56. „Noch nie gesehen?"

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Peter seufzte als die Suppe auf das Tablett schwappte. Emily hatte es zu gut gemeint. „Aber er muss doch wieder zu Kräften kommen", hatte sie erklärt, während sie zum dritten Mal die Suppenkelle in den Kochtopf tunkte. Vor der Tür zur Krankenstation blieb er stehen. Musste er anklopfen? Er tat es, trat jedoch schon durch die Tür, bevor das „Herein" des Kommandanten vollständig zu hören war.

Am Vormittag war Erwin aufgewacht und bei Bewusstsein geblieben. Er schien das Schlimmste überstanden zu haben. Blass und mit eingefallenem Gesicht saß er in seinem Bett. Mehrere Kissen in seinem Rücken stützten ihn.

„Wir sollen die Transporte zwischen den Bauernhöfen und den Mühlen begleiten", hörte Peter Mike sagen. Der Vize-Kommandant saß neben Erwins Bett und klärte ihn über die aktuellen Ereignisse auf.

„Gab es Vorfälle, die zu dieser Maßnahme führten?", sprach Erwin mühsam.

Peter reichte ihm einen Becher Wasser, nachdem er das Tablett auf den Nachttisch abgestellt hatte. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Erwins Hand zitterte. Doch er sagte nichts, sondern machte sich auf die Suche nach einem Lappen, um das Tablett trocken zu wischen.

„Vor ein paar Tagen gab es einen Toten bei der Brotverteilung", erzählte Mike und nahm Erwin den Becher Wasser ab. Der Kommandant hatte Schwierigkeiten sich zu drehen und den Becher selbst auf das kleine Tischchen abzustellen. Erschöpft ließ Erwin seinen Kopf in die Kissen fallen und sah im nächsten Moment einen Löffel vor seinem Mund. Skeptisch sah er seinen Cousin an.

„Ich kann auch nach meiner Mutter schicken", antwortete Peter gelassen.

„Bloß nicht", meinte Erwin und öffnete den Mund. „Der Tote war ein Flüchtling?", fragte Erwin leise nach, nachdem er die Gemüsesuppe heruntergeschluckt hatte. Es war angenehm, etwas zu schmecken. „Möhren. Und Zwiebeln."

„Ja." Mike nickte, während Peter dem Kommandanten einen weiteren Löffel vor den Mund hielt.

„Rons Team soll das machen", antwortete Erwin.

Mike nickte. „Und wir sollen uns verstärkt bei der Brotverteilung einbringen."

Die Falten auf Erwins Stirn wurden tiefer. „Wir haben für all das keine Männer", murmelte er erschöpft.

Peter bemerkte den kurzen traurigen Blick, den der Kommandant mit seinem Vize-Kommandanten austauschte. „Ich könnte mich darum kümmern. Ich soll weiterhin nicht trainieren. Laut Steve", bot Peter an.

Erwin musterte ihn. Als er vor ein paar Stunden aufgewacht war, hatte Peter am Nachbarbett gestanden. Ohne Hose. Er war damit beschäftigt gewesen, seine Brandwunden einzucremen. Wie er seine Beine trotz der schweren Verbrennungen bewegen konnte, war Erwin schleierhaft. „Gibt es etwas Neues von der Kirche?", fragte er schließlich.

Sein Cousin schüttelte den Kopf. „Nichts. Wir haben nichts. Und seitdem du auf der Krankenstation liegst, waren wir auch nicht mehr da."

Erwin nickte langsam. „Vorerst keine Observierung mehr. Du kümmerst dich mit um die Brotverteilung. Nimm Soldaten aus deinem alten Team mit. Ihr seid eingespielt", befahl er. „Ich erwarte täglich einen kurzen mündlichen Bericht," fügte der Kommandant hinzu.

„Ja, Kommandant", antwortete Peter.

„Weißt du schon, wie lange Steve dich noch hierbehält?", wollte Mike wissen.

„Solange es nötig ist!" Steve stand in der Tür. „Besuche werden von jetzt an bei mir angekündigt. Aufregungen werden vermieden. Verstanden?", erklärte der Arzt kühl.

„Scheinbar bin ich schon im Vorzimmer der Hölle", antwortete Erwin und gab Peter zu verstehen, dass er keinen Hunger mehr hatte. Sein Cousin half ihm dabei, sich hinzulegen. Peter fiel es schwer ein unbekümmertes Gesicht zu machen. Ihm war nicht entgangen, dass Mike bei Erwins Worten zusammengezuckt war. „Dann liege ich wohl mit meiner Vermutung richtig. Scheiß Regierung."

Chagara - Chaos in der Dunkelheit (Levi x OC FanFic / AttackOnTitan)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt