Miss Silvers Brief

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Draco seufzte und strich über den weißen Umschlag. Er stand in seinem Buchladen. Es war Ladenschluss und Harry sollte jeden Moment hereinkommen. Zwei Jahre hatte er den Brief aufbewahrt. Doch seine Neugierde ließ sich nur schwer unter Kontrolle halten. Er atmete kurz durch und griff nach einem Brieföffner. Ohne auf die zahlreichen Papiere in seinen Händen zu achten setzte er sich in Miss Silvers Sessel und begann zu lesen.



Lieber James, Lieber Draco.

Wahrscheinlich hast du herausgefunden, dass ich mehr über die magische Welt weiß als ein normaler Muggel. Du musst es herausgefunden haben, denn sonst würdest du diesen Brief wahrscheinlich nicht lesen. Doch fangen wir von vorne an.

Ich stamme aus einem kleinen Dorf namens Godrics Hollow. Vielleicht kennst du es ja. Es ist das Dorf, in dem Harry Potter geboren wurde und das Dorf, in dem Albus Dumbledore aufgewachsen ist. Meine Eltern hatten noch eine andere Tochter. Elene. Elene Silvers. Sie war meine größere Schwester. Sie war drei Jahre älter als ich und wir haben uns immer prima verstanden.

Doch dann fing die Zeit an, in der sie angefangen hat zu zaubern. Meine Eltern waren beide magischer Natur und meine Schwester ebenfalls. Als ich dann zusehen musste, wie sie immer größere Magie erbringen konnte, kauften sie mir eine Katze als Entschuldigung. Denn ich bin ein sogenannter Squib. Es hat mich nie sonderlich gestört. Doch dann kam meine Schwester nach Hogwarts, der Zaubererschule. Aber das weißt du wahrscheinlich.

Meine Eltern waren nie sehr reich, doch eine Hogwarts Schülerin ohne Haustier wurde immer nur belächelt. Deshalb wurde Elene meine Katze mitgegeben. Ich habe mich natürlich gesträubt, aber meine Eltern versprachen mir eine neue Katze, sobald sie wieder genug Geld hätten. Ich bekam nie eine neue.

Als ich Monat für Monat alleine durch Godrics Hollow wanderte begegnete ich einem Mädchen. Sie war ungefähr so alt wie ich, doch sie hatte eine schlimme Krankheit. Das hat sie mir zu mindestens erzählt. Ihre Brüder, so sagte sie, seien wie Glück und Pech. Wie Krieg und Frieden. Wie Sonne und Schatten. Ihr älterer Bruder sei sehr schlau, unglaublich begabt und intelligent. Der andere Bruder war eher aggressiv, aber trotzdem sehr nett. Sie meinte, dass er ihr Lieblingsbruder sei. Das Mädchen hieß Ariana. Ariana Dumbledore. Sie erzählte mir, wo sie wohnte und dass sie eigentlich gar nicht draußen sein durfte. Ihr Bruder, Aberforth, würde sie bestimmt schon suchen. Und tatsächlich, keine zwei Minuten später, kam er und brachte sie wieder nach Hause. Am nächsten Tag besuchte ich sie und wir verbrachten eine schöne Zeit miteinander. Ich erfuhr auch, was für eine Krankheit sie hatte. Sie war ein Obscurus. Zuerst erschrak ich natürlich, aber es änderte ja nichts an ihr als Person. Zwei ganze Jahre hatten wir, dann starb ihre Mutter. Kendra Dumbledore mochte ich sehr, und auch sie schien mich sehr zu mögen. Es war ein Schlag als sie verstarb. Kurze Zeit später verstarb auch Ariana, aus mir bis heuten unerfindlichen Gründen. Zwei Wochen lang verließ ich mein Zimmer nicht, so traurig war ich, dass meine einzige Freundin verstorben war.

Doch dann kam Aberforth und holte mich aus meinem mentalen Loch. Er erzählte mir viel über Ariana, was ich noch gar nicht wusste. Wir stehen noch bis heute in Kontakt und Aberforth ist mir zu einem guten Freund geworden.

Einmal in der Woche schreibt er mit über die Geschehnisse in der magischen Welt. Der Tagesprophet steht mir als Squib leider nicht zu. Ich hätte auch nicht die Knuts, um ihn zu bezahlen. So erfuhr ich auch vom ersten, sowie vom zweiten Zaubererkrieg und von der Geschichte zwischen dir und Harry Potter. Von Du-weißt-schon-wem und den Todessern. Und vom Tod seines Bruders. Ich habe Albus nie sonderlich gut gekannt, aber ich mochte ihn irgendwie. Nie so sehr wie Aberforth, doch ich mochte ihn. Aber ich schweife ab.

Sobald ich 18 Jahre alt war nahm ich all mein Erspartes und zog in die Muggelwelt. Dorthin, wo niemand mich verächtlich ansah, weil ich nicht zaubern konnte. Meine Eltern verstarben kurz darauf an Drachenpocken und ich hatte nur noch meine Schwester. Sie ließ sich inzwischen als Heilerin ausbilden und wir hatten nie viel Zeit. Dem Zufall war es zu verdanken, dass das Grab meiner Eltern genau neben dem von Ariana lag. Viermal im Jahr bin ich dort und pflege sie. Elene ist inzwischen gestorben, sie fiel im zweiten Zaubererkrieg. Ich erfuhr es nur durch Aberforth.

Vielleicht fragst du dich jetzt, warum ich dich trotz allem eingestellt habe. Ich wusste von deinen Tätigkeiten bei den Todessern, den Mordversuchen an Dumbledore und vom Verschwinden des Draco Malfoy vor einigen Wochen und mir kam es komisch vor, dass du genau dann aufgetaucht bist. Denn du hattest die magische Aura. Ich fragte nach einem Foto und identifizierte dich sofort, doch als ganz anderen Menschen. Du warst fröhlich, offen, aber irgendwie auch verletzlich und gebrochen. Doch ich sah sofort den geborenen Buchhändler in dir.

Nach und nach wurde mir dann klar, dass ich richtig lag und du tatsächlich ein anderer Mensch geworden warst. Ich baute vertrauen zu dir auf, welches bis heute anhält. Ich beschloss, dir den Bücherladen zu vererben, was ganz sicher die richtige Entscheidung war.

Ich nahm alle Informationen aus der magischen Welt um Geschichten zu erzählen, so auch die Geschichte zwischen Harry und dir. Ich habe sie der kleinen Hannah erzählt.

Doch lass dir eins gesagt sein, Draco. Ich bin keine alte Frau mit einem schlimmen Schicksal. Es gibt Familien, die es schlimmer getroffen hat. Ich bin einfach nur die alte Frau aus dem Buchladen zwei Straßen weiter.

Ich wünsche dir nur das Beste für deine Zukunft, dass alle deine Wünsche in Erfüllung gehen und du irgendwann, am Ende deiner Tage auf dein Leben zurückblicken kannst und stolz auf dich sein kannst.

Alles Liebe

Lydia Silvers.

PS: Wenn du das nach meinem Tod liest... Habe ich inzwischen das Buch über Unwettergebiete in Asien und ihre Gefahren* verkauft? Es steht seit drei Jahren herum und keiner will es haben...


Draco legte die Papiere beiseite. Miss Silvers war also ein Squib gewesen. Doch es änderte nichts. Draco hatte immer noch die freundliche Dame vor Augen, wenn er an sie dachte.

Die Glocke des Ladens läutete und Harry steckte seinen Kopf durch die Tür. Er musterte den Brief und lächelte.

„Hast du ihn endlich gelesen?" Draco nickte. Harry fragte ihn nicht weiter aus, sondern ergriff sich einfach nur seine Hand und zog ihm aus den Laden. Draco schloss noch schnell ab.

„Wir müssen Hannah noch von ihrer Freundin abholen. Dann machen wir uns einen gemütlichen Filmabend mit der Familie, einverstanden?" Draco nickte glücklich.



*hat jemand das Buch erkannt? Es ist das Buch, dass Harry in Kapitel 16 aus dem Regal nimmt, als er peinlich berührt im Buchladen steht. Helene nimmt es ihm aus der Hand und gibt ihm einen Kriminalroman, der wesentlich spannender zu sein scheint :)

The DeerHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin