bis sich unsere Fußspitzen berührten. Sofort wich er einen Schritt zurück und schüttelte nur den Kopf auf meine Frage. Seufzend wand ich mich an die anderen beiden, die uns beobachteten.

"Ich bin in der Bibliothek." Rief ich ihnen zu, bevor ich einen Arm um Lan Zhans Schulter legte und ihn mitzog. Seinen Versuch sich von mir zu lösen unterdrückte ich, indem ich ihn näher an mich heranzog, sodass uns das Laufen schon schwer fiel, aber was tut man nicht alles um andere zu ihrem Glück zu zwingen.

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"Lan Zhan~" Ich legte meinen Pinsel beiseite und sah zu ihm rüber. Er schaute nicht mal vom Blatt auf, wenn ich seinen Namen nannte - das war definitiv ein Albtraum. Flink erhob ich mich und kurz darauf saß ich neben ihm und schaute ihm über die Schulter. Er laß irgendein Buch über Konsonanzen und Dissonanzen bei der Guqin. 

"Bist du fertig?" Nicht mal jetzt sah er mich auch nur an. "Ja..." Log ich. Als ob ich mir die Mühe machte in einem Traum diese verdammten Regeln abzuschreiben. Stattdessen hatte ich zwei Porträts von ihm gezeichnet und dann angefangen zu überlegen, ob ich wenn ich jetzt einschlafen würde wieder zuhause sein würde.

Endlich wand er sich zu mir und sah mir in die Augen. Wenn du fertig bist, dann bring sie rüber. Seufzend erhob ich mich. Wie hatte ich diesen Kontrollzwang von Lan Zhan nur vergessen können. Aber wenn ich jetzt meine Blätter holen würde, würde auffallen, dass ich die Regeln nicht kopiert hatte.

"Vertraust du mir etwa nicht?" Säuselte ich und versuchte dabei noch ein bisschen mitleiderregend auszusehen - funktionierte offentsichtlich nicht so wirklich. "Bring sie rüber." Er senkte wieder den Blick und konzentrierte sich auf sein Buch.

Vielleicht könnte ich ja einfach wegrennen oder wäre das zu dramatisch? Ein Versuch ist es immer wert, dachte ich grinsend. Langsam erhob ich mich und tat so wie als würde ich zu meinem Tisch gehen, auf der Hälfte der Strecke sprintete ich plötzlich los. Ich bekam noch mit, wie er sich erhob, dann war ich schon aus der Bibliothek gestürmt.

Mit einem beherzten Sprung setzte ich über eine der Mauern weg und landete auf einem schmalen Weg. Ich wusste, wo dieser Weg hinführte. Zu Lan Zhans Kaninchen. So schnell ich konnte rannte ich weiter. Aus dem Augenwinkel nahm ich war, dass Lan Zhan nur knapp hinter mir war. Ein Lachen verließ meinen Mund, als mir klar wurde, dass ich es mal wieder geschafft hatte, das Lan Zhan eine Regel brach. (Rennen ist im Wolkennest verboten.) Technisch gesehen waren wir ja gar nicht mehr auf dem Gelände, aber wahrscheinlich galten für ihn die Regeln überall.

Langsam begannen meine Lungen zu brennen, doch ich ermahnte mich noch die letzten Meter auszuhalten und nicht schon davor von meinem Verfolger gefangen zu werden. Von weitem sah ich schon den begrünten Hang, der normalerweise mit weißen Hasen übersät war, doch jetzt war es einfach nur grün. Schlitternd kam ich am Wegesrand zum stehen und spürte kurz darauf eine Hand auf meiner Schulter, die mich davor hinderte weiterwegzurennen.

Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, als ich kein Kaninchen entdeckte. "Wo sind sie hin?" Wand ich mich an Lan Zhan. Kurz flackerte ein verwirrter Ausdruck in seinen Augen auf. "Wer?" "Deine Kaninchen...ich habe dir zwei geschenkt und dann wurden es immer mehr."

"Du hast mir keine Kaninchen geschenkt." Mir war selber nicht wirklich klar, warum mich das so bewegte, doch irgendwie wollte ich nicht darauf klar kommen, dass hier nicht die kleinen weichen Fellknäule waren. "Doch habe ich." Protestierte ich. Die Erinnerung war so klar vor meinen Augen, wie ich sie ihm gereicht hatte und gesagt, dass ich sie Essen würde, wenn er sie nicht nahm, worauf er sie zu sich genommen hatte. Doch umso mehr ich mich versuchte daran zu erinnern, desto weiter entfernte sich diese Erinnerung, bis sie so sehr verschwamm, das ich nicht mehr hätte sagen können ob es wirklich geschehen war oder ich einfach nur geträumt hatte.

Verwirrt stolperte ich einen Schritt zurück. Was passierte hier? Warum fühlten sich meine Erinnerungen so weit entfernt an? Ich versucht mir wieder vor Augen zu rufen, wie ich 16 Jahre später zusammen mit Lan Zhan hier gewesen war und überrascht festgestellt hatte, dass er die Kaninchen immer noch hatte und es mehr geworden waren, doch auch diese Erinnerung war aufeinmal nicht mehr greifbar und verschwamm mit den anderen Momenten.

Panik stieg in mir auf und nur die Hand von Lan Zhan, die wieder auf meiner Schulter lag, bewahrte mich davor, dass meine Beine unter mir nachgaben.

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