16. Kapitel

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Es war Lilia unwohl dabei, schon wieder durch die Stadt zu laufen. Hauptsächlich hat sie Angst davor, Matt, Jessica und Ryan wieder über den Weg zu laufen. Darauf hatte sie absolut keine Lust. Denn dann würde sie es Meran erzählen müssen. Alles.
Da Meran sich noch nicht so auskennt, übernimmt Lilia die Führung. Da sie am Tag davor schon in der Stadt waren, bringt sie ihn nun woanders hin. Ihren früheren Lieblingsplatz in der Stadt. Der Goethe-Park. Früher war sie öfters hier. Hatte dort auch Ryan und die anderen kennengelernt. Doch als erstes hatte sie Casey getroffen gehabt. Ein leichter Schmerz zieht durch ihre Brust als sie an die Zeit zurückdenkt. Sie schüttelte kurz den Kopf, um die Gedanken zu vertreiben. Vor Meran darf sie sich nichts anmerken lassen. Sie zeigte ihm zunächst den Park, ehe sie sich ein schattiges Plätzchen unter einer großen Eiche aussucht. Hier war sie auch früher immer. Es liegt etwas abseits der großen Wiese, wo sich viele Menschen tummelten.
Sie zieht ihre Weste aus und setzt sich im Schneidersitz darauf. Meran tut es ihr gleich. Lilia holt ihr Handy aus der Hosentasche und schaltet leise Musik an. Das Album Sempiternal von Bring Me The Horizon. Meran lacht leise auf, da er passenderweise ein Shirt der Band trägt. Auch Lilia muss leicht lächeln. Bis sie ihn bestimmt anschaut. Er hatte es versprochen, also soll er sich gefälligst daran halten. Sie streckt sich zu ihm, streicht den Ärmel seines Shirts nachoben und fährt mit dem Finger über eine der vielen Narben.
"Jetzt erzählst du mir, warum du damit angefangen hast."

Meran lacht kurz auf. Er lehnt sich zurück, legt sich ins weiche Gras. Verschränkt die Arme hinter seinem Kopf.
"Sagst du mir dann auch, warum du angefangen hast?", fragt er. Er öffnet seine Augen nur einen Spalt breit, um sie anzusehen. Sie schüttelt bestimmt den Kopf.
"Das gehört nicht zur Abmachung.", begründet sie und sieht ihn weiterhin aufmerksam an. Meran seufzt leise. Schließt die Augen wieder und lehnt sich zurück.
"Es war wegen meiner besten Freundin... Ehemals beste Freundin." Lilia rückt näher heran und er beginnt zu erzählen. Von der Schule, wo er früher war. Und das seine einzige und beste Freundin, Caro, dort immer gemobbt wurde. Ähnlich wie Lilia. Sie begann irgendwann sich selbst zu verletzen. Er entdeckte es. Schloss einen Pakt mit ihr. Immer wenn sie sich schnitt, tat er es auch. Aber das wollte sie nicht. Deshalb half es ihr ein wenig, dass sie sich nicht immer verletzte.
"Das hielt aber natürlich nicht lange." Er setzt sich auf, sieht Lilia direkt an. Sie erschreckt fast, als sie in seine Augen sieht. Kein Funken Freude, wie sonst immer. Nur Trauer. Er seufzt.
"Sie begang Selbstmord. Und von da an tat ich es nicht um sie zu retten, sondern um mit den Schuldgefühlen, ihr nicht besser geholfen zu haben, klar zu kommen." Lilia steigen Tränen in die Augen. Er klingt so traurig. Unbewusst umarmt sie ihn. Bis Meran leise lacht. Verwundert sieht sie ihn an.
"Hey, alles ok.", lächelt er sie an. Sie rückt wieder ein Stück zurück. Damit sie ihn besser ansehen kann.
"Mit der Zeit begriff ich, dass das gar nichts bringt. Ich hab geschafft aufzuhören. Und kurz darauf sind wir hierher gezogen." Er lächelt sie sanft an. Liebevoll. Ohne Trauer im Blick. Lilia ist verwirrt.
"Und dann treff' ich hier auf so ein schönes und zugleich verzweifeltes Mädchen. Da kann ich nicht einfach nichts tun." Überrascht sieht Lilia ihn an. Ein paar Tränen stehlen sich aus ihren Augen. Sie kichert leise, als sie sie wegwischt.
"Danke. Das du es mir erzählt hast. Und mir helfen willst." Sie lächelt ihn an. Ehrlich. Von ganzem Herzen. Für Meran kommt das unerwartet. Er hat sie noch nie so schön lächeln sehen. Und zum ersten Mal ist es sein Herz, das beginnt schneller zu schlagen.

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