40. Kapitel

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Lilia wird immer nervöser. Was soll sie nur tun? Wenn sie ihn abwehrt, ist er vielleicht verletzt. Und wenn nicht... Das will sie sich gar nicht vorstellen. Schließlich hat sie Meran und das will sie ihm nicht antun. Selbst wenn er es nicht weiß. Solange sie es weiß... weiß, was sie getan hat, könnte sie ihn nicht mehr ansehen. Oder auch nur mit ihm reden. Sie würde gar nichts mehr wollen, würde nicht mehr leben wollen. Niemals will sie jemandem so etwas antun. Schon gar nicht Meran, der ihr so viel bedeutet.
Während ihr all das durch den Kopf geht, handelt ihr Körper aber von selbst. Unsanft schubst sie Cayden weg und springt hastig auf. Geschockt sieht sie auf Cayden, der vor ihr auf dem Boden sitzt und entschuldigend zu ihr aufsieht.
"Tut mir leid!", sagt sie schnell und rennt weg. Auf seine Rufe reagiert sie nicht, läuft einfach weiter. Ohne auch nur vor sich zu sehen. Blind vor Tränen. Sie kennt die Stadt, schließlich wuchs sie hier auf. Egal wo sie gerade hinrennt, sie findet wieder heim.
Erst als sie weit genug weg ist, macht sie langsamer. Keucht stark und hustet sogar leicht. Das hatte sie vom Rauchen. Allerdings hatte sie noch nie eine sonderlich gute Ausdauer. Als sie wieder einigermaßen bei Atem ist, sieht sie sich um. Sie ist bis an den Sportplatz ihrer Schule gerannt, also ein gutes Stück weit von der Grundschule weg. Und näher an ihrem Haus. Hastig wischt sie ein paar Tränen weg, lässt sich auf den Boden fallen. Während sie sich eine Zigarette ansteckt, sieht sie zum Himmel. Die Sonne geht bereits unter, sie war also recht lange weg.
"Meran macht sich sicher Sorgen." Ihre Stimme bricht ab und sie ist selbst erschrocken darüber, wie sie sich anhört. Hastig sucht sie nach ihrem Handy. Bis sie bemerkt, dass sie es wohl vergessen hatte. Seufzend steht sie auf, macht sich auf den Heimweg. Doch sie sieht nicht auf, starrt stur gen Boden, während noch immer vereinzelte Tränen über ihre Wangen laufen.
"Lilia!"

Erschrocken reißt sie den Kopf hoch und liegt im nächsten Moment schon in Merans Armen.
"Wo warst du, ich habe dich gesucht..." Als sie seine brüchige, tränenschwere Stimme hört, beginnt sie erneut zu weinen. Natürlich. Es war ihr klar, dass er sich Sorgen um sie macht, wenn sie sich nicht meldet. Aber das er darauf so verzweifelt reagiert, hätte sie nicht gedacht. Und sie hasst sich dafür, das er wegen ihr so fühlt. Aber noch mehr hasst sie sich für das, was sie getan hat. Das sie ihm nicht Bescheid gesagt hat, was sie macht. Und das sie fast zugelassen hätte, dass Cayden sie küsst. Als sie daran denkt, versetzt es ihr einen Stich in die Brust. Reflexartig verharkt sie ihre Finger in Merans Shirt und drückt sich näher an ihn.
"Es tut mir leid..", bringt sie unter Tränen hervor. Ihre Stimme ist jedoch leise, schwach. Das lässt Meran aufhorchen. Er drückt sie behutsam etwas von sich weg. Will ihr ins Gesicht sehen. Doch sie dreht es weg. Will nicht, dass er sie jetzt ansieht. Doch er legt eine Hand an ihr Kinn und zieht es sanft hoch, um sie anzusehen. Ihre roten, verweinten Augen erschrecken ihn.
"Ist etwas passiert?", fragt er vorsichtig und streicht eine Träne, die ihre Wange herunterläuft, weg. Sie schüttelt leicht den Kopf, damit er sie nicht mehr ansehen kann und drückt sich anschließend wieder an ihn.
"Ich will nachhause." Sie vergräbt ihr Gesicht an seiner Brust und krallt ihre Finger in sein Shirt.
"Lilia, was ist pas-"
"Zuhause.", unterbricht sie ihn. Lässt wieder von ihm ab und wischt sich mit ihrem Ärmel die Tränen weg. Doch ihren Blick richtet sie stur gen Boden.
"Zuhause erzähl' ich's dir."

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