# 25

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- Lola -

„Lola? Schätzchen?“
„Hä? Was?“
Verwirrt drehe ich meinen Kopf in Xenias Richtung, die mir an einem der vielen Kneipentische gegenübersitzt und mich, zusammen mit Rohan auf dem Stuhl neben mir, sowohl amüsiert als auch abwartend mustert.
Oh nein. Nicht schon wieder…
Bemüht ein Augenrollen zu unterdrücken, schenke ich den beiden ein zerknirschtes Lächeln.
„Ich bin mit meinen Gedanken wieder abgeschweift, oder?“
„Das können wir dir nicht beantworten, sondern nur an deinem leicht abwesenden Blick erahnen, Liebes“, entgegnet Xenia, die mich jedoch verständnisvoll anlächelt und sich ein Stück vorlehnt, um meine Hand auf dem Tisch sanft zu tätscheln, „aber es ist ja auch mehr als nachvollziehbar, dass du bei all dem Stress mit den Hochzeitsvorbereitungen hin und wieder mit deinen Gedanken woanders bist.“
„Ähm, ja…wahrscheinlich“, erwidere ich zögernd und bemühe mich darum, mein Lächeln aufrechtzuerhalten, während ich Xenia gleichzeitig in meinen Gedanken widersprechen muss.
Denn auch wenn sie Recht hat, dass die Hochzeitsvorbereitungen mit einem gewissen Maß an Stress verbunden sind, war es nicht der Grund für meine mentale Abwesenheit.
Dieser Grund ist wohl Zoe geschuldet.
Beziehungsweise Zoes komischem  Verhalten seit gestern Nachmittag.
Auch wenn sie auf mein mehrmaliges Nachfragen hin immer wieder gesagt hat, dass alles in Ordnung wäre, werde ich das Gefühl nicht los, dass sie irgendetwas beschäftigt.
Ob sie wieder Streit mit Marie hatte?
Oder ob Constantin sie erneut angerufen hat?
Aber warum sollte Zoe mir nicht davon erzählen und mir stattdessen vorspielen, dass alles in Ordnung wäre?
Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn…
Oder…verheimlicht sie mir vielleicht etwas?
„Also, wie schon gesagt“, fährt Xenia mit einem entschlossenen Schulterstraffen fort und lässt ihren Blick zurück zu den vor ihr liegenden Papieren streifen, „Pierre und ich haben uns einige Gedanken bezüglich der Gestaltung eures Hochzeitsmenüs gemacht. Wir dachten dabei an eine Mischung aus kalten und warmen Speisen. Salate. Canapés. Fisch- und Fleischgerichte. Verschiedene Käsesorten und Desserts. Und natürlich eine große Auswahl an
dazu passenden Getränken. Aber ich denke, es ist das Beste, wenn du die Unterlagen mitnimmst und unsere Vorschläge zusammen mit deiner Zoe besprichst, was davon ihr letztendlich auf eurer Hochzeit haben wollt. Zumal Rohan und du, wenn ich mich recht erinnere, jetzt gleich noch zum Juwelier müsst, um die Ringe abzuholen, und somit ohnehin nicht mehr allzu viel Zeit habt, nicht wahr?“
„Ja, das hast du sehr richtig in Erinnerung“, erwidert Rohan, der gerade dabei ist, einen prüfenden Blick auf seine Armbanduhr zu werfen, woraufhin Xenia mir wissend zuzwinkert und dabei gleichzeitig die vor ihr liegenden Papiere zu einem dünnen Stapel zusammenschiebt.
„Gut, dann sind wir uns ja einig“, sagt sie mit einem zustimmenden Nicken und steckt die Papiere des zusammengeschobenen Stapels an der oberen linken Ecke mit einer Büroklammer zusammen, ehe sie mir den Stapel über den Tisch hinweg zuschiebt, „und wenn ihr noch Fragen oder alternative Wünsche hättet, könnt ihr diese Pierre oder mir jederzeit mitteilen, okay?“
„Okay. Danke, Xenia“, sage ich und nicke langsam, während ich mit einem dankbaren Lächeln nach dem dünnen Stapel greife, ihn einmal in der Mitte falte und anschließend in meiner Tasche verstaue, welche unten rechts an meinen Stuhl gelehnt ist, „und entschuldige bitte nochmal, dass ich so…na ja…abwesend gewesen bin.“
„Ach, mach dir darüber bitte keine Gedanken, Liebes“, entgegnet Xenia kopfschüttelnd und macht eine wegwerfende Handbewegung, „wie schon gesagt, bei all dem Drumherum, was bei der Planung einer Hochzeit so anfällt, ist es nur allzu verständlich, wenn man ab und an mal etwas abschaltet. Und solange du daran denkst, nächste Woche an deinem Junggesellinnenabschied hierhin zu kommen, bin ich dir auch nicht böse.“
Wie bitte?!
Junggesellinnenabschied?!
Während Xenia mir erneut zuzwinkert, diesmal etwas verschwörerischer, drehe ich meinen
Kopf mit einem leichten Stöhnen zu Rohan.
„War das deine oder Habibs Idee?“
„Ich weiß nicht, was du meinst“, entgegnet Rohan in einem betont unschuldigen Tonfall, wobei er sich jedoch ein belustigtes Grinsen nicht verkneifen kann, für das ich ihm mit einem weiteren Augenrollen gegen den Arm boxe.
„Mann, Rohan!“
„Was denn?“
„Ich dachte, du bist mein Trauzeuge!“
„Bin ich doch auch.“
„Und warum bist du dann nicht auf meiner Seite?!“ Ich boxe ihm erneut gegen den Arm. „Ich hab dir doch gesagt, dass ich so was nicht haben möchte! Wer weiß, was Habib sich für einen kranken Mist für den Abend ausgedacht hat!“
„Jetzt beruhig dich erst mal, Lola“, entgegnet Rohan immer noch sichtlich amüsiert und legt mir lächelnd eine Hand auf die Schulter, „erst einmal hat unser Bibi nichts mit der Idee von dem Junggesellinnenabend zu tun. Diese Idee stammt einzig und allein von uns Trauzeugen.“
„Von Direktorin Berger und dir?“, verwirrt und zweifelnd zugleich runzle ich die Stirn, „und wozu?“
„Nun ja“, Rohan lässt seine Hand wieder sinken und lehnt sich stattdessen etwas in seinem Stuhl zurück, „wir haben uns gedacht, dass Zoe und du bei all dem Trubel in den letzten und auch kommenden Tagen und Wochen ein wenig Entspannung und Ablenkung gebrauchen könntet. Und was gäbe es da Besseres, als einen schönen Abend im Kreis eurer engsten Freunde?“
Na ja, ein Abend ganz allein mit Zoe wäre auch nicht schlecht gewesen…
Doch anstatt meinen Gedanken laut auszusprechen, seufze ich tief und erwidere Rohans Lächeln.
„Ja, das ist wirklich eine schöne Idee, Rohan. Also…verbringen wir alle dann den Abend zusammen oder…?“
„Nein, nicht ganz“, entgegnet Rohan und schüttelt den Kopf, „Direktorin Berger und ihre Freundin Romy werden zusammen mit Zoe wahrscheinlich irgendwo etwas trinken gehen, während wir den Abend hier bei Xenia verbringen werden. Also du, ich, Habib, Marvin und Rebecca.“
„Marvin und Rebecca?“ Meine Augen weiten sich. „Ich dachte, die zwei wären noch so krass mit ihrer Uni beschäftigt und könnten erst zu unserer Hochzeit vorbeikommen.“
„Aber den Junggesellinnenabschied wollen sie sich trotzdem nicht entgehen lassen“, erwidert Rohan und grinst mich breit an, bevor er sich mit vielsagender Miene zu mir vorlehnt, „und keine Sorge. Wenn Bibi sich irgendeinen schlechten Scherz für diesen Abend überlegt haben sollte, sperre ich ihn höchstpersönlich in Xenias Keller.“
„Wie schön, dass ich auch mal von diesem Plan erfahre“, höre ich Xenia sagen und sehe aus den Augenwinkeln, wie sie schmunzelnd zwischen Rohan und mir hin und herschaut, bevor sie mit ihrem Kopf in Richtung Tür deutet, „so, und jetzt ab mit euch zum Juwelier. Ohne Ringe könnt ihr euch den Junggesellinnenabschied nämlich von vornherein abschminken.“

- Zoe -

„Ich hätte ihr davon erzählen sollen. Ich hätte ihr davon erzählen sollen. Ich hätte…“
„Meine Güte, Zouzou!“, stöhnt Marie hinter mir genervt auf, „entspann dich doch mal! Du textest mich jetzt schon seit Stunden mit diesem dämlichen Mantra zu. Irgendwann muss es doch mal genug sein!“
„Aber ich hätte Lola nunmal davon erzählen sollen“, entgegne ich und drehe mich von der geöffneten Balkontür weg und zu meiner Schwester hin, die im Wohnzimmer auf dem Sofa liegend einen Arm über ihr Gesicht gelegt hat, wodurch ihre Augen von der Beuge ihres Ellenbogens verdeckt werden, „ich…ich hätte ihr unsere gestrige Begegnung mit Robert nicht verschweigen dürfen. Und ich ärgere mich einfach so unfassbar sehr, dass ich es getan habe.“
„Und warum?“
Maries Frage lässt mich irritiert blinzeln. „Warum?“
„Ja, warum?“ Die Stimme meiner großen Schwester klingt immer noch mehr als genervt, als sie ihren Arm von ihrem Gesicht nimmt und sich mit einer schwungvollen Bewegung aufsetzt, um in meine Richtung zu schauen, „warum glaubst du, dass du Lola unbedingt davon erzählen musst? Ich meine, Robert ist dein Exmann. Und wir haben ihn zufällig in einem Blumenladen getroffen. Da ist doch nichts Schlimmes dran. Es ist ja nicht so, als hättest du dich absichtlich mit ihm in dem Laden getroffen. Oder als hättet ihr euch geküsst oder miteinander…“
„Marie!“
„Ich sag ja nur!“, erwidert Marie auf meinen Ausruf hin und hebt beschwichtigend die Hände, „ganz ehrlich, Zouzou...so wie du dich hier die ganze Zeit über aufführst, könnte man glatt meinen, du hättest Lola betrogen und hättest jetzt ein unfassbar schlechtes Gewissen.“
„Das…ich….das…ich…“ Die Bruchstücke, die aus meinem Mund stolpern, lassen sich genauso wenig zu einem vollständigen Satz zusammensetzen, wie die splitterhaften Gedanken in meinem Kopf, bis ich schließlich meine Schultern mit einem entschlossenen Schnauben straffe. „Ich würde Lola nie betrügen Niemals! Das weißt du ganz genau!“
„Das habe ich auch nicht behauptet. Ich habe nur gesagt, dass du durch dein komisches Verhalten einen solchen Eindruck erweckst“, entgegnet Marie, die mit einem weiteren genervten Stöhnen den Kopf in ihren Nacken legt, „und wenn es dich wirklich so sehr belastet, dass du Lola nichts von unserer völlig belanglosen Begegnung mit Robert erzählt hast, kannst du das doch jederzeit nachholen.“
„Nein, das kann ich eben nicht!“, stoße ich frustriert hervor und fahre mir mit einer Hand durch meine Haare, welche durch das permanente Hindurchstreichen schon vollkommen zerzaust sind, „ich meine, wie sieht das denn bitte aus, wenn ich ihr plötzlich erzähle, dass wir Robert begegnet sind? Zumal Lola mich seit gestern Nachmittag auch ständig gefragt hat, ob mich irgendetwas beschäftigen würde und ich es jedes Mal verneint habe. Wenn ich ihr also jetzt von dieser…dieser Begegnung mit Robert erzähle, dann…dann denkt sie vermutlich noch, dass ich ihr aus einem bestimmten Grund nicht davon erzählt habe…dass ich vielleicht noch Gefühle für Robert habe…und ich möchte nicht, dass sie so etwas denkt…erst recht nicht so kurz vor unserer Hochzeit.“
Ich seufze tief und lasse kraftlos meinen Kopf hängen.
Warum musste Robert gestern nur in diesen Blumenladen kommen?
Warum muss er überhaupt hier in der Stadt sein?
Und warum, verdammt nochmal, fühle ich mich in seiner Gegenwart immer noch so sprach- und generell handlungsunfähig wie früher?
All die Jahre, die wir zusammen verbracht haben, hat er mich schlecht behandelt.
Er hat mich betrogen.
Er hat mir das Herz gebrochen.
Und ich liebe ihn nicht mehr.
Ich weiß, dass ich ihn nicht mehr liebe.
Ich liebe Lola.
Ich liebe sie über alles.
Aber warum, warum zum Teufel, verfalle ich immer wieder in diese dämlichen alten Muster und Verhaltensweisen von damals, wenn ich Robert begegne?!
Ist es Gewohnheit?
Oder eine Art fehlgeleiteter Zuneigung?
Ein letzter Rest meiner früheren Gefühle für ihn, welchen ich einfach nicht loswerde?
„Also, verstehe ich das richtig?“, beginnt Marie und richtet sich etwas mehr auf, ehe sie mich mit schiefgelegtem Kopf betrachtet, „es belastet dich, dass du Lola nichts von unserem zufälligen Aufeinandertreffen mit Robert erzählt hast, aber gleichzeitig möchtest du ihr auch jetzt nichts mehr davon erzählen, weil du denkst, dass sie dadurch falsche Rückschlüsse ziehen könnte, was deine alten Gefühle für Robert angeht?“
„Ähm…ja…genau“, murmle ich und beiße mir auf die Unterlippe, als ich Maries verständnislosen Blick begegne, die sich kurz darauf kopfschüttelnd wieder rücklings aufs
Sofa fallen lässt.
„Dir ist wirklich nicht mehr zu helfen, Zouzou.“
Wem sagst du das, Schwesterherz…wem sagst du das…

Hochzeit Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 3) (girlxgirl; wedding)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt