22. „Oi mich nicht an."

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Chagara gähnte in die Armbeuge. „Wie lange lässt mich Peter noch den Stall ausmisten?", dachte sie, während sie die geschnittenen Karotten in den Suppentopf gab. Eva lag mit Fieber im Bett. Als sie von den anderen Stallarbeitern davon gehört hatte, hatte Chagara dem Küchenchef angeboten, beim Mittagessen zu unterstützen. Sie gähnte erneut und griff nach den Zwiebeln, als die Tür aufging und der Kommandant die Küche betrat.

„Hey", begrüßte sie Erwin, blickte ihn dabei aber nicht an. Die gestrige Situation war zu unangenehm gewesen.

Erwin nickte nur und ging zum Schrank mit den Tassen. „Wie schaffst du es eigentlich noch Zeit für deine eigentlichen Soldatenaufgaben zu finden?", begann er. „Du musst den Stall ausmisten, du kochst für uns und Zeit, um in die Kirche zu gehen, hast du auch noch."

Chagara kniff die Augen zusammen. „Ich hab mich vertan. Jetzt wird es erst richtig unangenehm."


Sie war am Vortag in der Kirche gewesen. So, wie es Peter gewünscht hatte. Drei Stunden war sie um und in der Kirche herumgeschlichen. Doch weder wurde sie Zeuge irgendwelcher Rituale noch interessanter Gespräche. Als kein Priester mehr in der Kirche war, wartete sie eine weitere halbe Stunde. Als sich dann auch nichts weiter tat, beschloss sie, zum Hauptquartier zurückzukehren. Kaum hatte sie die Kirche verlassen, sah sie, wie Erwin aus einem Schreibwarengeschäft kam. Er hatte neue Füller gekauft. Doch er war nicht das einzige bekannte Gesicht in der Gasse. Vor einem Blumenladen stand Marie Dok. Chagara war fasziniert von ihrer Erscheinung. Sie hatte sich in den Jahren kaum verändert, obwohl sie schon mehrere Kinder hatte. Marie Dok war in ein Gespräch vertieft, doch aus den Augenwinkeln hatte sie Erwin wahrgenommen. Ihre strahlenden Augen waren auf den Kommandanten des Aufklärungstrupps gerichtet, der besorgt die dunklen Wolken über sich betrachtete. Als Marie die Hand zum Winken hob und den Mund öffnete, um vermutlich nach Erwin zu rufen, sah Erwin mit weitaufgerissenen Augen auf Chagara herab. Sie hatte seine freie Hand geschnappt und zog ihn eiligst hinter sich her.

„Komm schon, Erwin. Gleich wird es anfangen zu schütten", rief sie ihm zu, als sie um die nächste Ecke verschwunden waren.


„Ayumi." Erwin lehnte sich an die Arbeitsplatte an. „Ich hab Marie gestern auch gesehen."

Das Mädchen wagte nicht, sich umzudrehen und schnitt weiter Zwiebeln. „Danke, dass du mich wieder beschützen wolltest. Aber das nächste Mal kannst du mich ruhig allein lassen. Ich bin längst über dieses Kapitel hinweg", erklärte er ihr.

Chagara drehte sich zu ihm um. Damals hatte sich Erwin für den Aufklärungstrupp und gegen seine große Liebe entschieden. An dem Abend als seine Entscheidung feststand, hatte er sich betrunken. Chagara hatte ihm Gesellschaft geleistet. Ihm ihre Schulter zum Ausheulen gegeben und sein Erbrochenes weggewischt. Scheinbar hatten Menschen an der Oberfläche auch nicht immer alles Glück der Welt auf ihrer Seite.

Sie nickte verlegen. „Wie idiotisch war das von mir gestern?"

Erwin schmunzelte. „Naja, ich bin mir sicher, unsere Rennerei hat bei dem ein oder anderen Bürger für Verwunderung gesorgt." Als er sich die Szene in Erinnerung rief, lachte er auf und wuschelte Ayumi durch die Haare.

***

„Tch!" Levi verzog angewidert den Mund und umklammerte fester den Holzstiel seines Wischers. Egal wohin er blickte: Überall waren auf dem hellen Fußboden dunkle Schuhabdrücke zu sehen. Hin und wieder sogar kleine Rasenbüschel oder Ästchen, eingeschleppt vom Trainingsplatz. Bemerkte das keiner außer ihm? Wie konnten sie sich alle in diesem Schweinestall wohlfühlen?

Nach einer kurzen Analyse des Hauptquartiers am Morgen war Levi zu dem Ergebnis gekommen, dass jeder Raum dringend eine Grundreinigung benötigte. Leider standen nicht genügend Soldaten zur Verfügung, um schnell voranzukommen. Schlimmer war nur noch, dass fast alle Soldaten nicht seine Auffassung von Sauberkeit besaßen. In fast allen Räumen hatte er Nacharbeiten verordnet. Und somit war noch kein einziger Soldat dazu gekommen, sich die Kantine vorzunehmen. Levi sah zu den Putzmitteln, Bürsten und Tüchern in seinem Eimer. Würden sie reichen? Er stellte alle seine Putzutensilien ordentlich in einer Reihe auf eine der Bänke und ging  mit seinem Eimer zur Küchentür.

Chagara - Chaos in der Dunkelheit (Levi x OC FanFic / AttackOnTitan)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt