- Lola -
„W-Was?“
Mit einer Mischung aus Verwirrung und Fassungslosigkeit schaut Zoe mich mehrfach blinzelnd an, bis sie sich schließlich leicht räuspert.
„W-Wieso…w-wieso möchtest du das denn wissen…c-chérie?“, fragt sie mit zitternder Stimme und zupft dabei unruhig an einer ihrer blonden Haarsträhnen, während ich sie weiterhin forschend ansehe.
„Wieso nicht?“, frage ich und stemme eine Hand in die Hüfte, als ich mein Gewicht von der einen auf die andere Seite verlagere.
„Na ja, weil…also…“, Zoe weicht meinem Blick aus, wobei sie noch mehr an ihrer Haarsträhne zupft, „ich…ich dachte eigentlich, dass du über uns reden möchtest. Und meine
frühere Beziehung zu Robert hat ja jetzt nicht unbedingt direkt etwas mit uns zu tun…“
„Aber indirekt schon“, entgegne ich und verschränke nun die Arme vor der Brust, wobei mein Blick jedoch gleichzeitig etwas weicher wird, „ich dachte, du wolltest mir deine Liebe
beweisen.“
„Indem ich dir von Robert erzähle?“ Der Zweifel in Zoes Stimme spiegelt sich auf ihrem Gesicht wieder, welches sie nach kurzem Zögern wieder zu mir dreht, bevor sie sich an einem schwachen Lächeln versucht. „Um ehrlich zu sein, hatte ich mir für den Beweis meiner Liebe etwas Romantischeres vorgestellt, als dir von meiner Beziehung mit meinem Exmann zu berichten.“
„Glaub mir, ich könnte mir auch was Schöneres vorstellen“, erwidere ich mit einem kurzen und verächtlichen Schnauben, während ich aber zeitgleich zaghaft einen Schritt auf Zoe zutrete, wodurch sich die braunen Augen meiner Verlobten ein gutes Stück weiten, „aber ich…ich möchte es einfach verstehen, weißt du? Ich möchte diese…diese komische Bindung, die da zwischen euch herrscht….und die du dir selber nicht wirklich erklären kannst…einfach nur verstehen.“
Für einige endlos lange Augenblicke schaut Zoe mich einfach nur an, bis sie schließlich tief Luft holt und erneut mit einem leichten Kopfschütteln zur Seite schaut.
„Ich weiß nicht, chérie. Ich…ich habe Robert zu einer Zeit kennengelernt, als ich sehr unglücklich war…und als es mir nicht gut ging. Eine Zeit, an die ich nicht gerne zurückdenke…“
Verwundert runzle ich die Stirn. „Ich dachte, du hättest Robert zu deiner Schulzeit in der Oberstufe kennengelernt?“
„Ganz genau…“- Zoe -
„Na, Super-Französin?“
Beim abfälligen Klang von Patricias Stimme zucke ich unwillkürlich zusammen und halte in meiner Bewegung, mit der ich bis vor ein paar Sekunden noch meine auf dem Tisch befindlichen Schulsachen in meine Tasche geräumt habe, inne, um stattdessen langsam meinen Kopf zu heben und dem höhnischen Blick zu begegnen, mit dem Patricia und ihre
Freundinnen Denise und Nadja mich von oben herab mustern.
Dabei fahren meine Augen gleichzeitig für einen kurzen Moment durchs Klassenzimmer und mein Herz sinkt, als ich bemerke, dass wir vier die letzten Schülerinnen im Raum sind.
Verdammt…nicht schon wieder…
Ich schlucke kaum merklich und versuche, mir mein Unbehagen nicht allzu offensichtlich anmerken zu lassen, womit ich jedoch eher weniger erfolgreich bin.
Gerade Patricias blaue Augen blitzen mich boshaft und wissend zugleich an, ehe sie mit einem fast schon koketten Lachen ihre dunklen Locken aufschüttelt und sich anschließend mit
einer Hand auf meinen Tisch stützt, um sich ein Stück zu mir vorzulehnen.
„Sag mal…kann es sein, dass du unsere Abmachung vergessen hast?“
Ich schlucke erneut, diesmal etwas doller, ehe ich zögernd mit dem Kopf schüttle.
„Nein, Patricia. Ich…ich habe unsere Abmachung nicht vergessen“, sage ich kleinlaut und beiße mir auf die Unterlippe, während Patricia mich weiterhin mit diesem speziellen Blick
ansieht.
„Ach, tatsächlich?“, fragt sie und lacht erneut süffisant auf, bevor sich innerhalb von wenigen Wimpernschlägen ihr Gesicht zu einer eiskalten Maske verzieht, „und warum hältst du dich dann nicht daran? Hm?“
„Ich…ähm…also…“
„Kannst du vielleicht auch in ganzen Sätzen sprechen, Super-Französin? Dieses sinnlose Gestammel ist doch wirklich erbärmlich! Wobei…dann passt es ja eigentlich auch perfekt zu
dir.“
Während Denise und Nadja neben ihr gehässig auflachen, zeichnet sich ein überlegenes Lächeln auf Patricias Lippen ab, wohingegen ich auf meinem Stuhl immer weiter zusammensinke.
„Hey!“ Patricias abruptes Fingerschnipsen direkt vor meinem Gesicht lässt mich erschrocken zusammenzucken. „Du hast meine Frage noch nicht beantwortet, Super-
Französin! Warum hältst du dich nicht an unsere Abmachung? Warum hast du meinen Aufsatz nicht geschrieben? Du hast ja anscheinend genug Zeit für deinen gehabt, also kannst du mir ja auch bestimmt erklären, wieso du meinen nicht geschrieben hast, nicht wahr?!“
„Ich …“ Ich räuspere mich, in der Hoffnung meine brüchige Stimme etwas fester klingen zu lassen, während ich gleichzeitig mühsam meine aufsteigenden Tränen unterdrücke. „Ich…ich konnte deinen Aufsatz nicht schreiben, weil…weil meine Mutter am Wochenende ein Schub bekommen hat und dadurch ins Krankenhaus…“
„Ach, und ich soll jetzt eine schlechte Note bekommen, nur weil deine Mutter einen ihrer komischen Anfälle hatte, ja?!“, schneidet Patricia mir fauchend das Wort ab und knallt ihre beiden Hände so fest vor mir auf den Tisch, dass mir ein quietschender Schreckenslaut entfährt, „glaubst du ernsthaft, dass es mich auch nur im Entferntesten interessiert, wie es dir,
deiner Mutter oder sonst wem aus deiner bemitleidenswerten Familie geht?! Ich erwarte nur von dir, dass du dich an unsere Abmachungen hältst, kapiert?!“
Ich nicke kaum merklich und quietsche erneut auf, als Patricia mich am Kinn packt und meinen Kopf ruckartig nach oben drückt, wodurch ich sie ansehen muss.
„Kapiert, Super-Französin?!“
„J-Ja“, erwidere ich schwach und zittere leicht, als Patricia mein Kinn wieder loslässt, nur um mir kurz darauf ein paar tätschelnde Ohrfeigen gegen meine rechte Wange zu geben.
„Sehr schön“, sagt sie, wobei der jetzt samtige Tonfall ihrer Stimme nichts mehr von der vorhin noch vorhandenen Kälte erahnen lässt, „du hast ja Frau Kramer gehört. Ich habe bis morgen früh Zeit, um ihr den Aufsatz nachzureichen. Also wirst du eine hübsche Nachtschicht einlegen und den Aufsatz schreiben, der mir eine hervorragende Note beschert, nicht wahr?“
Ich nicke wortlos, da mein Hals mittlerweile vollkommen zugeschnürt ist, während Patricia sich spöttisch lächelnd wieder vollständig vor mir aufbaut.
„Dann bis morgen, Super-Französin“, sagt sie verächtlich und wirft sich ihre dunklen Locken gekonnt über die Schulter, als sie sich umdreht und, dicht gefolgt von Denise und Nadja, aus dem Klassenraum verschwindet, wodurch ich alleine darin zurückbleibe.
Ich brauche einige Augenblicke, bis ich es schaffe, meinen vor Panik hämmernden Herzschlag durch tiefes Ein- und Ausatmen wieder zu beruhigen, ehe ich meine restlichen
Sachen zusammenpacke und anschließend mit eiligen Schritten durch den Klassenraum haste,
um ihn zu verlassen und weiter über den mittlerweile leeren Schulflur Richtung Ausgang zu laufen.
Man sollte meinen, dass ich mich seit meinem Schulwechsel vor etwa drei Jahren mittlerweile an Patricia und ihre Machenschaften gewöhnt habe, aber stattdessen habe ich das Gefühl,
dass ihre Spielchen von Jahr zu Jahr schlimmer werden, genauso wie die Konsequenzen, die folgen, wenn ich mich nicht an das halte, was sie von mir verlangt.
Anfangs waren es nur Einschüchterungen und unliebsame Gerüchte, die über mich verbreitet
wurden und durch welche ich bis heute keinen wirklichen Anschluss in der Stufe gefunden habe. Später sind diverse meiner Sachen unter ungeklärten Umständen abhanden gekommen, meine Fahrradreifen wurden zerstochen und die Bremsen manipuliert. Und eines Abends, als
ich auf dem Weg nach Hause gewesen bin, habe ich bemerkt, dass ich von einem mir unbekannten Typen verfolgt worden bin, welcher am nächsten Tag Patricia von der Schule abgeholt und sich als ihr Cousin herausgestellt hat.
Ich spüre, wie sich die vorhin noch zurückgehaltenen Tränen mehr und mehr in meinen Augen sammeln, bis sie schließlich in dünnen Streifen über meine Wangen laufen.
Na großartig…das auch noch…
Verärgert und verzweifelt zugleich wische ich mir mit einer Hand über die Augen, wodurch jedoch nur noch mehr Tränen über meine Wangen laufen.
Patricia hat Recht…ich bin wirklich erbärmlich…einfach nur erbärmlich…
„Woah, vorsicht!“
Parallel zu dem erschrockenen Ausruf spüre ich einen unsanften Stoß gegen meine Seite, welcher mich gefährlich zur Seite taumeln lässt, bevor ich jedoch noch rechtzeitig von zwei
großen Händen an den Schultern gepackt und wieder zurückgezogen werde, nur um kurz darauf in ein Paar charmant funkelnder blaugrauer Augen zu blicken.
„Tut mir Leid, da war ich wohl etwas zu schnell unterwegs“, höre ich eine angenehm warme Stimme entschuldigend sagen und mir stockt für einen Moment der Atem, als ich den Jungen vor mir als Robert König erkenne.
Einen der beliebtesten Schüler der Stufe, wenn nicht sogar der gesamten Schule…
Während ich Robert immer noch vollkommen perplex und aus weit aufgerissenen Augen anstarre, betrachtet Robert mich mit einem einnehmenden Lächeln, bevor sein Blick mit einem Mal fragend wird.
„Habe ich dich verletzt?“
„I-Ich…ä-äh…“, stammle ich unsicher und streiche mir nervös eine lose Haarsträhne hinters Ohr, bevor ich mit dem Kopf schüttle, „n-nein, keine Sorge, hast du nicht.“
„Und warum weinst du dann?“
„Tu-Tue ich doch g-gar nicht…“
Hastig wische ich mir erneut über meine Augen, wohingegen Robert wenig überzeugt die Arme vor seiner Brust verschränkt.
„Ist klar“, entgegnet er und zieht skeptisch eine Augenbraue hoch, bis seine blaugrauen Augen erneut auffunkeln, „hey, du…du bist doch Zoe, oder? Zoe aus meinem Geschichtskurs?“
„I-Ich…na ja…j-ja…“
Ich streiche mir erneut eine Haarsträhne hinters Ohr und weiche Roberts neugierigem Blick aus, während ich gleichzeitig ein leichtes Kribbeln spüre, welches sich in meinem Körper ausbreitet, bis Roberts Hand auf meiner Schulter mich doch wieder aufsehen lässt.
„Hast du…hast du vielleicht Lust, am Wochenende was mit mir zu unternehmen?“„Robert und ich haben uns danach immer öfter getroffen, bis wir schließlich ein paar Monate später zusammengekommen sind. Dadurch, dass wir ein Paar wurden, hörten Patricias Sticheleien und Erpressungen gegen mich sehr bald auf, auch wenn sie immer noch alles
andere als gut auf mich zu sprechen war, weil sie selber etwas von Robert wollte. Auch die anderen Schülerinnen und Schüler aus unserer Stufe waren mit einem Mal viel freundlicher zu mir, sprachen mit mir und beachteten mich, auch wenn ich natürlich wusste, dass das nur an
meiner Beziehung zu Robert liegt. Aber wiederum war es mir auch egal, weil ich endlich mal jemand war…weil ich endlich dazu gehörte, was ich mir für so lange Zeit gewünscht habe…“
Ich verstumme für einen Moment und hole tief Luft, während Lola mir weiter schweigend zuhört, ehe ich fortfahre.
„Ich…ich habe Robert zum damaligen Zeitpunkt wirklich sehr geliebt. Durch…durch ihn habe ich mich zum ersten Mal wirklich gesehen gefühlt und…und er hat mir das Gefühl
gegeben, einen Wert zu haben…einen Wert, der nicht von meinen schulischen Leistungen abhängig ist, sondern ganz allein in meiner Person begründet liegt...und dass ich es wert bin, geliebt zu werden…und deshalb…deshalb…“
Ich stocke, als ich mehr und mehr realisiere, was für unterbewusste Gedankengänge ich da eigentlich gerade von mir gebe, als ich mit einem Mal Lolas Wärme spüre, die unbemerkt neben mich getreten ist.
„Deshalb hast du so sehr an Robert gehangen. Deshalb hast du die ständigen Beziehungspausen über dich ergehen lassen. Deshalb hast du Robert trotz allem geheiratet und deine Wünsche stets hinten angestellt…weil er dir dieses Gefühl gegeben hat und…und weil er dieses Gefühl bis zu einem gewissen Grad heute immer noch in dir auslöst, nicht wahr Zoe?“
Lolas Stimme ist leise, mitfühlend und ohne Vorwürfe, während ich nur ein kraftloses Nicken zustande bringe und erst meinen Mund und anschließend mein gesamtes Gesicht mit einer Hand bedecke.
„Ich…ich bin so ein Idiot…“
„Nein, bist du nicht“, entgegnet Lola bestimmt und ich spüre, wie sich ihr Arm um meine Taille legt, um mich ein Stück zu ihr zu ziehen, „haben…haben deine Eltern von den Aktionen dieser Patricia gewusst? Oder zumindest Marie?“
„Nein“, ich schüttle den Kopf, während sich Lolas anderer Arm ebenfalls um mich legt und sie sich vor mich stellt, um mich aufmerksam aus ihren azurblauen Augen anzuschauen, „Marie und ich hatten damals noch ein recht schwieriges Verhältnis zueinander und meine
Eltern wollte ich nicht damit belasten, weil die beiden schon so viel mit der Krankheit meiner Mutter zu kämpfen hatten. Ich…ich habe versucht, das alles mit mir selber auszumachen…so
gut es eben ging...“
„Wodurch Robert ein noch leichteres Spiel mit dir hatte“, höre ich Lola verächtlich aufschnauben, was mich schuldbewusst meinen Kopf zwischen die Schultern ziehen lässt.
„Es…es tut mir Leid, Lola. Ich…ich hatte eigentlich gedacht, dass ich mittlerweile über diese Zeit hinweg bin, aber wenn ich gewusst hätte, dass…“
Doch bevor ich weitersprechen kann, lehnt Lola sich zu mir vor und versiegelt meine Lippen mit ihren.
Halb überrascht, halb erleichtert seufze ich in unseren Kuss und schließe meine Augen, bis Lola sich nach einigen Herzschlägen wieder von mir löst und ich ihrem sanften Lächeln begegne, als ich meine Augen wieder öffne.
„Du musst dich nicht entschuldigen, Zoe. Du am allerwenigsten, okay?“
„Aber wenn ich…“
„Nein, Zoe“, entgegnet Lola und schaut mich abwartend an, bis ich schließlich mit einem ergebenen Seufzen nicke.
„Na gut…wenn du meinst…“
„Ja, das meine ich, Zoe“, erwidert Lola mit einem entschlossenen Nicken, ehe sie mit ihren Fingern von meinen Hüften über meine Arme nach oben wandert, um ihre Hände hinter
meinem Nacken zu verschlingen. „Ich…ich möchte einfach nur, dass du weißt, dass du eine wundervolle, intelligente, einfühlsame, humorvolle und einfach nur atemberaubende Frau bist, die niemals ihren Wert anzweifeln sollte und dass ich dich über alles liebe.“
Chérie…
Mehr als gerührt über Lolas Worte versuche ich den Kloß, der sich in meinem Hals gebildet hat, herunterzuschlucken, ohne dabei die in meinen Augen aufsteigenden Tränen zu vergießen, was mir mehr schlecht als recht gelingt.
„Ich…ich habe dich und dein Verständnis gar nicht verdient, chérie…“, murmle ich kaum hörbar, woraufhin Lola mir einen weiteren Kuss auf die Lippen drückt.
„Du verdienst noch so viel mehr, Zoe. Und ich verspreche dir, dass ich dir das jeden einzelnen Tag unseres gemeinsamen Lebens zeigen und beweisen werde, damit du diese schlimme Zeit von früher endgültig aus deinem Gedächtnis streichen kannst.“
Gebannt halte ich den Atem an, während mein Herz wie verrückt gegen meinen Brustkorb hämmert.
„Dann…dann möchtest du immer noch mit mir zusammen sein…und mich…heiraten?“, frage ich leise, fast flüsternd, woraufhin Lola mich ein drittes Mal zu sich zieht und meine Lippen für einen deutlich längeren Kuss in Besitz nimmt, bevor sie sich im Anschluss mit einem strahlenden Lächeln wieder von mir löst.
„Aber natürlich, Zoe.“
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Hochzeit Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 3) (girlxgirl; wedding)
Romance- Fortsetzung zu „Liebe Auf Französisch" und „Weihnachten Auf Französisch" - Man sagt, dass die Hochzeit der schönste Tag des Lebens ist. Was einem jedoch niemand sagt, ist die Tatsache, dass bis zu diesem besagten schönsten Tag des Lebens eine Me...