3. Kapitel

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Es klingelt zum Schulschluss. Erleichtert atmet Lilia auf. Nun muss sie nur noch aus der Schule und  hat endlich Ruhe vor Meran. Er hat sie in den Stunden und der zweiten Pause immer wieder angesprochen, angesehen oder einfach nur stumm angelächelt. Sie hat keine Ahnung, was der Kerl hat. Warum er sie einfach nicht in Ruhe lässt. Sie hat ihn schon angegiftet, beleidigt und ist einfach vor ihm weggelaufen. Doch er lässt nicht locker. Aber nun hat sie ja erst einmal Ruhe. Bis morgen. Dann geht das Ganze bestimmt wieder von vorne los. 

Sie wirft ihre Sachen in die Tasche und rauscht so schnell es geht aus dem Klassensaal. Sie will nicht, dass Meran sie nochmal anspricht oder ihr sogar folgt. Das würde sie nicht aushalten. Nicht noch mehr. Auf dem Schulflur dreht sie sich mehrmals nochmal um. Nie sieht sie ihn hinter sich. Sie fühlt sich sicher vor ihm und macht ein wenig langsamer. Ein fataler Fehler. 
„Hey, bist du auf der Flucht?“, ertönt es neben ihrem Kopf. Sie erschrickt sich so sehr, dass sie über ihre eigenen Füße stolpert und fast hinfällt. Fast. Meran hält sie am Oberarm fest und somit halbwegs auf den Beinen.
„Lass mich los!“, faucht Lilia ihn an. Er lacht auf, tut wie ihm gesagt und sie steht wieder sicher auf den Beinen. Ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen, läuft sie einfach weiter. Hofft, er kommt ihr nicht nach. Wieder versucht sie schneller zu gehen, um ihn abzuschütteln, doch das funktioniert nicht. Nahe hinter ihr hört sie schon sein amüsiertes Lachen. Wut kocht in ihr auf. Kann er sie denn nicht einfach in Ruhe lassen?
„Ganz ruhig, Mädchen.“ Unerwartet legt sich ein Arm über ihre Schulter, den sie reflexartig wieder herunter wirft. Meran lacht darüber nur. Er gibt sich allerdings geschlagen und schiebt seine Hände in die Hosentaschen. Bleibt aber stumm an ihrer Seite. Lilia grummelt in sich hinein. Sie würde am liebsten auf ihn einschlagen. Eigentlich würde sie das auch einfach tun, aber sie hat Angst, er würde sie einfach auslachen. 

„Was willst du überhaupt von mir?“, fragt sie ihn ruhig, aber doch bedrohlich. Inzwischen haben sie das Schulgelände bereits verlassen. Doch Meran läuft immer noch in dieselbe Richtung wie Lilia. Will er ihr etwa bis nach Hause folgen? Das kann er aber vergessen! Lilia sieht sich kurz um, ob irgendwo ein Lehrer noch herumläuft, und holt dann eine Schachtel Zigaretten aus ihrer Tasche. Sie nimmt eine und zündet sie sich an.
„Naja, ich hab herumgefragt, ob jemand in meiner Nähe wohnt, damit ich den Weg nachhause finde, und mir wurde dein Name genannt.“ Sie beginnt heftig zu husten bei der Vorstellung, sie wird ihn jeden Tag in der Schule und sogar noch auf dem Nachhauseweg  sehen müssen. Meran beginnt zu lachen, holt ebenfalls eine Zigarettenschachtel heraus. 
„Tja, das hast du davon, wenn du rauchst!“, lacht er, während er sich selbst eine ansteckt. Lilia hat sich in der Zeit wieder gefangen und rammt ihm einen Ellenbogen in die Rippen. Er zuckt kurz, beugt sich ein wenig, grinst aber weiterhin.
„Hey!“, beschwert er sich nur. Doch ihr ist das egal. Warum gerade er? Und warum hat er es so auf sie abgesehen? Will er ihr nur das Leben schwermachen? Wenn ja, dann braucht es nicht mehr lange und er hat sein Ziel erreicht. Sie sagt nichts, redet kein Wort auf dem ganzen Weg. Nicht einmal ihre Kopfhörer holt sie heraus. Meran tut es ihr gleich. Zumindest bis sie bei ihm ankommen. Er bleibt stehen, will sich vermutlich von ihr verabschieden, doch sie geht stur weiter.
„Dann bis morgen, Lilia!“, ruft er ihr lachend hinterher. Von ihr kommt nichts. Sie hört noch seine Tür zuschlagen, erst dann kann sie wieder ruhig durchatmen. Jetzt wohnt er auch noch nur zwei Häuser neben ihr, der Horror für sie. 

Zuhause angekommen schließt sie schnell auf, damit sie rein kann. Sie geht schnurstracks in ihr Zimmer, wirft die Schultasche einfach in eine Ecke und sich selbst auf ihr Bett. Dort bleibt sie eine Weile liegen. Bis ihr Magen sie zu etwas anderem zwingt. Lustlos setzt sie sich auf, sieht durch ihr Zimmer. Sie muss noch die letzten Blutspuren letzter Nacht wegwischen. Und das tut sie auch als erstes. Dazu nimmt sie einfach ein Taschentuch und macht es ein wenig nass. Das reicht. 
Als sie fertig ist, macht sie sich auf den Weg in die Küche. Doch als sie gerade einen Schritt aus ihrem Zimmer heraus ist, klingelt es an der Tür. Normalerweise würde sie jemand anderes hingehen lassen, aber sie ist allein zuhause. Also muss sie wohl oder übel selbst hingehen. Lustlos schlurft sie zur Haustür und macht sie auf. Als sie sieht, wer davor steht, würde sie am liebsten die Tür wieder zu schlagen. Doch da hat Meran schon vorgesorgt, in dem er die Tür von außen mit einer Hand aufhält. In der anderen Hand hält er einen Kuchen. Lilia knurrt ihn an, er lacht sie einfach aus. 
„Ich soll den hier von meiner Mutter aus vorbeibringen. Sie meinte das gehört sich so, als neue Nachbarn.“ Lilia lässt die Tür los um den Kuchen zu nehmen. Ein Fehler. Schon steht Meran im Eingangsbereich ihres Hauses und läuft uneingeladen weiter hinein.
„Hey!“, motzt Lilia ihn an, er dreht sich nur um und streckt ihr frech die Zunge heraus. 
„Wo ist die Küche?“, fragt er und beginnt wahllos irgendwelche Türen aufzumachen. Lilia rennt voraus und öffnet die Tür der Küche, damit er nicht noch weiter schnüffelt. 
Er tritt ein und stellt den Kuchen auf der Ablage ab. Dann beginnt er Teller und Besteck zu suchen.
„Auch ein Stück?“, fragt er Lilia. Diese starrt ihn mit offenem Mund an. Sie geht auf ihn zu und tippt ihm von hinten auf die Schulter. Als er sich umdreht, schlägt sie ihm mit der flachen Hand ins Gesicht. 
„Was fällt dir eigentlich ein?!“, fährt sie ihn an, während er sich amüsiert die rote Wange reibt. 
„Naja, ich dachte, dass ich zumindest jetzt ein Stück Kuchen als Entschuldigung verdient habe!“ Er grinst sie provokant an. Das ist zu viel für sie. Er ist einfach zu viel.

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