# 34

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- Lola -

„Also, gut…ähm…“
Mit einem zögernden Seitenblick in meine Richtung und einem anschließenden Räuspern kratzt Nico sich mit einer Hand hinterm Kopf, bevor er wieder zurück auf den noch geschlossenen Briefumschlag in seiner anderen Hand schaut.
Schon als ich vor einer knappen Viertelstunde in der Autowerkstatt angekommen und anschließend zusammen mit Nico nach draußen zu seinem Motorrad gegangen bin, um dort den Brief aus dem Netz zu kramen, in welchem er seinen Zweithelm verstaut hat, habe ich Nico diese für ihn recht ungewöhnliche Anspannung angemerkt, auch wenn er vergeblich versucht hat, sie so gut wie möglich hinter seinem schiefen Grinsen zu verstecken.
Allerdings würde ich lügen, wenn ich sage, dass es mir in der Hinsicht anders gehen würde, so unruhig, wie ich schon die ganze Zeit über auf meiner Unterlippe herumkaue und jetzt genauso gebannt wie Nico auf den Briefumschlag in seiner Hand starre.
Denn egal was bei dem Test herausgekommen ist…dieses Ergebnis wird Nicos und mein Leben grundlegend auf den Kopf stellen…
Ich blinzle überrascht, als Nico wieder zu mir schaut und mir mit einem weiteren Räuspern den Umschlag auffordernd hinhält.
„Willst du ihn vielleicht aufmachen, Löckchen?“
„Wieso?“, frage ich und versuche, mein klopfendes Herz mit einer herausfordernd gehobenen Augenbraue zu überspielen, während Nico sich wieder hinter seinem schiefen und mittlerweile an den Mundwinkeln leicht zuckenden Grinsen versteckt, „traust du dich etwa nicht?“
„Doch, klar“, entgegnet Nico und lacht amüsiert auf, was jedoch nicht allzu überzeugend klingt, „aber wir wollten uns das Ergebnis ja zusammen ansehen.“
„Und deswegen soll ich den Brief aufmachen, ja?“
„Ganz genau. Oder traust du dich etwa nicht?“
Mit einem Seufzer verdrehe ich die Augen. „Ach, gib schon her.“
Entschlossener, als ich es in diesem Moment von mir erwartet hätte, ziehe ich Nico den Umschlag aus der Hand und reiße ihn auf, wobei das leichte Zittern meiner Finger diese Aufgabe jedoch etwas umständlicher macht, als sie ursprünglich gewesen wäre.
Trotzdem versuche ich so gefasst wie möglich den zusammengefalteten Brief heraus zu ziehen und drücke ihn, gemeinsam mit dem Umschlag, wieder so schnell zurück in Nicos Hand, als würde es sich dabei um glühende Kohlen handeln.
„Hier. Ich habe den Brief aufgemacht und dafür schaust du nach, was drin steht.“
„Das kannst du doch genauso gut machen. Immerhin hast du den Umschlag schon aufgemacht.“
„Genau, aufgemacht. Du hast nur von aufmachen gesprochen und nicht vom Lesen des Briefes“, erkläre ich bestimmt, während Nico nun die Augen verdreht.
„Du bist aber heute ganz schön überkorrekt“, sagt er und holt tief Luft, ehe er seinen Blick wieder hinab zu dem Brief sinken lässt, „und du willst wirklich nicht als Erste das Ergebnis wissen?“
„Jetzt schau schon nach.“
Trotz der Aufforderung ist meine Stimme recht sanft und ich versuche, Nico ein aufmunterndes Lächeln zu schenken, als er wieder zu mir sieht und mir anschließend mein Lächeln mit einem kurzen Nicken quittiert.
„Okay“, sagt er leise, wenn auch mehr zu sich selbst, und beginnt unter leichtem Papierrascheln den Brief auseinander zu falten und zu lesen.
Schweigend sehe ich dabei zu, wie seine dunklen Augen über den Brief gleiten, wobei sein Gesicht nicht mehr als eine ausdruckslose Maske ist.
Keine Überraschung.
Kein Schock.
Keine Freude.
Keine Enttäuschung.
Nichts.
Na super…wie soll ich denn so bitte das Ergebnis von dem Test erahnen, wenn Nico überhaupt keine Reaktion zeigt?!
„Also, was ist jetzt?“, frage ich nach einer gefühlten Ewigkeit, in der Nico nur stumm auf den Brief in seinen Händen geschaut und ihn immer wieder aufs Neue gelesen hat, „was steht in dem Brief?“
„Na ja“, sagt Nico betont langsam und holt tief Luft, während er von dem Brief auf- und mich einen Moment lang einfach nur ansieht, ehe er mir mit einem warmen Lächeln den Brief
entgegenhält, „sieht so aus, als müssten deine Verlobte und du mir  eine Einladung zu eurer Hochzeit zukommen lassen…“

- Zoe -

„I-Ich…ä-äh…“
Stammelnd starre ich Constantin an, der meinen Blick fest und fast schon wütend aus seinen übermüdeten Augen erwidert.
So wie er aussieht, ist er wahrscheinlich die halbe Nacht von Paris bis hierhin gefahren…
Wobei…dafür sieht er eigentlich zu fertig aus…
Wahrscheinlich hat er seit Maries plötzlichem Verschwinden mit den Zwillingen nicht mehr gescheit geschlafen…
Aber das erklärt noch lange nicht, warum er ausgerechnet jetzt hier auftaucht.
Ich meine, ich habe ihm doch gesagt, dass Marie und die Kinder angeblich nicht hier sind…
Und Marie wird ihn ja wohl kaum angerufen haben, ohne mir davon zu erzählen…
Wie kommt er also darauf?
Und vor allen Dingen…was soll ich ihm denn jetzt bitte sagen?!
Dass Marie, Amélie und Thibault gemütlich in der Küche sitzen und frühstücken?!
„Zoe“, holt Constantins Stimme mich aus meinen karussellartigen Gedanken zurück, „tu ne m’as pas entendue? Ich möchte mit Marie sprechen.“
„Ähm…ja, doch…i-ich…i-ich habe dich schon gehört, Constantin“, erwidere ich und schlucke hart, während ich meinen Kopf fieberhaft nach einer plausiblen Ausrede durchforste, „aber…ähm…M-Marie ist gar nicht hier und…“
„Bitte lüg mich nicht an, Zoe“, unterbricht Constantin mich, wobei der wachsende Ärger in seiner Stimme mich leicht zusammenzucken lässt, „ich weiß…certainement…ganz sicher…, dass Marie und die Kinder hier sind. Und ich werde nicht eher gehen, bis ich mit Marie gesprochen habe. Tu as compris?“
Na ganz toll…
Ich schlucke erneut, während meine Finger die Türklinke in meiner Hand etwas fester umfassen und ich versuche, durch das Straffen meiner Schultern etwas an Selbstsicherheit
wieder zu gewinnen.
„U-Und w-woher…äh…woher willst du denn so genau wissen, dass Marie und die Kinder hier…“
„Papa!“
Der freudige und fast synchrone  Ausruf von Amélie und Thibault hinter mir schneidet mir erneut das Wort ab und lässt mich innerlich die Augen verdrehen, während Constantin sich mit einem erleichterten Lächeln hinhockt, um die Zwillinge zur Begrüßung in eine feste Doppelumarmung zu schließen, die sich zuvor etwas unsanft an mir vorbeigedrängt haben.
„Da bist du ja!“, sagt Amélie und strahlt ihren Vater breit an, als sie und ihr Bruder sich wieder aus der Umarmung gelöst haben.
„Wir dachten schon, du kommst gar nicht mehr“, ergänzt Thibault und wirft Amélie einen kurzen Seitenblick zu, die zustimmend nickt, woraufhin Constantin den beiden immer noch
lächelnd über den Kopf streicht.
„Ich habe euch doch versprochen, dass ich mich gleich auf den Weg mache, n’est-ce pas?“, sagt er und zwinkert den Zwillingen zu, bevor sein Gesicht wieder härtere Züge annimmt, als er meinem vollkommen verwirrten Blick begegnet.
„Ihr…ihr habt miteinander gesprochen?“, frage ich und blinzle mehrmals, während ich abwechselnd zwischen Constantin und den Kindern hin und her schaue.
„Oui.“ Mit einem knappen Nicken steht Constantin wieder auf und streicht seine Anzughose glatt. „Amélie und Thibault haben mich gestern Abend zu Hause angerufen.“
„Gestern Abend?“ Noch verwirrter als zuvor blinzle ich noch mehr. „Und wann?“
„Als Mama duschen war und Lola und du in der Küche gewesen sind, um das Abendessen vorzubereiten“, beantwortet Thibault meine Frage mit einem unschuldigen Lächeln, während Amélie neben ihm erneut zustimmend nickt.
„Genau. Ihr konntet uns ja alle nicht sagen, wann Papa endlich Urlaub hat und zu uns nachkommt und da dachten wir, dass wir ihn einfach selber fragen.“
„Verstehe“, erwidere ich murmelnd auf die Erklärung meiner Nichte hin und beiße mir auf die Unterlippe.
Das erklärt zumindest den verschwörerischen Blick, den die Zwillinge sich vorhin zugeworfen haben…
Und weshalb Constantin so sicher sagen konnte, dass Marie und die Kinder hier sind…
Und auch, weswegen er vorhin so verärgert gewesen ist. Denn wenn Amélie und Thibault ihm erzählt haben, dass sie schon die ganze Zeit über zusammen mit Marie hier gewesen sind, weiß er auch, dass ich ihn damals während unseres Telefonats angelogen habe…oh je…
Mein Biss auf meine Unterlippe wird etwas stärker und ich schaue schuldbewusst und mit leicht zwischen die Schultern gezogenem Kopf wieder zu Constantin, in dessen Blick sich immer noch eine Mischung aus Wut und Enttäuschung abzeichnet, bis sich seine Augen mit
einem Mal ein Stück weiten, als sich sein Blick auf etwas hinter mir richtet.
„Guck mal, Mama! Papa ist da!“, ruft Thibault und zeigt voller Stolz auf Constantin, während ich mich umdrehe und Marie sehe, die im Türrahmen zur Küche erschienen ist und mit einem unleserlichen Gesichtsausdruck in unsere Richtung schaut.
„Ja…das sehe ich“, erwidert sie überraschend kühl und verschränkt die Arme vor der Brust, wobei sie Constantin aus schmal geformten Augen anfunkelt, „und was willst du hier?“
„Na ja, wir haben Papa angerufen und…“
„Ich habe nicht mit dir gesprochen, Amélie!“, faucht Marie scharf, seufzt im nächsten Moment jedoch bedauernd auf, als sie den verunsicherten Gesichtsausdruck ihrer Tochter sieht, die sich vor Schreck fest an mein Hosenbein geklammert hat, „bitte entschuldige, mein Schatz. Ich…ich wollte dich nicht so anfahren…“
„Schon okay“, murmelt Amélie und schaut zu mir hoch, während ich ihr beruhigend übers Haar streiche und nach kurzem Hin- und Herschauen zwischen Marie und Constantin tief
durchatme.
„Ich glaube“, setze ich an und schaue wieder zu den Zwillingen hinab, die meinen Blick aus großen Augen erwidern, „wir sollten eure Eltern mal alleine lassen…“

Hochzeit Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 3) (girlxgirl; wedding)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt