76. „Der Rest geht dich nichts an."

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Irgendetwas Warmes hatte sich um seine zwei rechten Finger gelegt. Levi strich mit seinem Daumen darüber. Er blinzelte. Ayumi saß vor dem Sofa auf dem Boden und schlief. Ihr Kopf lag neben seiner Schulter. Ihre Hand hielt seine zwei Finger fest. Er war auf dem Sofa eingeschlafen. „Morgen?" Hatte er so lange geschlafen? Wann hatte er das letzte Mal länger als drei Stunden geschlafen? „Vor 14 Jahren", dachte er und setzte sich langsam auf. Die Decke fiel auf seine Beine. Hatte Ayumi ihn zugedeckt? „Warum hat sie hier geschlafen?"

Wäre alles in Ordnung hätte er Ayumi jetzt in ihr Bett gebracht. Oder auf das Sofa gelegt. Aber es war nichts in Ordnung. Hatte er durch ihr Schweigen Kameraden verloren? Sein Team? Seine Freunde? Wäre alles anders gelaufen? Wären sie früher frei gewesen? „Hätte ich mich nicht zwischen Erwin und Armin entscheiden müssen?"

Levi zog seine Finger aus Ayumis Griff und stand auf. In der kleinen Küche stand ein Wasserkrug auf dem Tisch. Er nahm sich eine Tasse und schenkte sich ein. „Das ist immer dein Platz gewesen." Kaum saß er, hörte er Geräusche aus dem Wohnzimmer. Sie war wach. Das Holz knarrte bei jedem ihrer hastigen Schritte. Jeder einzelne Muskel von Levi spannte sich an. Wo sollte er anfangen? Und warum waren ihre Augen voller Panik, als sie ihren Kopf zur Küche reinsteckte?

Mit geschlossenen Augen lehnte sie sich an den Türrahmen. „Ich hab gedacht, ich hätte geträumt. Dass du da bist." Sie wischte sich über die Augen und atmete tief ein. „Kannst du mich das nächste Mal einfach wecken, wenn du aufstehst?" Ayumi griff nach ihrer Schürze. „Entschuldige, ich hab dich gestern nicht mehr wecken wollen. Du musst bestimmt Hunger haben."

Doch als Antwort trat Levi mit seinem Fuß gegen einen der Stühle, sodass er unter dem Tisch hervorschoss. Erschrocken drehte sich Ayumi zu Levi um. Solche zornigen Augen hatte sie noch nie bei ihm gesehen. Nicht einmal, als er sie damals gewürgt hatte. Ohne ein Wort zu sagen, setzte sie sich ihm gegenüber.

„Seit wann hast du gewusst, dass sich Menschen in Titanen verwandeln können?", fragte er kaum hörbar. Ob er so leise sprach, weil er die Kinder nicht wecken wollte oder weil es ihm so schwerfiel, dieses Gespräch zu führen: Levi wusste es selbst nicht.

„Ein paar Jahre bevor wir in den Aufklärungstrupp integriert wurden, bekam Peter Besuch von einem alten Freund seines Vaters. Ein kranker alter Mann war zu seinem Bauernhof gekommen. Er war wohl bettelarm. Der Freund von Peters Vater hatte Mitleid mit ihm und wollte ihn bei sich aufnehmen, bis er die Augen endgültig schloss. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich schnell. Wenn er jedoch wach war, erzählte er mit klarem Verstand von ausgewählten Menschen, die sich in Titanen verwandeln können. Es waren immer dieselben wenigen Sätze. Doch der alte Freund von Peters Vater wollte unbedingt, dass Peter es selbst hört. Der alte Mann gehörte zum Ackerman-Clan. Man würde seinen Clan jagen, hat er gesagt. Warum erklärte er nicht. Warum oder wieso es Menschen gibt, die sich in Titanen verwandeln können, beantwortete er auch nicht. Wir hatten also keine brauchbaren Beweise. Kurz bevor ich dich kennengelernt habe, kam ein Geistlicher zu uns. Wir waren ja damals noch in Shadis' Ausbildungscamp untergebracht. Anfang Dezember kam immer ein Priester und predigte für die Auszubildenden. Der Letzte, der kam, lag jedoch am nächsten Morgen tot in seinem Bett. Friedlich eingeschlafen. Als Paul seine Sachen zusammenpackte, fiel eine Zeichnung aus seinem Religionsbuch. Die Zeichnung war keine Schmiererei und sie zeigte, wie ein Mensch sich in einen Titanen verwandelt. Peter und Steve hatten die Vermutung, dass die abnormalen Titanen Menschen sein könnten. Deshalb sollten wir einen abnormalen Titanen fangen. Zu Forschungszwecken. Unser Geldgeber Johnson bewilligte dies. Kurz darauf war er tot. Und am Tag, als wir Beide uns zum ersten Mal gesehen haben, hatten wir versucht, einen abnormalen Titanen einzufangen. Ging schief."

„Wusstest du, dass sie unter uns sind? Reiner Braun, Berthold Fubar, Annie Leonhardt, Ymir, Pieck Finger und ... Zeke Jäger? Wusstest du, dass Reiner Braun, Berthold Fubar und Ymir zeitweise zum Aufklärungstrupp gehörten?" Levis Stimme wurde lauter, je mehr er an die schmerzlichen Erinnerungen der vergangenen Jahre denken musste. „Dass ich mit ihnen trainiert habe? Dass ich ihnen gezeigt habe, wie wir kämpfen? Wie wir uns verteidigen? Wusstest du das?" Er schlug mit der Faust auf den Tisch, sodass das Wasser im Krug beinahe überschwappte.

Chagara - Chaos in der Dunkelheit (Levi x OC FanFic / AttackOnTitan)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt